Vermeidbare Unzulänglichkeiten:

Büroorganisation als Quantité negligable?

06.06.1980

Nur eines ist sicher: Die Automation der Informationsversorgung geht weiter. Computer-Power wird am Arbeitsplatz für immer kleinere Datenmengen, an geografisch immer breiter gestreuten Stellen und für inhaltlich immer umfassendere Problemstellungen bereitstehen. Immer kleinere Organisationseinheiten werden ihre Informationsversorgung automatisieren, immer kleinere Unternehmensteile, Sparten, Betriebe, Betriebsteile, Abteilungen, Arbeitsgruppen und immer kleinere Firmen.

Äußerlich wird die Zukunft büroorganisatorischer Lösungen davon geprägt sein, daß es wesentlich weniger Papier geben wird, heute noch der vorherrschende Datenträger in der operativen wie strukturellen Informationsversorgung. Außer auf Papier können zur Datenarchivierung nur filmische und magnetische Datenträger, zur Datenübermittlung per Bote, Bahn und Post oder Datenfernübertragung, zur Datenaufnahme Tastaturen und bei Massendaten automatische Leseeinrichtungen und für die Datendarstellung Bildschirme benutzt werden.

Der Arbeitsplatz im Büro wird äußerlich bestimmt sein von Bildschirmen und Tastaturen. Darüber sind sich eigentlich alle Marktteilnehmer seit mehreren Jahren im klaren. Und doch ziehen weder Hersteller noch Anwender daraus genügend Konsequenzen, mit der Folge, daß heute schon viele, allzu viele Menschen unter unzulänglichen Bedingungen arbeiten müssen, die vermeidbar wären.

In den nächsten Jahren werden sich die Hersteller wesentlich mehr Mühe mit sowohl ergonomischen als auch arbeitswissenschaftlichen Aspekten der Arbeitsplatzgestaltung geben müssen. Den Anwendern beziehungsweise ihren Ablauforganisatoren ist dringend zu empfehlen, weiterhin bestimmte Wissensgebiete der Büroorganisation als Quantité négligable zu verachten. Dort weiß man nämlich durchaus, wie Arbeitsgerät beschaffen sein soll, Refa-Leute also ins Büro!

Die heute noch durch die Bank als miserabel zu bezeichnende Anordnung und Gestaltung von Bildschirm, Tastatur, Beleg/Vorlage-Halterung und Sitzgelegenheit ist nach folgenden Prinzipien neu zu durchdenken:

1) Den unterschiedlichen Aufgaben an den Arbeitsplätzen ist durch entsprechend spezifizierte Gestaltung Rechnung zu tragen. Die Unterschiede ergeben sich vor allem aus den Unterschieden in der Benutzungsfrequenz von Bildschirm und Tastatur. Bei stundenlanger Benutzung kommt es darauf an, daß die Betrachtung des Bildschirminhaltes für die Augen mühelos wird. Es muß als verantwortungslos bezeichnet werden, was viele Benutzer ihren Mitarbeitern an Bildschirmen zumuten. Die Gleichung "Bildschirm mit vielen Zeichen ist guter Bildschirm, Bildschirm mit wenigen Zeichen ist schlechter Bildschirm", obwohl vorherrschende Marktphilosophie, ist falsch. Richtig muß es heißen: "Ein Bildschirm mit vielen Zeichen kann für sporadisches Arbeiten am Bildschirm gut sein, für zeitintensive Massenarbeiten am Bildschirm braucht man auf jeden Fall große Zeichen.

2) Bei fast allen Bildschirmsystemen müssen die Zeichenvorräte erweitert werden. Die Technik der Groß- und Kleinschreibung ist keineswegs eine Kunst um der Kunst willen sondern von den Buchdruckern als Hilfe beim Lesen erfunden worden. Die Technik des Groß- und Kleinschreibens ist eine Lesehilfe, die mindestens den stundenlang am Bildschirm Arbeitenden auch zur Verfügung gestellt werden sollte.

3) Die Zeichen müssen brillant sein. Wenn ich an meinen Fernseher und daran denke, wieviel - technische - Bildbrillanz ich mir da für wenige Mark kaufen kann, könnte ich auf den Gedanken kommen, den Terminal-Konstrukteuren die Anregung zu geben, bei der weiteren Entwicklung in der Jubelelektronik Anleihen aufzunehmen.

4) Die grafischen Gestaltungsmöglichkeiten einschließlich Mehrfarbigkeit müssen verbessert werden.

5) Der Lupeneffekt muß Standard werden.

