Bundesarbeitsgericht aeussert sich zur gefahrgeneigten Arbeit Arbeitnehmer muss nicht mehr fuer gesamten Schaden haften Rechtstips

18.04.1995

Die Faelle, in denen Mitarbeitern im Zusammenhang mit der DV gekuendigt wird, haeufen sich. Auf der einen Seite fehlt den Unternehmen die Erfahrung, um zu definieren, welche Rechte und Pflichten Arbeitnehmer zu beruecksichtigen haben, wenn es um den DV-Einsatz im Betrieb geht, auf der anderen Seite verhalten sich Beschaeftigte oft zu sorglos im Umgang mit der IuK-Technik. Der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt Juergen Schneider von der Muenchner Kanzlei Schramm, Zwipf & Gabriel wird in unregelmaessigen Abstaenden auf interessante Urteile ausfuehrlich eingehen.

Von Juergen Schneider*

Immer mehr Beschaeftigte arbeiten mit Fahrzeugen, Anlagen und Geraeten wie Computern, deren Wert ihr monatliches Arbeitseinkommen um ein vielfaches uebersteigt. Wenn an solchen, dem Arbeitgeber gehoerenden Sachen Schaeden entstehen, stellt sich die Frage, wer dafuer zahlt. In einer neuen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nun die Regeln der Haftung des Arbeitnehmers gegenueber dem Arbeitgeber fuer vom Arbeitnehmer verursachte Schaeden neu festgelegt (BAG GS, Beschluss vom 27. 09. 1994, NJW 1995, Seite 210 ff.).

Die Verteilung des Risikos von Schaeden, die der Arbeitnehmer im Betrieb seines Arbeitgebers anrichtet, gehoert zu den wichtigsten Regelungsbereichen des Arbeitsrechtes.

In der frueheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts war die erste Voraussetzung einer Haftungserleichterung fuer den Arbeitnehmer, dass es sich bei der schadensstiftenden Verrichtung um eine sogenannte gefahrgeneigte Arbeit handelte. Ging es nicht um gefahrgeneigte Arbeit, war der gesamte Schaden ohnehin allein vom Arbeitnehmer zu tragen, ohne dass es auf den Grad seines Verschuldens insoweit angekommen waere.

War die Taetigkeit als gefahrgeneigte Arbeit zu qualifizieren, so ging das Bundesarbeitsgericht in staendiger Rechtsprechung davon aus, dass der Mitarbeiter fuer Schaeden, die er bei der Verrichtung einer solchen gefahrgeneigten Arbeit verursacht hat, dem Arbeitgeber nur nach folgenden Grundsaetzen haftet:

- Bei Vorsatz oder grober Fahrlaessigkeit auf seiten des Arbeitnehmers hat dieser den gesamten verursachten Schaden zu tragen.

- Bei mittlerer Fahrlaessigkeit (diesen Begriff gibt es in anderen Rechtsgebieten gar nicht) ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotal zu verteilen, wobei die Gesamtumstaende von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeitsgruenden und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gegeneinander abzuwaegen sind.

- Bei leichter Fahrlaessigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht; der Arbeitgeber traegt voll den Schaden.

Die Haftung des Arbeitnehmers wurde aber nur dann in der genannten Weise eingeschraenkt, wenn es sich bei der von ihm ausgeuebten schadensstiftenden Taetigkeit konkret um eine gefahrgeneigte Arbeit handelte.

In dem genannten neuen Beschluss hat das Bundesarbeitsgericht von dem Begriff der gefahrgeneigten Arbeit nun Abschied genommen. Das Gericht sieht es als nicht interessengerecht an, dass der Arbeitnehmer, der keine gefahrgeneigte Taetigkeit ausuebt, grundsaetzlich den gesamten Schaden des Arbeitgebers tragen muss. Das Bundesarbeitsgericht dehnt daher die dargestellten Grundsaetze der Arbeitnehmerhaftung auf alle Arbeiten aus, die durch den Betrieb veranlasst sind und aufgrund eines Arbeitsverhaeltnisses geleistet werden.

Diese Rechtsprechungsaenderung hat zur Folge, dass nunmehr im Prozess nicht mehr dargetan und im Bestreitensfall bewiesen werden muss, dass die konkrete Taetigkeit gefahrgeneigt war. In Zukunft wird es ausreichen, dass die entsprechende schadensstiftende Taetigkeit durch den Betrieb veranlasst und aufgrund eines Arbeitsverhaeltnisses geleistet wurde. Es kann vermutet werden, dass diese weiten Voraussetzungen auch aufgrund ihrer leichten Nachweisbarkeit in den entsprechenden Verfahren nicht mehr den grossen Raum einnehmen werden wie vorher der Streit um die Gefahrgeneigtheit der Arbeiten.

Ist die entsprechende Taetigkeit durch den Betrieb veranlasst und aufgrund eines Arbeitsverhaeltnisses geleistet, so gelten nach wie vor die oben dargestellten Grundsaetze der Haftungsverteilung, das heisst volle Haftung des Arbeitnehmers bei Vorsatz und grober Fahrlaessigkeit, anteilige Haftung bei mittlerer Fahrlaessigkeit und keine Haftung bei leichter Fahrlaessigkeit.

Entscheidendes Argument fuer die dargestellte Ausweitung der Haftungsgrundsaetze auf alle betrieblichen Taetigkeiten war das dem Arbeitgeber auch bei nicht gefahrgeneigter Arbeit zuzurechnende Betriebsrisiko und seine Befugnis, den Arbeitnehmer dort einzusetzen, wo er er will.

Die Entscheidung kann nur begruesst werden. Besonders hervorzuheben ist, dass das unpraezise Kriterium der Gefahrgeneigtheit der Arbeit durch leichter handhabbare und ueberpruefbare Kriterien ersetzt wurde.

* Juergen Schneider ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Schramm, Zwipf, Gabriel & Partner in Muenchen