Buerosoftware laeuft passabel, Schwachstellen bei der Grafikleistung Soft Windows: PC-Programme auf den Power-Mac gebracht

15.07.1994

Apples Plaene sind ehrgeizig: Das Unternehmen will seine weltweit installierte Basis von etwas ueber zehn auf 20 Prozent steigern und dabei nicht zuletzt Windows-Anwender auf seine Seite ziehen. Mit "Soft Windows" muessen sie beim Umstieg nicht einmal die gesamte Windows-Software auf den Muell werfen.

Mag Microsofts grafische Betriebssystem-Erweiterung Windows auch noch so viele Schwaechen haben, es laesst sich nun einmal nicht wegdiskutieren, dass Windows die Nummer eins in Sachen PC- Oberflaechen ist. Das hat auch Apple eingesehen und einen Weg gefunden, der zahlreichen Windows-Anwendern den Umstieg auf den Macintosh schmackhaft macht: mit Insignias Emulator Soft Windows, den Apple nun erstmals standardmaessig mit einigen Power-Mac- Konfigurationen anbietet.

Soft Windows ermoeglicht es, dass DOS- und Windows-Software in einem Fenster des Power-Macs laeuft, und der Emulator unterstuetzt auch Netze, Drucker und andere Standard-PC-Peripherie. Das ist nichts revolutionaer Neues, den Emulator gibt es schliesslich schon mehrere Jahre. Doch bis dato waren selbst die schnellsten 68040er Macs fuer Soft Windows nicht leistungsfaehig genug.

Windows-Emulation nutzt den Original-Sourcecode

Anders der Power-Mac. Natuerlich kann die Emulation mit einem hochgetuneten 486DX/2-Rechner, geschweige denn mit einem Pentium- System nicht konkurrieren, dessen beschleunigte Grafikkarte zudem die Haupt-CPU von zahlreichen Grafikaufgaben entlastet und das die Daten zwischen CPU, Festplatte und Grafiklogik ueber einen superschnellen VL-Bus (der konkurrierenden Local-Bus-Architektur zu PCI, auf die Apple setzt) mit Prozessorgeschwindigkeit transferiert.

Dennoch laesst sich mit Soft Windows auf dem Power-Mac vernuenftig arbeiten. Soft Windows nutzt den aktuellen Microsoft-Code von Windows 3.1 - Insignia hat nicht zuletzt fuer den Power-Mac- Emulator offiziell die Lizenz fuer den Sourcecode von der Gates- Company erworben - und transferiert etliche wichtige Windows- Aufrufe gleich in Power-PC-typische Befehle. Die Uebersetzung erfolgt aehnlich wie bei Apples 68LC040-Mac-Emulator.

Dagegen wurden in aelteren, gemaechlicheren Soft-Windows-Versionen die Window-Calls nicht direkt an die Hardware durchgereicht. Vielmehr emulierte man Intel-Befehl fuer Intel-Befehl. Am Standardmodus hat Insignia aber auch bei Soft Windows fuer den Power-Mac festgehalten. Der Emulator verhaelt sich so, als ob er auf einem 80286-Rechner laufen wuerde. Das ist eine der entscheidenden Einschraenkungen, die Soft Windows dem Anwender in der derzeitigen Fassung auferlegt.

Windows kennt neben dem Standardmodus naemlich noch zwei andere Betriebsarten, die jeweils von der Rechnerhardware abhaengen. Auf einem uralten 8086- oder 8088-PC mit zumindest 640 KB Arbeitsspeicher wird Windows im Real Modus gestartet, auf einem 386-PC mit mindestens 2 MB Arbeitsspeicher laeuft es dagegen automatisch im erweiterten 386er Modus. Damit kann der Anwender etwa im Vordergrund in einem DOS-Fenster einen kurzen Brief schreiben, waehrend im Hintergrund in einer Windows-Datenbank ein Suchlauf vorgenommen wird. Diese Option liesse sich ja noch ganz gut verschmerzen, problematischer ist es, dass inzwischen einige Applikationen explizit den erweiterten Modus voraussetzen, wie unsere Tests im folgenden belegen. Dazu lag uns Soft Windows in der Version 1.0 vor.

Das Programm benoetigt zumindest 9 MB Arbeitsspeicher. Wer gar noch gleichzeitig dem Power-Mac, der bei all dem Windows-Treiben uebrigens immer die Kontrolle ueber das Gesamtsystem behaelt (nach Druck auf die Command-Taste taucht jederzeit ueber einem DOS/Windows-Programm das Mac-Menue auf), einige Aufgaben im Hintergrund zuweisen will, dessen Power-Mac sollte mindestens 16 MB Arbeitsspeicher haben.

