Business Objects: BI ist noch Stückwerk

18.12.2001
Anwendungen für Business Intelligence (BI) gelten mittlerweile als unternehmensstrategisch. Zu einem der bedeutendsten Anbieter hat sich Business Objects gemausert. Mit Bernard Liautaud, Gründer und Chief Executive Officer des französischen Unternehmens, sprach CW-Redakteur Sascha Alexander .

CW: Anbieter von Business Intelligence-Produkten geraten in Zeiten, in denen Unternehmen verstärkt auf Kosten-Management und Return on Investment (RoI) achten müssen, zunehmend in die Kritik. Woran liegt das?

Liautaud: Immer mehr CIOs und IT-Abteilungen beklagen, dass die Kosten und der Wartungsaufwand für die vielen, meist isolierten und abteilungsbezogenen BI-Lösungen zu hoch sind. Unternehmen können sich nicht länger unterschiedliche Sicherheitsarchitekturen, Schulungen, Benutzeroberflächen etc. leisten. Es zeichnet sich deshalb ein Trend ab in Richtung einer unternehmensweiten Standardisierung und Integration von Tools und Lösungen.

CW: Eine Standardisierung geht auf Kosten lauffähiger und bewährter Einzelanwendungen. Wäre nicht Interoperabilität statt Migration die bessere Alternative?

Liautaud: Unternehmen müssen damit rechnen, dass manche der heutigen BI-Hersteller nicht überleben werden und deshalb der Support fehlen wird. Außerdem kostet die Wartung diverser Systeme viel Geld. Die Produkte brauchen deshalb eine gemeinsame Architektur.

CW: Das sind schlechte Nachrichten in Zeiten, in denen Unternehmen jede Mark zweimal umdrehen.

Liautaud: Wenn die Firmen ihre Daten gut kennen, ist die Migration einer Abteilungslösung möglicherweise nicht so schmerzhaft.

CW: Wie groß ist der Aufwand?

Liautaud: Das lässt sich nur von Fall zu Fall abschätzen und hängt beispielsweise davon ab, ob nur einzelne Anwendungen abgelöst werden oder auch eine übergreifende Architektur entstehen soll. Wir versuchen hier, die Kunden mit Consulting-Diensten zu unterstützen.

CW: Hersteller von Software für Online Analytical Processing (Olap) beispielsweise sind dabei, ihre Systeme interoperabel zu gestalten. Warum fordern Sie die Migration auf eine Plattform?

Bernard Liautaud, Gründer und CEO von Business Objects    Quelle Business Objects

Liautaud: Ich will nicht behaupten, dass es nur einen Hersteller geben kann. Aber es ist viel schwieriger und teurer, Produkte mehrerer Firmen einzusetzen. Natürlich müssen Produkte auch offen sein und Standards entsprechen – Business Objects unterstützt rund 150 Integrationsmechanismen und Schnittstellen. Doch selbst wenn Interoperabilität besteht, benötigen Sie für die einzelnen Anwendungen spezielles Know-how und verwenden unterschiedliche Metadaten und Sicherheitsfeatures. Langfristig sollte deshalb eine BI-Plattform gewählt werden.

CW: Analysten wie Gartner empfehlen Unternehmen, in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation alle Projekte auf den Prüfstand zu stellen. Lässt sich bei BI der Nutzen immer nachweisen?

Liautaud: BI-Projekte zeigen bei relativ geringen Startinvestitionen ab etwa 100 000 Dollar in aller Regel in drei bis vier Monaten einen RoI. Ich glaube, dass dies auch der Grund ist, warum der BI-Markt bisher dem Negativtrend in der Industrie widerstanden hat.

CW: Lässt sich der versprochene Return on Investment auch in konkreten Zahlen nachweisen?

Liautaud: Wir können ihn anhand des Erfolgs und neuer Geschäftsideen unserer Kunden belegen. Eine Formel, mit der sich der RoI genau berechnen lässt, ist aber eine Illusion.