6) Die Bildschirme - nicht die Tastaturen - müssen sowohl in ihrem Anstellwinkel als auch in ihrer Entfernung zur Sitzgelegenheit beweglich, die Bildschirmhelligkeit und der Kontrast stufenlos verstellbar sein. Die Seheigenschaften stundenlang am Gerät Arbeitender sind nämlich erstens von Person zu Person stark unterschiedlich, und außerdem ändern sich die Lichtverhältnisse am Arbeitsplatz nicht nur von Tag zu Tag sondern auch im Tagesablauf ganz erheblich.

Am besten wäre es wohl, die Hersteller verordneten jedem Mitglied ihrer Terminal-Konstruktionsteams kategorisch vier Arbeitswochen hintereinander im Erfassungssaal eines großen Versandhausunternehmens.

Auch den Anwendern kann man zur Gestaltung von Bildschirmmasken des eine oder andere nicht ersparen. Es ist wichtig, danach zu differenzieren, ob sie der sporadischen Informationsdarstellung oder für Dauerarbeiten dienen sollen. In Vielem gilt für die Gestaltung von Masken das Gleiche, was auch für Druckausgaben gilt.

Insbesondere für Bildschirmmasken kann folgendes gelten:

1) So paradox es klingen mag: Vor allem bei Massenarbeiten sollte die Organisation dafür sorgen, daß die Bedienungskraft nur ausnahmsweise auf den Bildschirm blicken muß. Bei Massenarbeiten am Bildschirm handelt es sich entweder um Datenerfassungsarbeiten

oder um sich sehr oft wiederholende Anfragen. In beiden Fällen wird der Bildschirm angeblich zur Bedienerführung benutzt. In Wirklichkeit ist die Datenerfassung aus dem Beleg der Vorlage, zu führen. Denn zur Aufnahme der zu erfassenden Arbeiten richtet sich der Blick der Bedienungskraft jedenfalls in das Beleggut. Je seltener der Blick aus dem Beleggut auf Tastatur oder gar Bildschirm springt, desto schneller wird die Arbeit und desto langsamer macht sie müde. Die Reihenfolge der Eingabeformate sollte auch mit der Anordnung der zu erfassenden Daten übereinstimmen. Denn dann kann sich die Bedienungskraft mit ihren Augen und einer Hand ganz in das Beleggut vertiefen.

Sowohl bei häufigem als auch bei sporadischem Benutzen kann ich für Bildschirmabfragen folgendes empfehlen. Man sollte immer die gleichen Verrichtungen und möglichst immer die gleich strukturierte Maske für Anfragen auch unterschiedlicher Materien verwenden. Dadurch stellt sich bei den Benutzern verhältnismäßig schnell ein Gewöhnungseffekt ein, so daß sie sich auf die Abfrageinhalte und vor allem auf die Ausgabedaten konzentrieren können.

2) Die Anwender sollten bei der Gestaltung von Bildschirmmasken den gegebenen Vorrat an Zeichen und die - auch farblichen - grafischen Gestaltungsmöglichkeiten voll ausschöpfen.

3) Die Anwender sollten Abkürzungen möglichst ganz, jedenfalls aber umso mehr vermeiden, je weniger oft der Benutzer mit einer Maske arbeitet.

4) Man bringe möglichst wenig in eine Maske hinein. Nicht jene Maske ist besonders geschickt angelegt, welche die Bildschirmkapazität bis aufs letzte Zeichen ausnützt, sondern die Maske die den Blick des Betrachters sofort auf den Inhalt führt, der Ursache des Blicks auf den Bildschirm war. Das kann ein Organisator am besten durch strenge Askese in der Datendarbietung erreichen.

Vor allem bei Arbeitsplätzen für Massendaten bin ich ein Gegner von Universaltastaturen. Tastaturen, oder vielmehr ihre jeweils benötigten Teile (zum Beispiel Schreibmaschinentastaturen, zehner Block-Tastaturen oder Funktionstasten) sollten aufgabenorientiert gestaltet sein. An Arbeitsplätzen mit im wesentlichen numerischer Dateneingabe sollte die zehner Blocktastatur für Rechtshänder ein wenig rechts von der Mitte, für Linkshänder ein wenig links von der Mitte angeordnet sein. Wenigstens sollte sie immer so liegen, daß sogar noch beim Eintasten der Ziffern der kleine Handballen locker aufliegen kann, daß also zu Beginn und Ende des Eintastvorgangs keine Armbewegung oder nur eine minimale Armbewegung erforderlich ist.

Die wichtigsten Bedienungs- (Funktions-) Tasten haben dort zu liegen, wo sie durch Kippen der Hand aus der Ruhestellung zu erreichen sind.