Beim Installieren von Windows-Programmen versprach der Auftakt nichts Gutes: "Photoshop fuer Windows" brach die Installation fast augenblicklich mit der Bemerkung ab, es wuensche einen 386er Rechner. Die Textverarbeitung "Starwriter" von Star Division konnten wir zwar anstandslos installieren, sie weigerte sich aber hartnaeckig mit stets der gleichen Fehlermeldung zu starten. Hier scheint eine Routine installiert zu sein, die zwar ein DOS- kompatibler Rechner nicht veruebelt, die einem Power-Mac samt Soft Windows aber unueberwindbare Probleme bereitet. Nur der Formel- Editor arbeitete anstandslos.

Keine Probleme gab es mit "Windword", es liess sich ohne Schwierigkeit installieren und arbeitete korrekt. "Photostyler" von U-Lead Systems machte ebenfalls keine Mucken, waehrend sich das Illustrationsprogramm "Corel Draw" bei der Installation von der stoerrischen Seite zeigte und einige Male die Segel strich, wenn mit der Tastenkombination Command-Shift-1 die DOS-Diskette aus dem Laufwerk befoerdert werden sollte. Anstatt diesem Kommando Folge zu leisten, versuchte das Programm, mit der Installation fortzufahren - erfolglos, da es die gewuenschte Fortsetzung auf dem Medium natuerlich nicht fand. Kaum war jedoch diese Huerde genommen, arbeitete Corel Draw einwandfrei.

Als naechstes wurde die Festplatte noch mit einer ganzen Reihe kleinerer DOS-Applikationen belastet. Der "Norton Commander" zeigte sich dabei ebenso willig wie das "Who is who" in der Bundesrepublik Deutschland. Auch die altgediente DOS- Textverarbeitung "Euroscript" (North American Software) benahm sich am Power-Mac nicht ungebuehrlich. Lediglich Borlands schon vor Jahren verstossene Textverarbeitung "Sprint" wollte sich nicht unter der Emulation installieren lassen.

Fazit: Soft Windows ist ungemein kompatibel, von seltenen Ausnahmen abgesehen, deren Ursachen wohl eher in der jeweiligen Applikation selbst zu suchen sind. Dass etliche Programme, die einen 80386-Befehlssatz voraussetzen, mit der derzeitigen Version von Soft Windows nicht laufen, ist nicht wegzudiskutieren. Auch Insignia weiss um diese Schwachstelle. Da der Lizenzvertrag mit Microsoft den Windows-4-Code umfasst, wird die naechste Version von Soft Windows, die fuer Herbst in Aussicht gestellt wird, mit dieser Einschraenkung vermutlich aufraeumen.

Doch wie schnell ist der Windows-Mac im Vergleich zu genuinen DOS- Windows-PCs tatsaechlich? Die Kollegen vom PC-Welt-Testcenter haben den Power-Mac diesbezueglich unter die Lupe genommen. Der Windows- Mac entsprach den Kompatibilitaetsanforderungen und biss sich wacker durch die stundenlangen Pruefungen. Die Benchmark-Tests erfolgten zweimal: einmal mit Original-Soft-Windows und einmal mit einer Windows-3.1-Version, mit der das Testcenter gewoehnlich zu arbeiten pflegt, um fuer alle Kandidaten die gleiche Ausgangsbasis zu garantieren. Der Austausch war nicht ganz einfach, da die Emulation ja nicht geloescht werden sollte. Bleiben mussten etwa die Insignia-eigenen Treiber fuer Maus und Tastatur.

Meist wichen die Ergebnisse der beiden Windows-Varianten nicht allzuweit voneinander ab. Nur bei den Word- und Dbase-Tests, bei denen hauptsaechlich die Festplatte geprueft wird, kam es zu groesseren Diskrepanzen, die nicht mehr im Toleranzbereich liegen. Die Originalemulation scheint hier einen speziellen Treiber zu besitzen, so dass die File-Calls effektiver abgearbeitet werden.

Und um gleich auf den schlimmsten Test einzugehen, bei dem der Power-Mac 8100/80 regelrecht einbrach: Beim Aufbau des DOS- Testbilds mit 16 beziehungsweise 256 Farben, wo es im Prinzip nur darum geht, ein Monitortestbild aehnlich den Fernsehtestbildern von anno dazumal Punkt fuer Punkt einzeln aufzubauen, konnte man dem Mac zusehen, wie er gemaechlich eine Linie, eine Farbreihe oder einen Kreis Pixel fuer Pixel zusammensetzte.

Leistungseinbruch beim DOS-Testbild

Bei diesem Test wird das Zeichnen des Bildschirms ueberwiegend ueber BIOS-Routinen realisiert. Im Falle des Windows-Macs heisst das jedoch, dass er jeden einzelnen Befehl quasi emulieren muss und dabei nicht durch die Macintosh-eigenen Zeichenroutinen unterstuetzt wird. Beim Scrollen unter DOS, wo vor allem Speicherverschiebungen stattfinden, kann die Emulation dagegen eher auf die Hilfe des Macs bauen, so dass sich hier die Testergebnisse durchaus sehen lassen koennen. So erklaeren sich die aeusserst unterschiedlichen Testergebnisse nicht nur in Sachen Grafik.

