Die neue Immobilität bei Managern

Bye-bye, Fernbeziehung

16.02.2016
Von Claudia Obmann

Zwar tun sich Frauen mit dem Familienleben auf Distanz etwas schwerer als Männer. Aber auch männliche Führungskräfte, die bislang die Managermaxime "Für jede 1000 Euro, die du im Jahr verdienen willst, musst du bereit sein, einen Kilometer zum Arbeitsplatz zurückzulegen" verinnerlicht hatten, denken um. Statt also für ein Jahresgehalt von zum Beispiel 250.000 Euro eine Entfernung von 250 Kilometern zwischen Zuhause und Arbeitsplatz als selbstverständlich zu betrachten und ein Hotelzimmer auf Dauer zu buchen oder ein Appartement zu mieten, winken potenzielle Kandidaten ab.

Auch wenn die meisten von ihnen nicht offen darüber sprechen wollen, aus Sorge, bei Kollegen und Kunden als Weichei dazustehen. Stahl: "Es gibt immer mehr männliche Führungskräfte, die ihre Kinder aufwachsen sehen möchten." Und die dafür attraktive Jobofferten ausschlagen. So wie Michael Schnerring. Die Karriere des 50-Jährigen zeigt das typische Erfolgsmuster: In rund 20 Jahren hat der Diplom-Kaufmann berufsbedingt sechsmal den Wohnort gewechselt: Von seinem Studienort Passau ging es nach München, Recklinghausen, Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt, wo er seine Frau kennen lernte.

Papa gibt's nur am Wochenende

Zu seinem nächsten Einsatzort Stuttgart, wo er den Einkauf eines der vier Konzernbereiche beim Technologiekonzern Voith leitet, pendelte er fortan. So hieß es für ihn, weiterhin für zwei Jahre - wie schon die fünf Jahre zuvor als Unternehmensberater - sonntagabends Abschied zu nehmen von seinen Lieben und mit dem Auto zur Zweitwohnung in Stuttgart aufzubrechen, wo er dann bis freitags arbeitete. Seine drei Kinder kannten das nicht anders: "Papa gab's nur am Wochenende", erzählt er.

Gerade als der Manager sesshaft werden wollte und die junge Familie ihr neu gebautes Haus nahe der Schwabenmetropole bezogen hatte, erhielt Schnerring das "Jobangebot seines Lebens", wie er sagt: Ihm wurde die Gesamteinkaufsleitung eines namhaften Konzerns angetragen. Krisensichere Branche, ein Drittel mehr Gehalt. Der Haken: Sein neuer Schreibtisch hätte 400 Kilometer entfernt von zu Hause gestanden - tägliches Pendeln unmöglich. "Das hätte bedeutet, meine Familie wieder nur am Wochenende zu treffen und meine Kinder nicht aufwachsen zu sehen." Er ließ das Spitzenangebot sausen.

Und bereut es nicht. Im Gegenteil: Scherring kann seine Jungs auch mal abends zum Fußballtraining begleiten oder sie in die Schule oder den Kindergarten fahren - und er findet am Feierabend durchaus mal Zeit, sich mit Freunden am Stammtisch zu treffen. "Ich habe gemerkt, dass ich in meinem Lebenszyklus an einem Punkt angekommen bin, an dem ich unwilliger als früher bin, meine Familie zu verlassen, immer wieder einen neuen Freundeskreis aufzubauen und mir neue Ärzte zu suchen." Inzwischen ist er fast "auf Biegen und Brechen" gewillt, auch künftig beruflich im Stuttgarter Raum zu bleiben - eine echte Herausforderung, denn sein Bereich wird gerade umstrukturiert.