E-Commerce-Spezialist bereitet Zweitlisting am Neuen Markt vor

Broadvision nimmt Deutschland als größten Auslandsmarkt ins Visier

29.10.1999
MÜNCHEN - Das US-Internet-Unternehmen Broadvision Inc. mit Sitz im kalifornischen Redwood City strebt noch im November eine Notierung am Neuen Markt an. Mit diesem Schritt will die auf individualisierte Web-Applikationen spezialisierte Softwareschmiede jetzt auch in Europa ihre Erfolgsgeschichte fortsetzen.

Broadvision entwickelt für Unternehmen Tools und Plattformen, mit denen sich kundenspezifische Internet-Anwendungen für E-Commerce, Finanzdienstleistungen und Knowledge-Management gestalten lassen. "Wir bieten standardisierte Applikationssoftware für Unternehmen an, die ihr "com." ernst nehmen", definierte Francois Stieger, Vice-President European Operations, vor der Presse in München plakativ den Geschäftszweck seiner Company. "One-to-one Enterprise", "One-to-one Commerce", "One-to-one Financial" und "One-to-one Knowledge" heißen die Pakete im einzelnen, mit denen die Finanzdienstleister, der Handel, die verarbeitende Industrie sowie das Dienstleistungsgewerbe und die TK-Branche adressiert werden.

Seit dem letzten Jahr ist Broadvision profitabel

Im Geschäftsjahr 1998 kletterte der Umsatz der Kalifornier auf 50,9 Millionen Dollar - nach den 27,1 Millionen Dollar von 1997. Dieser Aufwärtstrend setzte sich auch in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres mit Einnahmen in Höhe von 41,9 Millionen Dollar fort. Weltweit zählt die 400-Mitarbeiter-Company heute über 300 Kunden, darunter Namen wie American Airlines, Andersen Consulting und Credit Suisse. Daß das 1993 vom heutigen CEO Pehong Chen gegründete Unternehmen seit letztem Jahr schwarze Zahlen schreibt, rundet den Erfolg ab - noch ist es keine Selbstverständlichkeit, daß eine (hochgejubelte) Internet-Company auch gewinnbringend arbeitet. Lag 1997 das Defizit noch bei 7,4 Millionen Dollar, konnte im letzten Geschäftsjahr ein Ertrag von vier Millionen Dollar verbucht werden. Auch in den ersten beiden Quartalen des laufenden Geschäftsjahres eilten die Kalifornier mit einem Überschuß von 6,3 Millionen Dollar wichtigen Wettbewerbern voraus.

Dazu gehören neben Unternehmen, die intern eigene One-to-one-Applikationen entwickeln, die US-Startups Vignette und ATG. Konkurrenz kommt im Bereich End-to-end-Lösungen zudem von Anbietern wie Sone, Silknet, INTW, Blue Martini - vor allem aber vom US-Giganten Microsoft, dessen Applikationsportfolio allerdings in diesem Bereich nach Auffassung von Broadvision noch Lücken aufweist. Auf Plattformebene weisen Anbieter wie Brokat, Ariba und Intershop Überschneidungen mit dem Produktportfolio von Broadvision auf.

Im "Wettlauf gegen die Zeit" (Stieger) zeigen die Kalifornier deshalb in wichtigen Märkten Flagge und sind bereits mit über 40 Niederlassungen und Händlervertretungen in den USA, Europa und Asien präsent. Der weltweite Marktanteil liegt eigenen Angaben zufolge bei rund 30 Prozent. Auf den nord- und südamerikanischen Markt entfiel dabei im letzten Jahr mit 71 Prozent der Löwenanteil des Umsatzes; Europa und der asiatisch-pazifische Raum steuerten 18 beziehungsweise elf Prozent bei.

Der Europa-Manager sieht den Markt für personalisierte Websites jedoch erst am Anfang. Das gilt insbesondere für den Alten Kontinent. Dennoch wird für das laufende Geschäftsjahr abermals eine Verdoppelung des Umsatzes angepeilt. Der Funke soll dabei vor allem auch auf den hiesigen Markt überspringen. Entfallen auf die Aktivitäten hierzulande bislang erst zwei Prozent vom Konzernumsatz, sind künftig rund zehn Prozent geplant. Deutschland soll damit hinter den USA zum zweitwichtigsten Markt für Broadvision avancieren.

Mit der geplanten Zweitnotierung am Neuen Markt Ende November wollen die Kalifornier dafür ein wichtiges Zeichen setzen. "Primär geht es uns darum, unseren Bekanntheitsgrad in Deutschland zu steigern", erklärte Stieger. An der New Yorker Nasdaq gehört das US-Unternehmen bereits heute zu den interessanten Internet-Investments. Seit Jahresanfang verdreifachte sich der Kurs auf über 124 Dollar, weshalb man momentan auch mit dem Pfund eines satten Börsenwertes von gut drei Milliarden Dollar wuchern kann.