Eine weitere Facette in puncto Grafikdarstellung praesentiert der Windows-Mac, wenn, wie im Fall der Windows-Tests Vektorgrafik 1 und 2, die Windows-Routinen komplett von den Quickdraw-Routinen des Macs unterstuetzt werden. Dann vermag der Apple sogar den 486DX/2-Rechner mit VL-Bus aus dem Hause DEC zu uebertreffen. Dabei werden vornehmlich reinrassige Grafikroutinen wie Linienzeichnen und Bit-Bit-Operationen abgefragt, diese Befehle werden direkt an Quickdraw weitergereicht, das ja bereits weitgehend im Native- RISC-Code vorliegt.

Insgesamt scheint Soft Windows in der gegenwaertigen Verfassung vor allem fuer den Einsatz unter Windows optimiert zu sein. In diesem Umfeld muss sich der Windows-Mac mit seinen Leistungen nicht verstecken. In unserer Tabelle sind die Windows-Werte am Power-Mac uebrigens alle in der VGA-Aufloesung von 640 x 480 Bildpunkten bei 256 Farben gleichzeitig erhoben worden, waehrend die uebrigen Kandidaten die Tests bei 800 x 600 Bildpunkten und 256 Farben absolvierten. An dem guten Gesamteindruck des Power-Macs aendert das nichts. Wir haben spaeter die Tests bei 800 x 600 Pixel nachgeholt und erhielten dabei fuer Winword mit Grafik beispielsweise einen Wert von 78,7 statt 72,457 Sekunden, bei den beiden superschnellen Grafiktests 51,1 und 47,9 Sekunden. Diese Werte bestaetigen also den relativ guten Gesamteindruck.

Mit Soft Windows lassen sich Bueroapplikationen, wie sie auf dem groessten Teil der Windows-PCs laufen, durchaus zuegig und effektiv betreiben. Nur wer enorme Grafik- oder Rechenleistung benoetigt, der sollte von Soft Windows Abstand nehmen. Aber wer will schon Photoshop fuer Windows auf dem Power-Mac via Emulation betreiben, wenn er diese Applikation superschnell im Native-RISC-Modus haben kann?

Der Beitrag erschien in laengerer Fassung in der CW- Schwesterpublikation "Macwelt", Ausgabe 5/94.

Power-Mac versus DOS/Windows-Rechner

Hersteller Apple Apple Eigenbau Siemens DEC BAC Es com M & PC M & PC

Bezeichnung 8100/80 8100/80 TI 486DLC 40 PC-4DX2/ PC LPX Original O-Smart MPC 25

50 486D2

MS-Windows Soft Windows 40 MHz TI/Cyrix Intel DX2/50 Intel DX2/66 25 MHZ 386SX 486DRu2/16 25 MHz 368DX 386DX/3

Word fuer DOS 860,6* 898,17 438,54 377,02 288,15 12 59,97 1209,77 998,13 800,29

dBase * alt * 168,08 150,06 128,97 117,00 115,73 314,73 144,62 300,83 289,47

dBase * neu * 3772,93 2537,9 1799,74 1471,99 1166,04 59 88,47 2431,73 5349,5 4974,84

Testbild 16 1420,76921428,6813 45,0549 15,6000 13,0220 156,2637 131,1538 138,022 106,044

Testbild 256 1606,923 1601,4834 44,6703 16,9231 12,5275 470,7143 356,3736 334,7802 259,011

Playtime (Diamant) 55,9341 55,6044 30,2747 16,0989 7,8571 53,6264 39,5604 96,978 82,0879

High-Level-Grafik 57,73 57,76 38,91 16,92 14,56 52,51 47,17 57,62 47,37

VGA-Modi 558,846 554,066 229,615 148,462 124,396 230,495 355,549 553,626 504,615

Raytracing 821,69 840,19 288,41 147,58 102,11 65 62,34 6200,81 4633,57 3592,1

Page 2 (DOS-Grafik) 327,86 331,7 201,69 93,71 74,54 500,93 386,69 370,32 282,87

Scroll (5000 Schleifen) 34,16 34,11 91,34 59,60 62,84 73,33 10,84 84,61 64,51

MS-Exel-3.0-Makro 644,819 577,207 376,73 295,826 166,422 1535,594 1948,959 1162,762 878,636

Winword mit Grafik 71,578 72,457 52,058 31,730 15,214 91,296 138,499 78,345 60,429

Winword reiner Text 133,094 134,533 101,578 52,310 25,914 164,852 266,485 115,936 88,923

Vektor-Grafik 1 47,676 47,624 499,101 288,247 84,419 718,036 1406,414 892,963 723,855

Vektor-Grafik 2 47,29 45,707 498,825 288,299 84,308 717,816 1405,254 892,853 724,02

Alle Angaben in Sekunden Index-Werte Quelle: Macwelt

Mit Soft Windows 1.0 und Windows 3.1 musste sich der Power-Mac mit den Konkurrenten aus der Intel-Ecke messen.