Quartalsverlust von 825 Millionen Euro erwartet

Brokats Talfahrt beschleunigt sich

03.08.2001
MÜNCHEN (CW) - Die Finanzlage des Stuttgarter Softwareherstellers Brokat hat sich weiter zugespitzt. Die liquiden Mittel schmelzen schneller, im zweiten Quartal mussten die Schwaben einen Verlust von 825 Millionen Euro verkraften. Noch immer ist das Management auf der Suche nach einem Investor.

Ende März verfügte Brokat noch über liquide Mittel in Höhe von 89 Millionen Euro. Im zweiten Quartal (Ende: 30. Juni) sind die Reserven bereits auf 41 Millionen Euro zusammengeschmolzen. Was die Finanzgemeinde besonders beunruhigt, ist das Tempo der Kapitalvernichtung: Mit 48 Millionen Euro haben die Schwaben in den vergangenen drei Monaten noch einmal zwei Millionen Euro mehr Kapital aufgezehrt als im ersten Quartal; ohne zusätzliche Mittel könnte die drohende Zahlungsunfähigkeit schon in den nächsten drei Monaten Wirklichkeit werden.

Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Seit Monaten spricht die Führungsriege um Stefan Röver von einem neuen strategischen Investor - doch der lässt sich offenbar nur schwer finden. Nun hat Röver die Investmentbank Robertson Stephens beauftragt, neue Kapitalquellen zu erschließen.

Die vorläufigen Zahlen für das zweite Quartal sind desaströs: Der Verlust kletterte auf 825 Millionen Euro, davon resultieren 735 Millionen Euro aus Sonderabschreibungen auf die vergangenes Jahr aufgekauften Unternehmen Blaze Software und Gemstone Systems. Nach Abzug dieser einmaligen Posten und ohne Zinsen, Steuern und Mitarbeiterbeteiligungen verbleibt noch immer ein Quartalsverlust von 40 Millionen Euro. Die Brokat-Aktie stürzte nach Bekanntgabe der Werte um fast 16 Prozent auf 2,25 Euro ab.

Auch die Umsätze entwickelten sich nicht wie erwartet. Ursprünglich war das Unternehmen davon ausgegangen, die Einnahmen von 43 Millionen Euro aus dem ersten Quartal etwa halten zu können. Tatsächlich belief sich der Umsatz aber auf bescheidene 28 Millionen Euro. Im Halbjahresvergleich ergibt sich ebenfalls ein düsteres Bild: Erreichte Brokat in den ersten sechs Monaten 2000 noch ein Ebitdaso (Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Mitarbeiterbeteiligungen) von minus 10,2 Millionen Euro, kletterte der Fehlbetrag im ersten Halbjahr 2001 auf 70,8 Millionen Euro.

Wie die Zukunft aussehen wird, wagt man in Stuttgart nicht zu prognostizieren. Gerüchte um eine Übernahme durch IBM oder Siemens kursieren seit Wochen, auch Oracle ist im Gespräch. Nach dem Ausscheiden von zwei Firmengründern Anfang des Jahres hat die Krise offenbar ein weiteres Opfer gefordert. Vorstandsmitglied und Chief Operating Officer Angelo Maestrini hat sein Amt niedergelegt, nach offiziellen Angaben auf eigenen Wunsch.