Bundesanstalt für Milchforschung macht Rechner verträglich:\Interface für Mini-Mainframe-Kopplungen

04.09.1981

Als man in größeren Unternehmen und Institutionen damit begann, die Datenverarbeitung zu dezentralisieren, hatten es die kommerziellen Anwender wesentlich leichter. Bei ihnen wurden zumeist für alle entfernten Betriebspunkte einheitliche Arbeiten aus- beziehungsweise vorverlegt.

In der Wirtschaft, speziell bei Hochschulinstituten, ist diese Einheitlichkeit schon wegen der vielfältigen Aufgaben mehrerer Institute gar nicht realisierbar. Das hat dazu geführt, daß in vielen Universitäten mehrere kleinere oder mittlere "Rechenzentren" neben dem eigentlichen - vorwiegend für Verwaltungsaufgaben arbeitenden - eingesetzt werden.

Hinzu kommt, daß innerhalb von forschenden Instituten und öffentlichen Einrichtungen sich mehr und mehr die Online-Betriebsweise auf schnellen dedizierten Minicomputern durchgesetzt hat. Trotzdem sind zeitlich begrenzte Zugriffe auf einen größeren zentralen Arbeitsrechner aus mehreren Gründen erforderlich: Einmal kann durch Übergabe an den Großrechner die Online-Phase vor Ort beschleunigt, der dezentrale Mini entlastet werden. Zum anderen arbeitet der zentrale Computer für bestimmte Bereiche als "Hauptbuch" mit sehr großen zugriffschnellen Massenspeichern.

Beim Datentransport von den Dezentralen zur Zentrale zeigte sich bisher der große Nachteil des praktizierten DV-Partikularismus: Die in den einzelnen Instituten gewohnte schnelle Echtzeitverarbeitung auf dem eigenen Mini war beendet. Die Verbindung wurde entweder durch Datenträgeraustausch oder mit Datenübertragung gelöst. Letztere besaß und besitzt jedoch auch heute noch das Problem einer viel zu großen Warteschlange.

Eine direkte Verbindung von zentralem Mainframe- und dezentralen Minicomputern wird am besten durch spezielles Hard-/Software-Engineering in Form von Rechnerkopplungen erreicht .

Einer der typischen Anwender mehrerer Rechnersysteme unterschiedlicher Herkunft und Größe ist die Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel. Als Rechenzentrumscomputer ist eine Siemens 7.738 installiert. In den Instituten sind neben einer Vielzahl von Terminals auch Minicomputer in Betrieb, darunter eine Eclipse S/ 250 und eine Micronova von Data General (DG). Letztere wurde problemlos an ihre größere Schwester, die Eclipse, angeschlossen. Zwischen dieser und der Siemens-Anlage bestand indes keine Verträglichkeit. Dazu Diplom-Physiker Dr. Gerd Rathjen vom Daten- und Informationszentrum der Bundesanstalt: "Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, eine Kopplung zwischen der 7.738 und der Eclipse so zu realisieren, daß sowohl der Austausch von Daten zwischen Benutzerprozessen auf verschiedenen Anlagen als auch Dateitransfer möglich ist. Schnelligkeit und Flexibilität hinsichtlich der Verbunderweiterung waren wichtige Kriterien, auf die wir nicht verzichten wollten."

Zusammen mit Diplom-Physiker Wolfgang Schwesig wurde eine erste Kopplung erarbeitet. Dabei handelt es sich um eine Software-Lösung in Form eines Kommunikationspaketes mit eigenen Prozeduren. Da ihre Hauslösung Rechner unterschiedlicher Herkunft und Architektur verbindet, nannten die beiden Wissenschaftler ihre Arbeit "Combine" (Communication Binary Interface for Non-compatible Equipment).

Die Kopplung DG/Siemens funktioniert auf der logischen Transportebene wie folgt: Der Datenaustausch zwischen den Rechnern wird von Verbindungsprozessen gesteuert und überwacht, die unter dem jeweiligen Betriebssystem ablaufen (Siemens BS2000, Eclipse AOS).

Die interessanteste Software-Komponente der Rechnerkopplung ist die Interprozeß-Kommunikation, der Datenaustausch zwischen verschiedenen, nicht synchronisiert ablaufenden Prozessen. Dabei wird keine feste Verbindung zwischen den Prozessen hergestellt, sondern die Daten werden in "Paketen" mit der Angabe des Zielprozesses und dessen Rechner im Header übertragen (Mailbox-Prinzip).

2 KB-Container

Der Datentransfer erfolgt durch Aufbau einer virtuellen Verbindung zwischen den Rechnern, um beim Massendatentransfer die Bearbeitungszeit für ein "Paket" niedrig zu halten (Kanal-Prinzip). Während des Transfers werden die Daten wahlweise transparent behandelt oder in verschiedene Datenformate und Codes übersetzt. Zur optimalen Ausnutzung der Makro-Zeitscheiben auf den Timesharing-Anlagen und den Pufferübertragungsgrößen werden die Pakete in "Containern" der Größe 2 KB übertragen. Die Container enthalten Pakete der Interprozeß-Kommunikation und des Dateitransfers in einer prioritätsgesteuerten Reihenfolge.

Als zusätzliche Komponenten ist "Remote File Access" vorhanden. Vorgesehen ist die Einbeziehung weiterer vorhandener Prozeßrechner und freiprogrammierbarer Laborautomaten in das Verbundnetz. Dazu Schwesig: "Aufgrund unserer einfachen modularen Protokollsprache ist ein Anschluß weiterer Geräte problemlos möglich."

Die Software-Komponenten der logischen Transportebene wurden in Assembler realisiert. Das Kommunikations-lnterface kann vom Benutzer durch Verwendung von Assembler-Makros oder als Fortran-Unterprogrammaufrufe in Anspruch genommen werden.

Die Hardware-Kopplung

Der Mini wurde mit einem V.24-Anschluß von 9600 Baud über den Datenübertragungsprozessor Transdata 9687 angeschlossen. Auf der physikalischen Transportebene wird die PIN-Leitungsprozedur benutzt.

Der Standard-lnterface-Adapter wurde im Auftrag eines Systemshauses, der IBB - Gesellschaft für Computeranwendung und Software mbH, Lochheim bei München, entwickelt. Die IBB lieferte auch die DG-Anlage und installierte Hardware und Kopplungen.

Die IBB arbeitet zur Zeit an einem Adapter, der einen direkten Anschluß des Minis an einen E/A-Kanal des Siemens-Rechners ermöglicht. Dieser wird wie eine an Siemens angeschlossene Peripherie, wie ein Drucker, Lochkartenleser- oder -stanzer, behandelt. Der Adapter wird sowohl vom DG-Betriebssystem als auch von BS2000 bedient.

Für den Austausch von binären Daten ist im Adapter eine Untermenge des BSB-Protokolls implementiert. Die Übertragungsleitung hat folgende Charakteristiken:

- Punkt-zu-Punkt-Verbindung über festgeschaltete Leitung;

- Halbduplex-Übertragung;

- Transferrate 50 Kilobits/Sek.

Das Daten- und Informationszentrum der Bundesanstalt für Milchforschung sieht auch bei anderen Anwendern die Notwendigkeit von Rechner-Rechner-Kopplungen.

*Klaus Rosenthal ist freier DV-Fachjournalist.