Business-Berater bauen IT-Themen aus

04.11.2005
Strategie-Consultants implementieren nicht und gelten daher als herstellerneutrale IT-Ratgeber.
Noch sind die Einnahmen der Business-Consultants aus dem IT-Beratungsgeschäft gering. Der Geschäftszweig gewinnt aber an Stellenwert.
Noch sind die Einnahmen der Business-Consultants aus dem IT-Beratungsgeschäft gering. Der Geschäftszweig gewinnt aber an Stellenwert.

Die Unternehmensberater haben ihre Leistungen im Technologie-Umfeld in den letzten Jahren ausgebaut. Neben der Management- und Strategieberatung von IT-Ausgründungen großer Konzerne setzen sie vor allem auf eine branchenweite, funktionale IT-Beratung für Dax-Unternehmen und den gehobenen Mittelstand.

Hier lesen Sie …

• warum die großen Business-Beratungen verstärkt auf IT-Consulting setzen;

• welche Leistungen sie anbieten;

• wie sie sich dabei von den reinen IT-Beratern abgrenzen;

• welche Vor- und Nachteile den Kunden daraus entstehen.

Kernthemen

• IT/Business-Alignment (etwa Optimierung der Supply Chain);

• IT-Architektur;

• IT-Optimierung (Prozessverbesserung, Organisation, Sourcing, Skill-Analysen);

• Umsetzungsbegleitung (Softwarebewertung, Projekt-Management, Steuerung von externen Dienstleistern).

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

564584: IT-Beratung bei Boston Consulting;

549568: Business- und IT-Berater nähern sich einander an.

Dabei geht es vorrangig um die strategischen Aspekte von IT: Business-Alignment, also die Verbindung zwischen Geschäfts- und IT-Strategie, die Ausrichtung der IT-Architektur sowie die Optimierung der IT selbst (siehe Kasten "Kernthemen"). "Das sind Fragen, wie und wo der Kunde IT einsetzen soll, um sich wettbewerbsorientiert aufzustellen - und zwar aus Sicht der Prozessunterstützung sowie aus Sicht der Technik", beschreibt Gérard Richter, Partner und IT-Experte bei Roland Berger.

Wichtige Themen sind derzeit die Effektivitätssteigerung durch sowie die Komplexitätsreduzierung und Investitionsbewertung von IT. Angesichts der zunehmenden Zukäufe und Fusionen steht zudem die Konsolidierung von Infrastruktur und Anwendungen weit oben auf der Agenda der Berater. Aber auch das Thema Innovation gewinnt laut Andreas Rüter, Geschäftsführer und IT-Experte bei Booz Allen Hamilton, wieder an Bedeutung.

IT-Strategien werden immer wichtiger

Damit rücken Consulting-Leistungen im Technologiebereich, bis vor einigen Jahren noch als Beratung zweiter Klasse geschmäht, zunehmend ins Blickfeld der Berater. Hintergrund ist die steigende Bedeutung der IT: "Die IT wird immer mehr zum Teil, oft sogar zum Kern der Prozesse und trägt damit dazu bei, Geschäftsprobleme zu lösen", begründet Jean-Christian Jung, Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC), diesen Trend. "Viele Vorstände erkennen die IT nicht mehr nur als Kosten-, sondern als strategischen Wettbewerbsfaktor an", bestätigt Roland-Berger-Partner Richter. "Rund 40 Prozent unserer Kunden wollen mittlerweile explizit eine IT-Beratung."

Steigende Nachfrage nach IT-Beratung

Inzwischen hat sich die Technologieberatung für die Business-Consultants zu einem lohnenden Geschäft entwickelt. Im Verhältnis zu ihrem Kerngeschäft mit Strategie- und Management-Beratung sind die Einnahmen zwar gering: Analyst Jung schätzt ihren Anteil auf fünf bis zehn Prozent des Gesamtumsatzes. Doch die steigende Nachfrage sorgt mittlerweile für zweistellige Wachstumsraten. So hat der Geschäftsbereich IT-Praxis der Boston Consulting Group von 2003 auf 2004 um 35 Prozent zugelegt und macht weltweit rund 15 Prozent der Gesamterlöse aus. Die Berater von Booz Allen Hamilton, die sich bei hoch spezialisierten, komplexen Themen etwa im Data-Mining- oder Security-Bereich zum Teil auch an der Implementierung beteiligen, kommen sogar auf fast 20 Prozent.

Im Allgemeinen halten sich die Unternehmensberater aus der Realisierung jedoch weitgehend heraus. Sie begleiten die Umsetzung - etwa durch Softwareauswahl und -bewertung sowie Projekt-Management, bei größeren Vorhaben auch, indem sie die Ausschreibung überwachen und anschließend die externen IT-Dienstleister steuern. Das eigentliche Projektgeschäft aber überlassen sie den Systemintegratoren.