CW: Sie werben für umfassende BI-Architekturen. Fakt ist aber, dass in Deutschland heute noch rund ein Drittel aller Data-Warehouse-Projekte scheitern (ein Data Warehouse/Data Mart stellt normalerweise die Datenbasis für Business-Intelligence-Lösungen, Anm. der Redaktion).

 Liautaud: In anderen Softwareprojekten wie ERP sieht es vermutlich nicht besser aus. Aber es stimmt, dass Data Warehouses oft nicht den versprochenen RoI bringen. Das liegt daran, dass Unternehmen keine Geschäftsstrategie definiert haben, bevor sie Daten in das Warehouse laden und eine BI-Lösung implementieren.

CW: Business Objects versucht auch, mit analytischen Anwendungen Geld zu verdienen. Dahinter stecken vorgefertigte Data Marts, die auf Einsatzgebiete wie Marketing, Controlling, Supply-Chain-Management etc. abgestimmt sind. Wie läuft das Geschäft?

Liautaud: Wir haben in den elf Jahren unseres Bestehens viel Wissen angesammelt und zählen mittlerweile 14 000 Kunden. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, dieses Wissen in analytische Standardsoftware zu bündeln. Unsere Angebote in diesem Umfeld basieren auf einem gemeinsamen Framework, mit dessen Hilfe Kunden sie an ihre Bedürfnisse anpassen und integrieren sowie eigene Anwendungen entwickeln können. Auf dieser Basis lassen sich zudem zur besseren Integration der Lösungen Workflows und Geschäftsregeln implementieren (siehe CW 34/01, Seite 16).

CW: Wie groß ist der praktische Nutzen von analytischen Anwendungen?

Liautaud: Wir stehen mit der Vermarktung noch am Anfang. Als Vorteil lässt sich aber schon jetzt anführen, dass Unternehmen nicht nur ein unspezifisches BI-Tool kaufen, sondern Lösungen für konkrete Anwendungsgebiete erhalten. Sie können so schnellere Resultate erzielen.

CW: Bisher verkauften Sie und viele Ihrer Wettbewerber vor allem Tools für den Aufbau von BI-Lösungen. Nun steigen Sie mit analytischen Anwendungen ins Lösungsgeschäft ein. Entsteht da nicht ein Konflikt mit Ihren Partnern?

Liautaud: Ja, aber vor allem sehen wir neue Geschäftsmöglichkeiten für beide Parteien. Unser Framework erhöht die Reichweite unserer Produkte und wird hoffentlich mehr Independent Software Vendors (ISV) als bisher anlocken. Außerdem erwirtschaften wir heute nur etwa sieben bis acht Prozent unseres Umsatzes im Consulting. Selbst wenn dieser Prozentsatz steigt, wird das Wachstum im Partner-Consulting insgesamt viel höher sein.

CW: Wie lassen sich analytische mit bestehenden BI-Anwendungen kombinieren?

Liautaud: Wenn es eine BI-Anwendung gibt, die ihre eigenen Daten vorhält, dann werden wir diese über unser Framework integrieren. Wir werden also auf der Ebene des Datenmodells zusammenarbeiten.

Umsatzzuwächse

Business Objects steigerte den Umsatz im dritten Fiskalquartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15 Prozent. Nach 86 Millionen Dollar betrugen die Einnahmen von Juli bis September 2001 etwa 99 Millionen Dollar. Einen Großteil zur positiven Entwicklung steuerte das Geschäft in den USA bei, das sich laut Business Objects um 32 Prozent vergrößerte. Nach Einnahmen führt Europa noch mit 49 Prozent vor Nordamerika mit 43 Prozent. Der Gewinn des BI-Spezialisten schrumpfte hingegen von 10,2 auf 9,3 Millionen Dollar. Im laufenden Berichtszeitraum sind Umsätze von rund 110 Millionen Dollar angepeilt. Für das Jahr 2001 sind Umsätze zwischen 452 und 460 Millionen Dollar angepeilt. Im Geschäftsjahr 2000 hatte BO rund 349 Millionen Dollar umgesetzt. Das Nettoeinkommen stieg gegenüber 1999 um 78 Prozent auf 42,2 Millionen Dollar.

