Bücher/Nicht nur Linux und NT

07.01.2000
Für alle CW-Leser, die sich im Jahr 2000 vorgenommen haben,nicht nur Computerliteratur zu lesen, stellt die Redaktion eine Auswahl von interessanten, spannenden, aber auch nützlichen und heiteren Büchern vor.

Von Angelika Fritsche*

Weltausstellungen

Der Glaube an die Technik

Ein Gebäude wie dieses hatte die Welt noch nicht gesehen: Der "Crystal Palace", siebenmal größer als die berühmte St. Pauls-Kathedrale, konstruiert aus vorgefertigten Eisen- und Glasteilen - wurde zum Wahrzeichen der ersten Weltausstellung im Jahre 1851 im Hyde Park in London. Mit dem "Crystal Palace" und der "Great Exhibition" präsentierte das Industriezeitalter voller Stolz erstmals die Bandbreite seiner Waren, stellte seine Leistungsfähigkeit zur Schau.

Damals konnte die Welt sich noch ungehemmt dem Glauben an den technischen Fortschritt hingeben. 150 Jahre später wird erstmals eine Weltausstellung in Deutschland ihre Türen öffnen. Von der Euphorie des 19. Jahrhunderts ist nichts mehr zu spüren.

Die "Expo 2000" in Hannover steht unter Dauerbeschuss. Immer weniger Zeitgenossen verstehen, welchen Sinn im Zeitalter von Massenmedien und weltweiter Mobilität solche Mammutschauen haben.

Wie spannend Industriegeschichte sein kann, zeigt diese schön bebilderte Zeitreise.

Winfried Kretschmer: Geschichte der Weltausstellungen. Frankfurt/Main: Campus Verlag, 58 Mark.

Kreativität

Das Potenzial voll ausschöpfen

Kreativität ist mehr als nur eine Technik und Handlungsweise, sondern vielmehr "eine Geisteshaltung, die alles möglich sein lässt, ohne sich durch das Gewohnte einschränken zu lassen". Das zumindest meint die Schweizer Grafikerin und Erwachsenenbildnerin Sus Grubenmann. Wie Menschen ihr kreatives Potenzial entdecken und entwickeln können, das führt die Autorin in ihrem aus Karten und Arbeitsblättern bestehenden Ringbuch "KreAktiv" vor. Dort zeigt sie, wie mit Hilfe von Spielen und einfachen Techniken Menschen ihre Kreativität trainieren können.

Sus Grubenmann: KreAktiv. Kreativ werden - kreativ sein. Zürich: Verlag A & O des Wissens. 138 Mark.

Wallstreet

Ein Insider packt aus

Frank Partnoy, erfolgreicher Ex-Derivate-Händler von CS First Boston und Morgan Stanley, packt aus. In seinem aufregenden Börsenthriller "F.I.A.S.C.O. - Blut an den weißen Westen der Wallstreet Broker" schildert er seine schier unglaublichen Erlebnisse an der Wall Street. Was der ehemalige Verkäufer aus dem Innenleben zweier renommierter Häuser zu berichten weiß, bietet genügend Sprengstoff, um das Image der Finanzwelt restlos zu ruinieren. Schonungslos enthüllt er die Tricks und Betrügereien, mit denen große Investmentbanken im Derivate-Handel Unsummen verdienen. Nebenbei erklärt er dem Leser auf verblüffend einfache Art und Weise, wie die anspruchsvoll klingenden Geschäfte mit den "Abfallprodukten" funktionieren. Das Derivate-Geschäft ist mittlerweile zum größten Markt der Welt angewachsen.

Sein Umfang beläuft sich auf geschätzte 55 Billionen Dollar und betrug 1996 nicht weniger als das Doppelte des Marktwertes aller US-Aktien zusammen. Wer glaubt, Broker und Banken übernähmen deshalb mehr Verantwortung und der Finanzplatz Wall Street sei so seriös wie das gediegene Outfit der Geschäftsleute suggeriert, wird von Partnoy eines Besseren belehrt: In den Handelssälen, so seine Quintessenz, sind Insider-Geschäfte, Spekulationsgaunereien, Macho-Gehabe und plumper Sexismus an der Tagesordnung.