Damit grenzen sich die Management- und Strategieberater von reinen IT-Consulting-Anbietern wie Accenture oder Bearingpoint ab - und zwar ganz bewusst: Als herstellerunabhängige Ratgeber können sie die für den Kunden jeweils wirtschaftlichste Lösung entwickeln: "Schlägt ein IT-Dienstleister vor, in den nächsten zwei Jahren flächendeckend SAP einzuführen, übernehmen wir das Scoping - das heißt, wir analysieren, ob die Implementierung tatsächlich in allen Bereichen notwendig ist", erläutert Rainer Minz, weltweiter Leiter der IT-Praxisgruppe bei Boston Consulting. Der Bedarf an solchen Analysen sei enorm: "Wir haben Projekte gesehen, in denen sich die Kosten gegenüber der Planung glatt verdoppelt haben." Während die IT-Berater versuchten, möglichst viele Manntage im Projektgeschäft zu generieren, bestehe dieser Anreiz für die Business-Consultants nicht, "weil wir an der Programmierung ohnehin nichts verdienen".

Analysten befürworten diesen Ansatz: "Von einem Strategie-Consultant erwarten die Kunden eine herstellerneutrale Sichtweise", so PAC-Experte Jung. "Und die ist fraglich, wenn man sieht, wie viel etwa eine SAP-Implementierung einbringt." Ähnlich sieht es Douglas Hayward, Analyst beim Marktforschungsinstitut Ovum: "Die Unternehmensberater müssen keine Systemintegrations- und Outsourcing-Maschine füttern und haben daher kein Eigeninteresse daran, solche Projekte zu empfehlen. Sie bekommen ihr Geld auch, wenn sie von IT-Investitionen abraten." Die Rolle, als Verbündeter des Kunden, sei Basis für ein "perfektes Geschäftsmodell".

Allerdings ist der Kuchen in einigen Bereichen schon verteilt. Laut Hayward sind die Unternehmensberater etwa beim Outsourcing zu spät eingestiegen. "Diesen Zug haben sie verpasst." Der Aufbau von IT-Knowhow ist nach Ansicht von PAC-Analyst Jung generell eine Herausforderung. So mangele es den US-Anbietern in einigen europäischen Regionen an erfahrenen Beratern, um den Kunden realistische Strategien zu empfehlen: "Auf dem Papier klingt immer alles schlüssig, aber in der Praxis kommen dann die Probleme." In diesem Sinne sei es ein Nachteil, dass die Berater keine Verantwortung für die Umsetzung trügen.

Anbieter müssen ihre IT-Kompetenz bündeln

Um mehr IT-Kompetenzen aufbauen zu können, sei es zudem wichtig, den Technologiefokus eindeutig zu kommunizieren - etwa durch eine deutliche Abgrenzung, wie sie McKinsey seit 1997 praktiziert: Das Business Technology Office (BTO) ist eine vom Kerngeschäft getrennte Division, die weltweit rund 400 Berater beschäftigt. Auch bei Booz Allen Hamilton ist der Bereich "IT Practice" eine dedizierte Einheit mit eigener Umsatz- und Personalverantwortung. "Unsere Consultants machen nicht IT und dann wieder etwas anderes, sondern bauen ihren IT-Schwerpunkt kontinuierlich aus", beschreibt Geschäftsführer Rüter. Dadurch seien sie in der Lage, dedizierte Serviceprodukte zu entwickeln und Themen aktiv mitzugestalten, anstatt nur auf Probleme der Kunden zu reagieren.

Verzahnung von IT- und Business-Beratung

Die anderen Unternehmensberatungen grenzen ihre Technologiebereiche dagegen weniger klar ab. So sind die IT-Projekte bei Boston Consulting zu 100 Prozent verzahnt mit dem "normalen" Geschäft. Dieser Ansatz ist gewollt, wie IT-Beratungschef Minz betont: "Unsere Consultants müssen sich in mindestens einer Branche so gut auskennen wie in der IT, und sie sollen auch immer wieder fachgetriebene und Strategieprojekte machen." PAC-Analyst Jung hat jedoch seine Zweifel: "Wenn das IT-Team nicht klar definiert ist, fällt es schwerer, die geeigneten Leute zu finden", glaubt der Experte.

Andererseits sollten die Anbieter ihren Fokus auf der Management- und Strategieberatung beibehalten, auf die sich ihr Renommée stützt: "Unternehmensberatung und IT-Services gelten vielerorts als völlig unterschiedliche Kernkompetenzen", gibt Ovum-Analyst Hayward zu bedenken. Die Kunden seien gewöhnt, diese Leistungen getrennt zu beziehen. "Das Geschäft ist eine Gratwanderung für die Business-Consultants: Sie müssen IT-Know-how aufbauen, wollen aber nicht als Technologen wahrgenommen werden."

Bislang kommen die Business-Consultants den reinen IT-Beratern kaum in die Quere. "Die Überlappungen sind gering", so Jung. Doch das könne sich ändern. So peilten einige IT-Dienstleister höher angesiedelte Bereiche in der Consulting-Wertschöpfungskette an. Umgekehrt sei denkbar, dass sich die Unternehmensberater mehr an der Umsetzung beteiligen. Damit könnte die Konkurrenz zwischen den beiden Lagern zunehmen. u