Industrieminister Fauroux denkt über Europa nach

Bull winkt ab: Keine Fusion mit europäischem Partner

28.09.1990

KÖLN/MÜNCHEN (bk) - Unruhe um die Gruppe Bull: Seit einem Interview der französischen Zeitung "Les Echos" mit Industrieminister Roger Fauroux kocht die Gerüchteküche über, die französische Regierung, so heißt es, sei auf der Suche nach einem europäischen Partner für den Pariser DV-Multi.

"Davon kann keine Rede sein", erklärte Jörg M. Pläsker, Pressesprecher der Kölner Bull AG gegenüber der CW. Roger Fauroux habe sich in dem Interview mit "Les Echos" generell über die Zukunft des gesamteuropäischen Marktes und über Möglichkeiten europäischer Partnerschaften mit Beteiligung französischer Unternehmen geäußert. In diesem Zusammenhang, so Pläsker weiter, sei der Industrieminister auch auf die DV-Branche zu sprechen gekommen und habe die nach dem ICL/Fujitsu-Deal in Europa verbliebenen drei Großen - Bull, Olivetti und Siemens - zu einer intensiveren Zusammenarbeit aufgefordert, um dadurch die europäische Wettbewerbsposition gegenüber Amerikanern und Japanern zu stärken.

Alle in der internationalen Presse aufgekommenen Spekulationen, Bull könnte reprivatisiert werden, um somit Olivetti oder Siemens Zugang zu verschaffen, entbehren laut Pläsker jeglicher Grundlage. Zwar habe Fauroux im Rahmen seiner Ausführungen den Fall Renault/Volvo angesprochen - ein Teil des Autoherstellers wurde privatisiert und mit den Aktivitäten der schwedischen Volvo zusammengelegt. "Dieses Beispiel einer europäischen Partnerschaft aber bezog er nur auf die Automobilindustrie. "Der Industrieminister habe nämlich hinzugefügt, andere Branchen müßten sich ebenfalls Gedanken machen, wie man Europa stärken könne. Im übrigen, so Pläsker, dürfe man nicht vergessen, daß es sich um die Ansichten eines Politikers handele.

Dennoch scheinen dem französischen DV-Aushängeschild unruhige Zeiten bevorzustehen. Nachgewiesenermaßen tut sich die Gruppe Bull derzeit schwer, rentabel zu arbeiten. Zur Halbzeit 1990 mußten mit einem Minusbetrag von umgerechnet 550 Millionen Mark erneut hohe Verluste ausgewiesen werden. Sollte die französische Regierung Bull tatsächlich in absehbarer Zeit in die "Freiheit" entlassen wollen, wäre eine strategische Partnerschaft, die über ein Kooperationsabkommen hinausgeht, wohl die einzige Möglichkeit für den Konzern, im DV-Geschäft weiter mitzumischen.