Bürgerlicheinitiative gegen Datenmißbrauch mit Namen Orwell 84:\Arbeitnehmer in Klarsichtfolie

04.09.1981

STUTTGART (gr) - Anfang 1979, als Daimler-Benz sein Personal-Informationssystem einführen wollte, wandten sich einige Gegner des "Arbeitnehmers in Klarsichtfolie" an die Öffentlichkeit. Sie hatten Erfolg. Bei anderen Bürgern stießen sie auf latentes Unbehagen über die vorhandenen Datenbanken, die mit persönlichen Daten an verschiedenen Stellen gespeist sind. Die in Stuttgart gegründete Bürgerinitiative gegen Datenmißbrauch "Orwell 84" dokumentiert den Stand ihrer Diskussion.

Einige Untersuchungen über Personal-Informationssysteme in 67 Betrieben ergaben nach Auskunft des geschäftsführenden Vorstandsmitgliedes der IG Metall, Lutz Dieckerhoff, daß 50 Unternehmen mehr Daten von ihren Arbeitnehmern erheben und speichern, als gesetzlich gefordert. Sie zählen dazu Angaben über Fähigkeiten ihrer Belegschaft, Leistungsdaten und den betrieblichen Werdegang. Fähigkeit hieße in diesem Zusammenhang Eignung zur Zusammenarbeit, zur Belastbarkeit, zur Eigeninitative, dazu gehörten Arbeitstempo, Fleiß, Ausdauer und Fachwissen.

Betriebsräte der oppositionellen "Plakat"-Gruppe bei Daimler-Benz in Untertürkheim setzten sich gegen die Einführung des geplanten "lnformationssystem Arbeitseinsatz und Arbeitsplanung", abgekürzt ISA, zur Wehr. 9000 ihrer Kollegen unterschrieben eine Erklärung, mit der sie der Aktiengesellschaft die Speicherung und Verwendung ihrer persönlichen Daten im Rahmen von lSA so lange untersagten, bis eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Firmenleitung ihre schutzwürdigen Belange wahren würde. Daimler-Benz, so berichtete Betriebsrat D. Marcello in Orwell 1984: "Computer und Bürgerrechte, Beiträge zur Datenschutzdiskussion", setzte die Einführung aus und bot Verhandlungen an. Verhindert werden konnte die Anwendung des Systems auf den Einsatz sogenannter leistungsgeminderter Kollegen. Außerdem erlangte der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei jedem Datum, jedem Verwendungszweck und bei jedem Programm, das für ISA eingesetzt wird. Die Arbeitsgruppe der Bürgerinihative "Daten am Arbeitsplatz" versucht durchzusetzen, daß das Grundrecht "Schutz der persönlichen Sphäre der Arbeitnehmer" auch in Personalinformationssystemen ernstgenommen wird.

Die Datenerfassung bildet den Ansatzpunkt der Arbeitsgruppe "Staatsschutz". "Genügt es noch, in erster Linie über die Weitergabe von Daten zu diskutieren? Ist es nicht vielmehr allerhöchste Zeit, bei der Datenerfassung anzusetzen? Ist nicht allein die drastische Beschränkung der Datenerfassung der einzige auf Dauer wirklich sichere Datenschutz?" fragt die Gruppe.

Offenbar gibt es schon Leute in der Bundesrepublik, die sich vor den Datenschützern fürchten. "Wir sind sicher nicht so stark, daß wir die gesamte Datenverarbeitung in der Bundesrepublik verhindern können", beruhigt Dr. H. Lutterbeck aus dem Bundesamt für Datenschutz in Bonn die Überängstlichen. Doch bürdet das Datenschutzgesetz nach Ansicht von Lutterbeck dem Staat die Beweislast auf, wenn er Daten sammelt. Der Bürger könne fragen, ob die Aktion notwendig sei. Außer mehr Transparenz zu verlangen, wird ihm auch ein Instrument zur Technologiekontrolle in die Hand gegeben. Über den Datenschutz könne der Bürger die Diskussion um die Technik von morgen mitbestimmen und damit die Welt der Zukunft beeinflussen. Wirkliche Gefahren aus der Computerisierung sieht er im Bereich der sozialen Sicherung. Orwell 84 ist für Lutterbeck "wohl eher die Vision passiver, angepaßter Menschen, die ihrem allgegenwärtigen Versorger eigentlich noch zujubeln".

Die Vision eines Bürgers, der bereit ist, an seiner eigenen Entmündigung mitzuarbeiten, schreckt Lutterbeck wesentlich mehr als der Polizeistaat den wie die Rasterfahndung zeigt ebenfalls die Datenverarbeitung möglich macht. "Computer und Bürgerrechte", herausgegeben von der Bürgerinitiative Orwell 84, ist im Windhueter Verlag, Stuttgart, erschienen. Im Laden kostet das Buch sieben Mark.