Es ist unmöglich, in einem kurzen Aufsatz alles Erwägenswerte über die Anordnung von Tastaturen mitzuteilen, auch nicht über die Form und Eigenschaften der Tasten selbst. Meine kleine konkrete Aussage sollte nur zeigen, was Arbeitswissenschaftler und Hersteller noch zu entwickeln haben.

Prinzipiell gibt es zur Tastatur folgendes:

l) Tastaturen müssen aufgabenorientiert konfigurierbar sein.

2) Die Tastaturen sollten nicht beweglich sein. Die fest angeordneten Tastaturen provozieren eine aufrechte und damit konzentrierte Haltung. Bewegliche Tastaturen stellen sich die Bedienungskräfte so, daß sie "lässig" sitzen können, was nachweislich der Konzentration schadet und vor allem wesentlich mehr ermüdet als eine aufrechte Haltung. Unterschiede in der Physis der Bedienungskräfte, Körpergröße, Armlänge, Beinlänge, Dicke werden durch Verstellbarkeit der Sitzgelegenheit, auch in der Höhe, berücksichtigt .

3) Im Grunde viel wichtiger für die Bedienerführung als der Bildschirm ist die

Programmierbarkeit optischer und akustischer Signalgebung, aber am wichtigsten ist die Programmierbarkeit des Sperrens von Teilen der Tastatur.

Ich war früher einmal dafür, prinzipiell Fehlereingaben durch ein wenn auch leises so doch empörtes Quieken in der Tastatur anzuzeigen. Akustische Fehleranzeigen sollten nach meiner heutigen Meinung nur benutzt werden, wenn es erforderlich ist, den in das Beleg-/Vorlagegut gesenkten Blick der Bedienungskraft aus ganz besonderem Grund auf etwas anderes zu lenken, ihren Arbeitsrhythmus also zu unterbrechen. Da bei allen Arten von Eingaben die Bedienungskraft die meisten Fehler entweder selbst merkt oder bei einem unauffälligen Hinweis sofort weiß, was falsch war, ist es besser, Fehler zunächst mit Signallampen oder Tastatursperren anzuzeigen. Dadurch kann sie wesentliche Teile der Fehler beheben, ohne aus ihrem Rhythmus zu kommen. Andere in der Nähe arbeitende Arbeitskräfte bleiben ungestört. - Ich halte es übrigens inzwischen geradezu für einen Kunstfehler, den Erfolg einer richtigen Eingabe akustisch anzuzeigen.

Die Programmierbarkeit des Sperrens von Teilen der Tastatur ist auch deswegen wichtig, weil man sie mit dazu benutzen kann, eine organisierte Fehlerbeseitigung zu erzwingen was oft schon allein aus Sicherheitsgründen geboten sein kann.

Zur äußerlichen Gestaltung ganzer Arbeitsplätze gehört etwas so Simples, daß ich mich fast geniere darüber zu schreiben. Die Praxis zeigt aber, wie nötig hier in der nächsten Zeit Verbesserungen sind.

Es kommt in der Praxis nämlich so gut wie nie vor, daß an einer Tastatur gearbeitet wird, ohne daß aus Belegen oder Vorlagen abgelesen werden muß. Meist handelt es sich um mehrere Belege oder Vorlagen, sehr oft um ganze Belegstapel. Sie muß man so zur Tastatur legen können, daß sich die Bedienungskraft bei aufrechter Haltung ganz in sie

vertiefen, das heißt, mühelos in ihnen lesen und sie ohne Haltungsveränderung umblättern kann. Mir scheint das überaus selbstverständlich. Und doch muß bei sehr, sehr vielen Geräten hier noch nachgebessert werden.

Die Verringerung der Papiervolumina als äußeres Indiz einer wieder einmal angebrochenen Zukunft in der Datenverarbeitung kennzeichnet ihre Entwicklung nicht schlecht aber eben nur äußerlich. Papier wird durch magnetische und filmische Datenträger zunehmend ersetzt. Die Mikrominiaturisierung der Halbleiter- und Filmtechnik macht es möglich.

Wie aber, und die Frage ist viel aufregender, verändert sich Arbeitsmaterie, Verwaltungstätigkeit in ihrer Substanz, und zweitens, welche ablauforganisatorischen Konzeptionen werden Computer-Power an die Arbeitsplätze bringen, wie dringt die Automation der Informationsversorgung in die Büroberufe ein?

þProfessor Thomas H. Adenauer, Fachhochschule Mainz II des Landes Rheinland-Pfalz