Business laeuft offenbar nur langsam an SAP-Systemhaeuser muessen sich ans R/3-Geschaeft erst gewoehnen

10.11.1995

MUENCHEN (hv) - Weil sie selbst keinen Draht zu mittelstaendischen Kunden fand, ging die SAP AG, Walldorf, vor gut acht Monaten Partnerschaften mit kleineren Systemhaeusern ein. Sie sollen die Software an mittlere Unternehmen verkaufen und bei Bedarf um branchenspezifische Loesungen ergaenzen. Nicht alle Systemhaeuser kommen mit dieser ungewohnten Rolle zurecht.

"Koennte besser laufen", lautet das Urteil von Guenter Wiskot, Geschaeftsfuehrer der AS/400-Softwareschmiede Command GmbH in Ettlingen. Er ist mit dem bisherigen R/3-Geschaeft noch nicht zufrieden. Zwar kaempfe man nicht mehr um den ersten Kunden, doch habe er sich von dem SAP-Deal eine deutlichere Belebung des Geschaefts versprochen. "Die Kunden gehen zwar davon aus, dass R/3 alles kann, aber sie haben unheimliche Angst vor der Einfuehrung. Man muss mit ihnen darueber reden und viel Beratungskompetenz zeigen - das ist ein anderes Geschaeft als der Verkauf unserer AS/400- Software Frida."

Was die mittelfristigen Wachstumsaussichten angeht, zeigt sich Wiskot ebenfalls nicht allzu optimistisch. Er habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass SAPs Anstrengungen, mit optimierten Einfuehrungshilfen in das Mittelstandsgeschaeft hineinzukommen, eines Tages Fruechte tragen werden. Vor allem mittlere Unternehmen mit internationalen Ambitionen sind laut Wiskot Kandidaten fuer die SAP-Software - ob sie sich dabei allerdings von den Systemhaeusern mit eher nationaler Praegung unterstuetzen lassen, scheint fraglich.

Optimistische Toene sind dagegen von der Pforzheimer Seitz GmbH zu vernehmen. Deren Geschaeftsfuehrer Joachim Geffken erklaerte auf der Systems, die "realistischen wirtschaftlichen Planungen" haetten sich bisher voll erfuellt. Man koenne bereits auf 25 Kunden verweisen, die sich auf das Angebot von Seitz eingelassen haetten - teilweise ergaenzt um individuelle Zusatzloesungen fuer die prozessorientierte Vertriebsunterstuetzung oder fuer die Anbindung von R/3 an Bildverarbeitungssysteme und das Internet.

Insgesamt 13 R/3-Abschluesse hat die tds tele-daten-service GmbH, Heilbronn, seit dem 9. Februar 1995, dem Ratifizierungsdatum der Systemhaus-Partnerschaft, unterzeichnet. Marketing-Leiter Robert Thiele kennt offenbar die Ergebnisse von Seitz nicht. Er behauptet kuehn, man befinde sich mit dieser Zahl klar an der Spitze aller SAP-Partner. Pikanterweise haben sich jedoch nur zwei tds-Kunden fuer den Eigenbetrieb der R/3-Software entschieden, waehrend elf Unternehmen eine Outsourcing-Loesung bevorzugen.

SAP-Partner bewegen sich auf abgestecktem Terrain

R/3 ja, aber doch lieber als fertige Dienstleistung - diese Einstellung verraet viel ueber die Sorgen und Noete der Mittelstaendler. Bei einer von SAP angepeilten Unternehmensgroesse von bis zu 250 Millionen Mark Umsatz stehen diesen Betrieben in der Regel nur wenig interne IT-Ressourcen zur Verfuegung. Es handelt sich um die gleiche Klientel, die IBM mit ihrer AS/400 oder Siemens-Nixdorf mit der ALX-Comet-Loesung angehen - um Anwender also, die eine einfache DV-Loesung bevorzugen und sich mit der Einfuehrung von R/3 zunaechst ueberfordert sehen.

Anhand von festgelegten Hoechstwerten wie beispielsweise dem Umsatz eines Kunden, der Einwohnerzahl einer Kommune oder der Bettenmenge eines Krankenhauses hat die SAP definiert, in welchem Umfeld sich die Juniorpartner bewegen koennen. Zudem gibt es die sogenannten Named Accounts, an die ein Systemhaus ebensowenig herankommt wie an Kunden, die von R/2 auf R/3 migrieren wollen.

Nicht gerade vereinfachend wirkt aus Sicht der Softwarepartner auch die Lizenzpolitik der Walldorfer. Viele mittelstaendische Unternehmen sind Tochtergesellschaften von Grosskonzernen, die einen Wertkontrakt mit der SAP abgeschlossen haben. Je mehr Nutzer von diesem Vertrag erfasst werden, desto guenstiger stellt sich aus Sicht des Kunden der Preis dar. Um in den Genuss der Rabatte zu kommen, schliessen die Konzerne oft gleich fuer ihre Tochtergesellschaften mit ab, was die Anzahl der potentiellen R/3- Kunden fuer die Systemhaeuser reduziert.

Es sind die selbstaendigen Mittelstaendler, auf die es die Walldorfer mit ihrem Systemhauskonzept abgesehen haben. Die soeben vorgestellte Version 3.0 der R/3-Software, so hoffen die Partner gemeinsam mit der SAP, wird zum Gelingen dieses Konzepts beitragen. Ein integriertes Referenzmodell zur Gestaltung der Geschaeftsprozesse soll die Einfuehrungszeiten deutlich verkuerzen. Ausserdem werden die Systemhaeuser mit branchenspezifisch vorkonfigurierten Systemen arbeiten koennen, was Einarbeitung und Support erheblich reduzieren duerfte.

Mit der Note "befriedigend" beurteilt Helmut Polzer, Chef des Systemhauses BIW in Weinstadt, den bisherigen Geschaeftsverlauf mit R/3. Er sieht jedoch fuer eine Reihe von Wettbewerbern Schwierigkeiten, da diese R/3 native verkaufen wollten und kein Differenzierungspotential boeten. Der Mittelstand sei an einem einfachen Produkt interessiert; das Handling einer komplizierten Datenbank und einer Grossanwendung wie R/3 im urspruenglichen Zustand ueberfordere ihn.

Polzer geht deshalb einen anderen Weg als die meisten Systemhaeuser, indem er die R/3-Software lediglich als Ressource nutzt, aus der er dem Kunden je nach Bedarf ein bestimmtes Quantum an Funktionalitaet zur Verfuegung stellt. Mit Hilfe eines BIW- eigenen Entwicklungs-Toolsets koennen die Softwerker per Remote Function Call (RFC) transparent auf die SAP-Funktionsbausteine zugreifen und diese als Objekte modellieren und darstellen. Ein sogenanntes "Smart User Interface" dient zur Gestaltung einer individuellen Benutzerumgebung.

Die Anwender nutzen jeweils dieselben SAP-Funktionsbausteine auf dem Server, doch verlaeuft die Gestaltung der Arbeitsumgebungen nach den individuellen Kriterien der Nutzer. Das ist moeglich, weil Funktions- und Dialogteil der Software entkoppelt wurden. "Nicht die Funktionsbausteine veraendern sich, sondern die Art und Weise, wie bestimmte Arbeitsplaetze mit Informationen versorgt werden", begeistert sich Polzer. Je komplizierter der Baustein, desto besser lasse er sich ausschlachten - eine SAP komme ihm mit der extremen Softwarefunktionalitaet gerade recht.