Brueckenschlag zwischen Kamera und Desktop Photokina '94: Speicherkarten reifen zum digitalen Bindeglied Von Detlef Borchers*

30.09.1994

KOELN - Die Fotografie und der Computer ruecken zusammen. Im Bereich der Laborgeraete und des professionellen Foto-Finishings, so zeigte die Photokina '94 in Koeln, ist dieser Prozess bereits weit fortgeschritten. Nun wendet sich die Industrie direkt an den Fotografen, der seine Bilder ohne Umwege im PC weiterverarbeiten moechte.

Das augenfaelligste Zeichen fuer die Konvergenz von Kamera und Computer ist die CD als Langzeit-Speichermedium beziehungsweise Ersatz fuer Film und Diskette. Die Technik befindet sich allerdings erst in der Startphase: Die Zahl der Photo-CD-tauglichen Rechner ist ueberschaubar, bilden doch die entsprechend ausgeruesteten Multimedia-Stationen derzeit noch die Avantgarde im Computersektor - analog gilt dies auch fuer den Videobereich und die Konferenztechnik via PC.

Fuer die Visionaere unter den Herstellern ist dies bereits Schnee von gestern. Ansaetze, wie es nach der CD weitergehen koennte, wurden auf der Photokina in erster Linie mit der Abloesung der analogen Speicherung auf Film durch digitale Techniken gezeigt. Auf den Staenden von Nikon und Fuji sorgte die gemeinsam entwickelte "E2/E2s" fuer Furore: Eine massige Spiegelreflexkamera, bei der der Film durch standardisierte PCMCIA-Karten (Typ I) abgeloest wurde. Auf der Flash-Memory-Karte mit 15 MB Speicherkapazitaet koennen im Normalbetrieb 43 Aufnahmen Platz finden, ehe die Daten ueber einen PCMCIA-Slot an den PC weitergegeben werden.

Drei verschiedene JPEG-Kompressionsstufen der Bilder im Format von 1280 mal 1000 Pixel koennen diesen Speicherwert jedoch schwanken lassen (die Kompression ist fuer jede Aufnahme separat einstellbar). Sind die Bilder zur Weiterverarbeitung auf den PC uebertragen - dies kann auch via RS-422-Kabel geschehen -, steht die PCMCIA-Karte erneut zur Verfuegung.

Als richtige Spiegelreflexkamera ist die E2/E2s fast mit dem kompletten Objektivprogramm von Nikon kompatibel. Der Nachteil: Schon mit dem kleinsten Objektiv wiegt das System mehr als zwei Kilogramm. Mit derzeit noch 26 000 Mark ist das System auch von den Kosten her kein Leichtgewicht. Der Preis versteht sich ohne Kartenleser oder Zusatz-PC, wie ihn Fuji unter der Bezeichnung "Digital Image-Processor DI 500/500D" anbietet.

Auch wenn die Kameras vorerst nur im Journalismus, in der Werbung oder Medizintechnik Verbreitung finden werden, ist die E2-Reihe von Nikon/Fuji naeher am Massenmarkt als die Angebote der Konkurrenz. Diese konzentrieren sich eher auf den Bereich der Studiotechnik, wie es die "Leaf Luminar" von Ilford/Scitex, die "Digital Camera" von Dicomed oder das "Hyper Archiv 2010" von Scheiner Computer demonstrieren. Allenfalls Kodaks "DCS 420" koennte noch ein breiteres Marktsegment ansprechen: Hier benutzt man einen Winder-aehnlichen Unterbau und eine LCD-Abtastung, die auf eine Nikon F90 ausgelegt ist, um digitale Bilder mit 1524 mal 1012 Pixel abzuspeichern. Als Speichermedien kommen Festplatten im PCMCIA-Format, Typ III, zum Einsatz. Fuer die Zukunft erwartet man weitere Loesungen im Nikon/Fuji-Stil, die in fuenf Jahren auf normale Spiegelreflexgroesse geschrumpft sein duerften - auch was die Preise betrifft.

Als Anbieter aus dem Bereich der Hi8-Videotechnik zeigte Olympus auf der Koelner Messe seine Still-Video-Kamera "Deltis VC 1100", die fuer die Koppelung mit einem Mobiltelefon ausgelegt ist oder an ein Faxgeraet senden kann. Spaeter soll ein PCMCIA-Unterbau hinzukommen. Polaroid praesentierte neben der "636 Talking Camera" einen handlichen Diascanner mit 2700 dpi. Er soll weniger als 60 Sekunden fuer eine Vorlage benoetigen und ueber SCSI-2 die Bilder an Windows zur Verarbeitung weiterreichen koennen.

In puncto bildverarbeitende Software hatte die Photokina kaum etwas zu bieten, was nicht schon auf anderen Messen gezeigt worden waere. Interessant waren Randbereiche wie die Vorstellung eines internationalen Bild-Mailbox-Systems auf Basis von Windows NT, das die schwedische Photoimaging vorfuehrte. Alle Bilder wandern dabei auf Syquest-Wechselplatten, die in grossen Jukebox-Bibliotheken abgelegt sind. Die Software soll selbstaendig den optimalen Zustellweg der Dateien errechnen - das kann schon mal der Schnellkurier sein, wenn keine Datenautobahn zur Verfuegung steht.