Brotlose Kunst

19.11.1982

In der Computerbranche ist eine dynamische n Entwicklung im Gange, die die Anbieterstruktur dramatisch verändern wird: Kleine Computer lassen sich wirtschaftlich nicht mehr direkt vertreiben. Andere Kanäle, wie Fachhandel, Versand, Kaufhaus etc., gewinnen an Bedeutung. Zugleich wird der Absatz von kompletten Systemen auch für Softwarehäuser interessant, die sich die nackte Hardware auf dem OEM-Weg (Original Equipment Manufacturer) besorgen: Softwarehäuser werden zu Systemhäusern. Namhafte bundesdeutsche DV-Beratungsunternehmen wie ADV/ORGA, mbp oder Softlab befinden sich auf diesem Trip.

Auf der anderen Seite nehmen die Computerhersteller immer mehr Systemhauscharakter an, werden zu Handelshäusern, die nur noch zu einem geringen Teil selbst produzieren. So verlieren Nixdorf und Siemens ständig an Produktionstiefe. Ausgeglichen wird dies durch eine größere Endbenutzernähe, die auch die alteingesessenen Systemhäuser erreichen müssen, wollen sie sich gegen die Giganten behaupten.

Im engeren Bereich der Softwareentwicklung ist eine Abkehr vom Bodyleasing zu beobachten (Seite 1 - "Software: Vom Bodyleasing zum Produktgeschäft"). Auf Auftraggeberseite setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß Software Produktcharakter hat, definierbar und beschreibbar sein muß. Dies führt dazu, daß sich auch kleinere Softwarefirmen verstärkt um Marketing und Vertrieb kümmern müssen. Vertriebskooperationen bieten sich als Lösungsmöglichkeit an. Ob typischen Bodyleasern der Sprung zum Software-OEM gelingen wird, ist noch sehr die Frage.

Erschwerend für die Softwarebranche kommt hinzu, daß die deutschen Anwender offenbar kein Vertrauen zu "Fertigware" haben. Was Anwendungspakete betrifft, ist diese Zurückhaltung verständlich. Brauchbare Werkzeuge für Programmierer sind dagegen in ausreichender Zahl vorhanden. Wann kommen die "Künstler" unter den Programmierern auf den Dreh, daß sie sich mit ihrer Scheu vor Tools nur selber schaden?