Trotz Kritik am BMFT-Modellversuch:

BVIB will die Verantwortlichen unterstützen,

28.10.1983

MÜNCHEN (kul) - Kritik am Modellversuch "Technologieorientierte Unternehmensgründungen" äußerte der Bundesverband Informationsverarbeitender Bereiche (BVIB). Obwohl prinzipiell begrüßenswert, stelle das Programm gerade für Unternehmen, die in der Gründungsphase mehr als zehn Arbeitsplätze schaffen, eher eine Härte als eine Hilfe dar.

Betriebe, die eine dem Modellversuch entsprechende Idee haben, Risikofreudigkeit zeigen, Arbeitsplätze schaffen und schnell eine gesunde Unternehmensbasis schaffen, werden nach Ansicht des BVIB "bestraft". Da die Gründungsphase mit drei Jahren angesetzt ist, würden über diesen Weg erfolgversprechende Innovationen links liegen gelassen.

BVIB-Pressesprecher Peter K. Ohrt bedauerte die mangelnde Koordination zwischen dem Bundesforschungsministerium und dem VDI-Technologiezentrum in Berlin bezüglich der Vertragsgestaltung. Unsicherheiten würden dadurch verstärkt und der Modellversuch gerate schon in der Startphase ins Stolpern.

In der schlechten Vorbereitung des Modellversuchs sieht der BVIB den Grund, daß die ebenfalls zur Mitarbeit aufgeforderten Risikokapitalgesellschaften wenig Neigung zur Mitarbeit verspüren. Die Banken, denen der Bundesforschungsminister sein Programm als Lernobjekt empfehle, fühlten sich ohnehin nicht angesprochen, da die Bundesbank den anderen Geldinstituten durch das Kreditvergabegesetz verbiete, unternehmerische Risiken einzugehen. Die dringliche Absicherung, die allgemein verlangt werde, sei von Jungunternehmen kaum vorzuweisen. Ohrt: "Wenn das Programm dennoch Lernprojekt sein soll, so gibt es zusammenfassend schon eine Erkenntnis: Modellcharakter kann dem Modellversuch in der jetzigen Form nicht zugesprochen werden." Dies sei vor allem schon deshalb nicht möglich, weil der Haushaltsansatz 1983 unter jenen 15 Millionen Mark liege, die sich die Parteien als Werbekostenzuschuß allein für die Hessenwahl zurückerstatten ließen. Der BVIB will eigenen Aussagen zufolge bei aller Kritik dazu beitragen, die Verantwortlichen in ihrem Lernprozeß zu unterstützen.

Ein Hauptanliegen des Vereins ist ferner die Problematik der 35-Stunden-Woche. Ohrt verwies hier auf die beiden gegensätzlichen Ansichten, die zu diesem Thema existieren: Bis zu 1,5 Millionen neuer Arbeitsplätze erwarteten die Befürworter, Staatsbankrott innerhalb von drei Jahren die Gegner. Während die Gewerkschaften von einer Umverteilung der Arbeit sprächen, rechneten Skeptiker mit einem nicht zu verkraftenden Rationalisierungsschub. Ohrt: "Die Wahrheit wird immer in der Mitte liegen."

Nach Ansicht des BVIB kann man nicht davon ausgehen, daß die Unternehmen den Produktivitätsverlust von 12,5 Prozent gegenüber der 40-Stunden-Woche durch neue Mitarbeiter und alte Arbeitstechniken ausgleichen würden. Es sei vielmehr zu erwarten, daß hier der Startschuß für lange zurückgehaltene Investitionen gegeben werde, die mit Hilfe der Mikroelektronik zu einer weit über der 12,5-Prozent-Marke liegenden

Rationalisierung führen würden. Dabei bestehe die Gefahr, daß die Technologie allein deshalb in die Rolle des Jobkillers gerate, weil die Gewerkschaften ihre Existenz bei der Forderung nach der übergangslosen Einführung der 35-Stunden-Woche nicht einkalkuliert hätten.

Der BVIB will deshalb nach Aussage von Ohrt zwei Institute mit einer Marktforschungsstudie zum Thema "Einfluß der Mikroelektronik bei der Einführung der 35-Stunden-Woche" beauftragen, um Aufschluß über die beiden konträren Thesen zu bekommen. Dabei solle auch die Frage geklärt werden, ob der technologische Vorsprung Amerikas und Japans gegenüber Deutschland tatsächlich in dem Maße vorhanden sei, wie oft behauptet wird.