Digitalisierung im Familienunternehmen

Brüggen zentralisiert Zugriff auf Dokumente und Anwendungen

16.07.2018
Von  und
Hartmut Willebrand ist CIO der H. & J. Brüggen KG in Lübeck


Daniel Hoch-Kraft, Projektleiter bei Campana & Schott
Vor gut zwei Jahren hat die H. & J. Brüggen KG, Hersteller von Müsli, Cornflakes und anderen Cerealien, mit der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie begonnen. Sie umfasst alle Prozesse des Unternehmens, von Einkauf, Logistik und Vertrieb bis hin zu Qualitätswesen und Produktion.

Wie die gesamte Lebensmittelindustrie steht auch Brüggen vor großen Herausforderungen. Der internationale Wettbewerb wird härter, gleichzeitig steigen die Sicherheits- und Qualitätsanforderungen an die Nahrungsmittelproduktion. Hinzu kommen die zunehmend individuelleren Kundenwünsche, in deren Folge die Losgrößen sinken und immer häufigere Produktwechsel notwendig werden - was Folgen für die Produktions- und Verpackungsanlagen hat.

Brüggen KG in Lübeck
Brüggen KG in Lübeck
Foto: Brüggen

Im Durchschnitt steigen die Rüstzeiten für die Maschinen ebenso wie der Dokumentationsaufwand und die Vielfalt der auf einer Produktionslinie hergestellten Artikel. Das wiederum führt zu einem Zuwachs an Dokumenten und steigendem Handlungsdruck. Papierbasierte Prozesse sind dem nicht gewachsen - aber, wie bei vielen traditionellen Unternehmen, auch bei Brüggen noch im Einsatz.

Brüggen-Informations-Portal eingeführt

Das Unternehmen, das in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiert, hat deshalb Ende 2016 beschlossen, eine Plattformlösung für Information, Kommunikation und die prozessgestützte Zusammenarbeit zu entwickeln: das Brüggen-Informations-Portal, genannt "myBIP". Es basiert auf Microsoft SharePoint in Kombination mit Windows 7, Citrix und HP-Hardware. Im ersten Halbjahr 2017 wurden die Strategie und Use Cases (Projektskizzen) erarbeitet. Im zweiten Halbjahr folgte dann die Entwicklung der technischen Plattform in einer agilen Vorgehensweise.

Wer ist die Brüggen KG?

Die H. & J. Brüggen KG ist zu 100% Familienbesitz und wird in vierter Generation von den persönlich haftenden Gesellschaftern Hanno Brüggen, Jochen Brüggen und Johannes Brüggen geführt. Hauptsitz des Unternehmens mit rund 1.500 Mitarbeitern ist seit 1886 Lübeck. Brüggen verfügt derzeit weltweit über fünf Produktionsstandorte in Lübeck, Wilga (Polen), Thiers (Zentralfrankreich) und Santiago de Chile (Chile).

Brüggen beliefert die Nahrungsmittelindustrie mit hochwertigen Getreiderohwaren und Halbfabrikaten wie Müslimischungen für Joghurt. Es werden Private Labels für die führenden europäischen und internationalen Handelsketten produziert. Brüggen gehört zu den Marktführern im mengenmäßigen Absatz von Haferflocken in Deutschland und zählt zu den führenden und am schnellsten wachsenden Cerealien Herstellern in Europa und weltweit.

Brüggen wählte zur Unterstützung die Management- und Technologieberatung Campana & Schott, die diesen Prozess von der Strategie bis hin zum Change Management begleitete. So leitete bei Brüggen ein Projekt-Kernteam aus Vertretern des Qualitätswesens, des Controllings und der IT insgesamt fünf Arbeitsgruppen. Sie erarbeiteten Konzepte zu den Themen:

  • Digitales Rahmenwerk,

  • Managementsystem/gelenkte Dokumente,

  • Wiki,

  • Kollaboration & Kooperation sowie

  • Business Apps.

Zwei Sprints in der ersten Entwicklungsphase

In Spitzenzeiten arbeiteten bis zu 50 Kollegen in den Arbeitsgruppen mit und bewältigten das Projekt neben ihren normalen Aufgaben. Kernbestandteile der ersten Phase waren zwei Sprints: Im ersten Sprint wurden die Infrastruktur aufgebaut, die Basiskomponenten implementiert und eine personalisierte Startseite bereitgestellt, wobei der Dienstleister einige schnell anpassbare Module beisteuerte, die sich bereits bei anderen Kunden bewährt hatten. Damit wurde der Grundstein für das Bereitstellen von News für die Unternehmenskommunikation sowie für eine portalweite Expertensuche gelegt. Eigens eingerichtete Benutzerprofilseiten, die mit zusätzlichen User-Eigenschaften angereichert wurden, helfen den Brüggen-Mitarbeitern, schnell Kollegen mit einem passenden Know-how zu finden.

