Nutzer ohne Schutzprogramm verstoßen nicht gegen ihre Sorgfaltspflicht

Bundesgerichtshof urteilt gegen Dialer-Plage

12.03.2004
MÜNCHEN (CW) - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem jüngsten Urteil die Rechte der Verbraucher gegenüber Dialer-Betreibern gestärkt. Demnach müssen überhöhte Rechnungen, die durch ein heimlich eingeschleustes Einwahlprogramm anfallen, nicht gezahlt werden.

Laut dem Urteil des III. Zivilsenats des BGH müssen Telefonkunden Gebühren, die über eine 0190- oder 0900-Verbindung anfallen, nicht bezahlen, wenn das dafür verantwortliche Programm ohne ihr Wissen auf ihren PC geladen und dort installiert wurde (Az.: III ZR 96/03). Dabei verstößt der Kunde nicht gegen seine Sorgfaltspflicht, wenn er keine Schutzsoftware gegen Dialer-Programme auf seinem Rechner betreibt, verkündeten die Richter.

Geklagt hatte der Berliner Netzbetreiber Berlikomm, um von einer Kundin einen Rechnungsbetrag in Höhe von rund 9000 Euro einzufordern. Deren Sohn hatte aus dem Internet ein Programm abgerufen, das dem Nutzer eine beschleunigte Datenübertragung aus dem Netz versprach. Tatsächlich verbarg sich dahinter ein Dialer-Programm, das die Standardnetzeinwahl des Rechners auf eine teure 0190-Nummer änderte. Diese Manipulation, die auch nach dem Löschen der heruntergeladenen Datei Bestand hatte, war nach Einschätzung des Gerichts im herkömmlichen PC-Betrieb nicht zu bemerken. In der Folge fielen zwischen Mai und August 2000 erhöhte Verbindungsgebühren an, die die Kundin wegen verzögerter Rechnungsstellungen des Netzbetreibers jedoch nicht bemerkte.

Netzbetreiber in der Verantwortung

Das Landgericht in Berlin hatte in erster Instanz die Forderungen des Netzbetreibers bestätigt. In der Revision hob das Berliner Kammergericht diese Entscheidung jedoch Ende Januar 2003 auf. Berlikomm stehen demnach lediglich die Gebühren zu, die bei einer herkömmlichen Einwahl ins Internet ohne 0190-Dialer angefallen wären. Das BGH bestätigte diesen Spruch nun in letzter Instanz. Der Netzbetreiber verfolge ein eigenes wirtschaftliches Interesse an den Mehrwertdiensten, weil nur ein Teil des erhöhten Entgelts an den 0190-Betreiber abgeführt werden müsse. Daher sei es angemessen, dass der Netzbetreiber auch das Risiko eines Missbrauchs trage. Die Kunden dürften hier nicht in die Pflicht genommen werden. Auch eine routinemäßige Vorsorge gegen Einwahlprogramme könne nicht erwartet werden, heißt es in einer Mitteilung des BGH. Damit brechen für die Betreiber teurer Einwahlnummern schwere Zei-ten an. Christlieb Klages, Anwalt der Berliner Telefonkundin, spricht von einer spektakulären Entscheidung, die Signalwirkung haben werde. Schließlich lasse sich den meisten Netzbetreibern ein wirtschaftliches Interesse nachweisen. Ob sich die Nummernschieber von dem Urteil abschrecken lassen, ist jedoch fraglich. Der neueste Trick ist, ahnungslosen Internet-Nutzern einen Dialer unterzuschieben, der eine Verbindung mit einer Telefongesellschaft im Pazifikstaat Nauru herstellt. Schutzprogramme, die vor 0190- und 0900-Nummern warnen, sind in diesem Fall wirkungslos. (tc/ba)