Bundesrepublik hinkt nicht hinterher:

BWMi macht gegen "Technologiekomplex" mobil

17.08.1984

BONN (CW) - Kassandrarufe, die eine Wettbewerbsschwäche der Bundesrepublik in Hochtechnologiebereichen heraufbeschwören, sind unbegründet. Diese Auffassung vertritt das Bundeswirtschaftsministerium (BWMi) in einer kürzlich herausgegebenen Untersuchung. Anhand der Erhebungen verschiedener Wirtschaftsinstitute zieht der Bericht die amerikanischen, japanischen und deutschen Entwicklungslinien beim Handel mit hochtechnologischen Produkten nach. Bonn kommt zu dem Schluß, daß die konjunkturell bedingten Einbrüche Anfang der 80er Jahre inzwischen wieder ausgeglichen wurden und der Rückstand der Deutschen auf dem High-tech-Sektor sich nicht vergrößerte.

Bei seinen Aussagen stützt sich das Bundeswirtschaftsministerium in erster Linie auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Den Berechnungen dieser obersten Statistikbehörde zufolge ist von 1966 bis 1982 mit Ausnahme der Jahre 1980 und 1981 eine Verringerung deutscher Marktanteile bei Hochtechnologiegütern nicht feststellbar. Auch bei IfW und Ifo schneiden die Deutschen laut BWMi im internationalen Vergleich nicht schlecht ab. So errechnete IfW bei hochtechnologischen Produkten stabil bleibende deutsche Marktanteile (1970 20,4 Prozent, 1978 20,4 Prozent und 1980 19,1 Prozent); wohingegen es für Amerika auf diesem Gebiet sinkende Anteile (23 Prozent 1970 und 19 Prozent 1980) nachweise. Ähnlich sehe es bei den lfo-Ergebnissen aus: Hier stünden 21 Prozent (1970) und 20,1 Prozent (1982) in Deutschland, auf amerikanischer Seite 19,6 Prozent (1970) und 12,5 Prozent (1 982) gegenüber.

Gegen eine Schwäche der Deutschen in den Hochtechnologiebereichen sprechen aus der Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums ferner die Untersuchungen der genannten Marktbeobachter über die deutschen Patentaktivitäten. Sowohl IfW als auch Ifo hätten festgestellt, daß die Bundesrepublik zwischen 1976 und 1981 bei den Schlüsselpatenten und auch bei der gesamten Auslandspatentanmeldung mit weitem Abstand vor Japan den zweiten Platz hinter den USA einnehme.

Die starke Position der deutschen Wirtschaft kann man laut BWMi aber nicht nur an den Ergebnissen der aufgeführten Expertisen, sondern auch an der breiten Angebotspalette von Investitionsgütern mit

hohem technischen Niveau, der guten Anpassungsfähigkeit bei Problemlösungen im High-Tech-Bereich und dem "intelligenten" Einsatz von Hochtechnologieprodukten in der ganzen Breite der Produktion ablesen. Dennoch räumt die Bonner Studie ein, daß deutsche Unternehmen in einzelnen (nicht näher benannten) Technikbereichen Schwierigkeiten haben, den Anschluß zu halten. Weiter heißt es, man müsse bei der industriellen Entwicklung und Nutzung auf dem High-Tech-Sektor Rückstände wettmachen. Und noch einen weiteren Einwand macht das Bundeswirtschaftsministerium im Hinblick auf seine Schlußfolgerungen geltend: Leider bestünde keine Einigung über die Eingrenzung der Hochtechnologieprodukte. So beschränke sich die Bundesbank bei ihren Untersuchungen auf wenige ausgewählte High-Tech-Bereiche, wie beispielsweise die Nachrichtentechnik und die Datenverarbeitung. Die OECD-Expertisen hingegen spannten die Bandbreite der zu diesem Gebiet gehörenden Produkte wesentlich weiter und rechneten unter anderem auch Turbinen und Dünge- sowie Schädlingsbekämpfungsmittel zu den Hochtechnologiegütern.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist laut BWMi die Wettbewerbslage insgesamt in die Formel zu fassen: Die Situation ist gut, die Dynamik ist aber differenziert zu beurteilen.

In diesem Zusammenhang geht das Wirtschaftsministerium auch auf die Abhängigkeit der Gesamtwirtschaft von der Situation in den Hochtechnologiebereichen ein. So heißt es: "Der Nachweis, daß bei einem Rückgang der Marktanteile bei einzelnen Produkten die Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft in der Zukunft gefährdet ist, trifft nicht zu. Die Stellung der deutschen Wirtschaft auf den Weltmärkten sei insgesamt gut, selbst wenn in Teilbereichen die Führungspositionen von konkurrierenden Ländern eingenommen würden. So lag der Anteil der Bundesrepublik beim Welthandel mit Industriegütern 1982 mit 16,7 Prozent vor den USA (15,4) und Japan (14,7 Prozent).

Um die Bedeutung der Hochtechnologie in der Gesamtwirtschaft richtig beurteilen zu können, sollte man sich auch das Beispiel der USA vor Augen führen: Trotz ihres Vorsprungs auf einigen einschlägigen Sektoren sei die Struktur der US-Handelsbilanz auch heute noch in erheblichen Maße durch den Export konventioneller Güter, zum Beispiel von Agrarprodukten, gekennzeichnet. Andererseits führten laut BWMi durch den Wechselkurs bestimmte Wettbewerbsbedingungen zu erheblichen Störungen des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts der USA.

Schließlich warnt die Studie noch vor dem Nachahmen der japanischen Wirtschaftspolitik in der Spitzentechnologie. Eine Kopie des japanischen Systems, daß man an spezifischen kulturellen und sozioökonomischen Zusammenhänge erkennt (duales System, Konsensusprinzip, enge Kooperation Staat/Wirtschaft), ist nicht möglich und "wegen der damit unvermeindlichen Folgen für unser Gesellschafts- und Sozialsystem auch nicht erwünscht". Die in Japan praktizierte Förderung von Forschung und Entwicklung auf der Grundlage meist ausländischer Basisinnovationen stieße bei den westlichen Handelspartnern zunehmend auf Kritik.