CW: Im Zusammenhang mit der Vereinheitlichung der BI-Architekturen erleben derzeit auch schlanke Frontends wie Dashboards, Cockpits und Portale eine größere Nachfrage.

Liautaud: Die Architekturen entwickeln sich hin zu leichter administrierbaren, Server-zentrierten Lösungen mit Thin Clients. Zum anderen empfinden viele Anwender die bisher üblichen Frontends als zu kompliziert und wollen intuitive und individuelle Oberflächen ohne Lernaufwand.

CW: Bei Thinclients werben Sie für Extranet-basierte BI-Architekturen, die den Informationsaustausch zwischen Unternehmen und ihren Kunden und Partnern ermöglichen. Nun sagten Sie kürzlich, dass Extranets lediglich ein erster Schritt hin zu einem umfassenderen Informations-Ökosystem sind. Was meinen Sie damit?

Liautaud: Unternehmen operieren in immer komplexeren Beziehungsnetzen mit ihren Kunden und Partern. Dafür brauchen sie eine transparente Informationsverteilung und -integration in die eigenen Systeme. Das Extranet ist dazu der passende Distributionskanal und bietet mehr als bloße Push-Technik. Künftig werden Firmen nicht nur den Zugriff auf eigene Daten erlauben, sondern diese ihren Partnern als „BI-Web-Services“ anbieten, die sie wiede- rum in ihre eigenen Umgebungen integrieren können.

CW: Was sind das für Dienste, und wann sind sie verfügbar?

Liautaud: Wir wollen noch nicht zu viel verraten, aber erste Produkte sind für die erste Jahreshälfte 2002 geplant. Komplette Web-Services-Anwendungen sollen in der zweiten Jahreshälfte 2002 verfügbar sein.

CW: Auch mobile BI-Anwendungen sind noch Mangelware. In welchen Bereichen sind sie zu erwarten?

Liautaud: Nutznießer könnten Manager sein, die lediglich ein paar Kennzahlen im Handheld abrufen oder empfangen möchten. Ein weiteres Gebiet sehe ich im Sales- und Kundenservice für unterwegs. Zurzeit haben wir 20 bis 30 Kunden mit Pilot- und Teillösungen. In der zweiten Jahreshälfte 2002 werden wir erste Anwendungen präsentieren.

CW: Immer mehr Unternehmen möchten größere Benutzergruppen mit BI-Anwendungen ausstatten. Dem steht die heute übliche Lizenzpraxis entgegen, die sich nach der Benutzerzahl richtet. Ist eine Veränderung in Sicht?

Liautaud: Ich glaube nicht, dass der Preis eine Rolle spielt. Business Objects hat beispielsweise ein flexibles Preismodell, bei dem ein Kunde auch für Intranet-Lösungen nach CPU bezahlen kann. Unternehmensweite Lösungen kommen vielmehr deshalb oft nicht zustande, weil die Firmen nicht wissen, wie sie ihre BI-Strategie umsetzen sollen und was die eigenen Anforderungen sind.

CW: Die Marktforscher von IDC rechnen in den kommenden fünf Jahren mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 26,9 Prozent auf ein BI-Marktvolumen von 11,8 Milliarden Dollar im Jahr 2005 (siehe CW 38/01, Seite 30). Dies lockt auch Anbieter von ERP-, CRM- sowie Datenbanksoftware an, die ihre Produkte um BI-Funktionalität erweitern. Degradieren Tool-Anbieter wie Sie künftig zu reinen OEM-Lieferanten für Standardsoftware?

Liautaud: BI-Tools werden auch künftig einen eigenständigen Markt haben und nicht nur als Teil operativer Systeme existieren. Der Grund ist, dass sie Daten quer zu allen Unternehmensanwendungen sammeln und auswerten. Obwohl Unternehmen oft Hunderte von Geschäftsanwendungen installiert haben, können sie nur auf der Basis korrelierter Daten aus vielen operativen Systemen Entscheidungen treffen.