Im zweiten Sprint folgten das Managementsystem, das Fine Tuning und der Freigabe-Workflow. Nach Anpassungen, die sich aus dem Feedback ergaben, wurden die Redakteure, Key User und Administratoren von Brüggen geschult. Die Ende 2017 fertiggestellte technische Basis wird nun schrittweise mit Dokumenten erweitert und das Wiki aufgebaut. Dort sollen Mitarbeiter schnell und aktuell auf den ständig wachsenden Informationsbestand zugreifen können. Zudem dient das Informationsportal als zentrale Plattform. Denn wenn Informationen einfacher bereitgestellt und gefunden werden können, fördert das die Zusammenarbeit der Mitarbeiter. Die Ablösung papiergestützter Prozesse und effektivere Suchfunktionen erhöhen die Produktivität, verbessern die Kommunikation während vernetzte Abläufe effizientere und transparente Arbeitsprozesse ermöglichen.

Weiterentwicklung bereits fest eingeplant

Das Portal wird nun weiter mit Leben gefüllt. In der finalen Ausbaustufe soll es als Plattform für alle Daten dienen, die Mitarbeiter benötigen. An diese zentrale Schnittstelle sollen sukzessive Datenbanken, Anwendungen und Arbeitsprozesse angeschlossen werden. Bereits heute können die Mitarbeiter viele Dokumente wie mit einer Google-Suche finden. Diese wurde so zentral platziert, dass Mitarbeiter jederzeit und über die gesamte Plattform hinweg auf relevante Informationen, Dokumente und Benutzerinformationen zugreifen können.

Die unternehmensweit 20 bis 35 Redakteure - darunter viele Abteilungsleiter - sind mit der einfachen Bedienung des Portals zufrieden. Es folgt einer Drei-Klick-Strategie: Jede Information wird mit maximal drei Klicks gefunden. Dank des Responsive Designs können Führungskräfte und Vertriebsmitarbeiter in Kürze auch per Smartphone oder Tablet auf das neue Informationsportal zugreifen. Zudem ist es auf die Sprachen Deutsch und Englisch ausgelegt sowie für weitere Sprachen vorbereitet, um der internationalen Ausrichtung und Expansion des Unternehmens Rechnung zu tragen.

Eigene Business-Apps geplant

Derzeit werden die Tools für die abteilungsübergreifende Kommunikation und Zusammenarbeit mit Hilfe von Team- und Projekträumen eingeführt. Diese Collaboration-Werkzeuge könnten zumindest in Teilen auch von Partnern und Kunden genutzt werden. Ebenfalls auf der Agenda steht die Entwicklung und Integration unternehmenseigener Business-Apps. Damit können die Mitarbeiter ihre Arbeitsprozesse frei von Medienbrüchen und damit deutlich effizienter als bisher organisieren.

Angedacht ist auch der Einsatz für Reisebuchungen, Urlaubsplanung, Belegabrechnung, Bestellanforderungen oder Budgetfreigaben. Die Basis dafür bildet das integrierte, ganzheitliche Management-System, das auch mit einem Produktions-Cockpit verbunden werden kann. Aktuelle Produktionsdaten können dann perspektivisch im Portal integriert und auf den Industrie-Terminals in der Fertigungsstraße bereitgestellt werden. Derzeit steht das Portal in der Fertigung über Kiosk-PCs zur Verfügung, die gemeinsam von den Produktionsmitarbeitern genutzt werden.

Fazit

Mit der Einführung von myBIP hebt Brüggen die Zusammenarbeit im Unternehmen auf ein neues Level. Die Informationsbereitstellung und -suche vereinfacht sich, papiergestützte Prozesse werden digitalisiert, Arbeitsprozesse effizienter und transparenter. Mit Hilfe einer effektiven Projektorganisation und agilen Entwicklungsmethoden hat das mittelständische Traditionsunternehmen die Grundlage geschaffen, um seinen Erfolgskurs fortzusetzen.