Während die großen Investment-Banken früher noch auf Seriosität bedacht waren, schärfen sie in den neunziger Jahren vielmehr die Killerinstinkte ihrer Mitarbeiter - und zwar mit illustren Aktionen wie dem bei Morgan Stanley jährlich stattfindenden Sauf- und Tontaubenschieß-Wettkampf namens F.I.A.S.C.O. (Fixed Income Annual Sporting Clays Outing). Solchermaßen auf das Finanzgeschäft eingestimmt, erzielen die Derivate-Händler Milliardengewinne durch skrupelloses Abzocken ihrer Kunden. Partnoy verließ Morgan Stanley und arbeitet heute als Assistenzprofessor für Rechtswissenschaften an der Universität von San Diego.

Frank Partnoy: F.I.A.S.C.O. - Blut an den weißen Westen der Wall Street Broker. Wien/Frankfurt/Main: Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter, 48 Mark.

Jammern

Eine kleine Anleitung

Mit der richtigen Technik eingesetzt, bringt Jammern schnell und effektiv ans Ziel. Wie, das führen die Schweizer Autoren Franz Stowasser und Rudolf Kraus in ihrem heiter-ironisch verfassten Ratgeber "Jammern - aber richtig!" vor Augen.

Die praktische Anleitung, gespickt mit "Checklisten für das Jammern zu besonderen Anlässen" und einer "Knüpfanleitung für einen eigenen Jammerlappen" soll dem Leser dazu verhelfen, seine "Jammerfähigkeit so zu entwickeln, dass er jederzeit und an jedem Ort in der Lage ist, seine Umgebung mit seiner Jämmerlichkeit zu beeindrucken." Ein interessanter Selbstversuch, der zumindest verkrampfte Lachmuskeln aus ihrem Jammertal reißt.

Franz Stowasser, Rudolf Kraus: "Jammern - aber richtig! Zürich: Verlag A & O des Wissens, 29,80 Mark.

Richard Branson

Ein Abenteurer über sich selbst

Er ist in der Unternehmenswelt ebenso zu Hause wie im Showbusiness: Richard Branson, Gründer des Plattenlabels Virgin Records, Produzent erfolgreicher Musiker wie Mike Oldfield und Besitzer der Fluglinie Virgin Atlantic, ist gewiefter Geschäftsmann und Abenteurer in Personalunion. Das Produkt der aufsässigen 60er und wilden 70er Jahre, geboren 1950, hat sich in den unterschiedlichsten Geschäftsfeldern getummelt und trotz vieler Hochs und Tiefs immer den Kopf oben gehalten. Wie er das geschafft hat, kann man nun in seiner spannenden Autobiographie nachlesen. Der Selfmademan gibt dort nicht nur Einblick in seine Karriere, sondern, und das ist das Besondere, er beschreibt die Aufbruchstimmung der 70er Jahre, als nichts unmöglich schien und die Rolling Stones und Beatles die Jugend revolutionierten. Beim Lesen lässt man sich von Bransons Höhenflügen - in den letzten Jahren machte er Furore mit seinen Versuchen, im Heißluftballon den Atlantik zu überqueren - gerne mitreißen.

Richard Branson: Business ist wie Rock''n''Roll, Frankfurt/Main: Campus Verlag, 58 Mark.

Bosse in Film und Literatur

Immer die Bösen

Die Reichen sind als Motiv in Literatur, Film und Fernsehen unentbehrlich - und fast immer spielen sie die Bösen. Pointiert, witzig, belesen und gewürzt mit einer Prise Bosheit durchstreift Holger Rust Dichtung und Kultur der letzten Jahrtausende, um die großen und kleinen Helden der Wirtschaft aufzuspüren und die Wurzeln dieser Darstellungen bloßzulegen.

Was er dabei entdeckt, ist ebenso vergnüglich wie tiefgründig oder, wie Rust sagen würde: abgründig. Immer speist sich ungewöhnlicher Reichtum aus einem furchtbaren Verbrechen - zumindest im Kino, im Theater oder in der Literatur. Böses denkt, wer da glaubt, dass Kunst ein Abbild der Wirklichkeit ist. Dabei, auch das ein Ergebnis des unterhaltsam geschriebenen Buches, lässt fast niemand ein gutes Haar an den Reichen. Aber selbst reich sein - das wäre fast jeder gerne.

Holger Rust: Und die Moral von der Geschicht?... Fabrikanten, Bosse und Manager in Literatur und Unterhaltung. Wien/Frankfurt/Main: Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter, 48 Mark.

*Angelika Fritsche ist freie Journalistin in Bonn.