Bundesagentur beklagt Millionenschäden

20.12.2005
Nachdem die von T-Systems erstellte "A2LL"-Software ungeplante Kosten von schätzungsweise fast 90 Millionen Euro verursacht hat, denken die Verantwortlichen an eine Neuentwicklung.

Jeder Mitarbeiter, der mit der Software arbeitet, verliert pro Tag etwa eine Stunde, weil die Software nicht sauber läuft", schätzt John-Philip Hammersen, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg. Aufgrund diverser Lücken und Mängel habe die Behörde knapp 60 Umgehungslösungen einrichten müssen. Prozesse, die eigentlich automatisiert ablaufen sollten, müssten die Mitarbeiter händisch abwickeln. Den Mehraufwand beziffert Hammersen auf bislang rund 28 Millionen Euro.

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Die A2LL-Software, die das Hertener Softwarehaus Prosoz im Auftrag von T-Systems entwickelt hatte, sorgt seit der Einführung Anfang des Jahres für Ärger. Mit der Anwendung sollten die Daten der Arbeitslosen bundesweit erfasst sowie die Leistungen ausgezahlt werden. Die Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften klagten bundesweit über Fehler in der Software und bezeichneten das Programm als unzumutbare Übergangslösung.

So überwies die Bundesagentur wegen eines Softwarefehlers pro Monat etwa 25 Millionen Euro zu viel an die Krankenkassen, berichtet Hammersen. Im Gesamtjahr summierte sich das auf 300 Millionen Euro. Das liege daran, dass A2LL den ermäßigten Beitragssatz für Langzeitarbeitslose nicht abbilden könne.

Zwar zahlten die Kassen das Geld zurück, forderten jedoch verständlicherweise einen Ausgleich für ihren Mehraufwand. Die Mitarbeiter der Krankenkassen müssten jeden einzelnen Fall prüfen. "Laut der vorläufigen Einigung dürfen die Kassen 20 Prozent der Überzahlung behalten", räumt der BA-Sprecher ein. Damit bleiben erst einmal 60 Millionen Euro dort. Der endgültige Schaden lasse sich jedoch erst im kommenden Jahr beziffern. Bis dahin müssten die Verantwortlichen der Kassen ihre Kosten exakt belegen.

Eine endgültige Lösung der Probleme ist Hammersen zufolge nicht in Sicht. Zwar will T-Systems Ende des ersten Quartals 2006 ein wichtiges Release liefern, das die gröbsten Fehler und Probleme beheben soll. "Wenn wir ganz ehrlich sind, können wir aber nicht sicher davon ausgehen, dass das neue Release wirklich funktioniert", zweifelt der BA-Sprecher. Zwar sind die Updates deutlich besser geworden. "Aber wir haben in der Vergangenheit immer wieder die Erfahrung gemacht, dass mit den Updates neue Fehler aufgetaucht sind."

Die Zeche für den Schaden zahlen erst einmal die Steuerzahler. So kann die Bundesagentur lediglich Regressforderungen in Höhe von fünf Millionen Euro an den Dienstleister stellen. Vorwürfe, die Verantwortlichen der Behörde hätten schlampig verhandelt, weist Hammersen zurück. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2003 dürfen Schadensersatzforderungen maximal zehn Prozent des gesamten Auftragsvolumens betragen.

Verhandlungen zwischen der BA und T-Systems eskalierten bereits bis auf Vorstandsebene, berichtet der BA-Sprecher. Man habe ein großes Interesse daran, eine funktionierende Software zu bekommen. Schließlich arbeiteten 47000 Mitarbeiter mit dem System. "Grundsätzlich müssen wir uns aber fragen, ob man das System nicht komplett neu baut", sagt Hammersen. Zwar gebe es derzeit keine Alternative, als A2LL weiterzubenutzen und zu verbessern. Auf Dauer "denken wir aber intensiv darüber nach, ein neues System zu entwickeln". (ba)