Schlankere Produktlinien und CPU-basiertes Preismodell

Broadvision: Durchs Portal aus der Krise?

28.06.2002
MÜNCHEN (fn) - Der amerikanische Softwarespezialist Broadvision hat sein Portfolio umgebaut. Mit "One-to-One Portal", "One-to-One Commerce" und "One-to-One Content" vermarktet der Hersteller nun drei eigenständige Produktlinien. Zudem wird das in der Branche übliche CPU-abhängige Preismodell eingeführt.

Mit dem One-to-One Portal, das bisher unter dem Label "Info Exchange Portal" vermarktet wurde, können Unternehmen eigene Business-Portale errichten, die einen personalisierten Zugriff auf Informationen einrichten. Mit Personalisierungstechnik hat sich Broadvision einen Namen gemacht, vermarktete dieses Verfahren anfangs allerdings ausschließlich für E-Commerce-Sites großer Firmen. Nun versucht der wirtschaftlich angeschlagene Anbieter sein Glück im boomenden Portalmarkt. Ein neues Feature des Portals sind "Microsites": Mit ihnen können Unternehmen auf ihren Websites rasch personalisierte Kommunikationsbereiche für bestimmte Benutzer einrichten, beispielsweise eine Projektplattform für alle beteiligten Mitglieder. Workflows steuern dabei die Zusammenarbeit. In diesen Communities tauschen sich die Anwender mittels Collaborations-Funktionen, wie etwa Diskussionsforen, untereinander aus. Darüber hinaus lassen sich Microsites mit firmeneigenen sowie öffentlichen Inhalten anreichern.

An die alten Wurzeln erinnert die Software One-to-One Commerce, mit der Site-Betreiber Online-Geschäfte für Konsumenten, Firmenkunden oder Vertriebspartner bauen können. Dieses Produkt enthält die bisher separat vermarkteten Lösungen "Retail", "Business Commerce" und "Marketmaker" sowie eine neue Komponente für den indirekten Vertrieb über Channel-Partner. Ergänzt wird diese Offerte durch "E-Marketing", ein Tool zur Verwaltung von Online-Marketing-Kampagnen.

Während die genannten Produkte Ende Juni auf den Markt kommen sollen, wird es zur Freigabe des neuen Content-Management-Systems One-to-One Content noch bis zum dritten Quartal dauern. Dieses System stützt sich auf die "Bladerunner"-Technologie der im Jahr 2000 übernommenen Firma Interleaf. Die Content-Software basiert auf einem XML-Repository, das ein Multi-Channel-Publishing auf unterschiedliche Endgeräte erlaubt. Es wurde für das Management von Inhalten auf der Grundlage von XML optimiert, eignet sich aus Gründen der Performance jedoch nicht für eine direkte Web-Anbindung. Deshalb überführt ein "Content Adapter" die Daten in ein Flatfile-System, auf das der Web- beziehungsweise Applikations-Server zur Online-Präsentation zugreift. Über diesen Adapter integrieren Anwender zudem Datenbanken und auch Content-Management-Systeme anderer Hersteller. Um auch Backend-Software einzubinden, bedient sich Broadvision der Werkzeuge des Enterprise-Application-Integration-(EAI-)Experten Webmethods.

Zu den Neuerungen der Content-Software zählen eine neue Web-Oberfläche, mit der die Software besser in Portale eingebunden ist. Zudem können Autoren über die Standardschnittstelle WebDAV auf den Server zugreifen - ein Feature, das andere Hersteller schon seit einiger Zeit eingeführt haben.

Die Broadvision-Software lässt sich auf J2EE-fähigen Applikations-Servern betreiben. Commerce und Portal laufen unter Beas und IBMs Servern, an einer Zertifizierung für Oracles "9i AS" und den "Sun One Application Server" arbeitet der Hersteller noch. Der Anbieter liefert Kunden alternativ dazu den hauseigenen "Interaction Server" als Ablaufumgebung mit.

Altes und neues Pricing

Trotz technisch guter Produkte steckt Broadvision in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Auf massive Umsatzeinbrüche folgten Entlassungen: 300 von 970 Leuten mussten gehen. Im ersten Quartal 2002 beliefen sich die Umsätze auf zirka 30 Millionen Dollar, was einem Rückgang von 40 Prozent gegenüber dem letzten Kalenderviertaljahr entspricht. Zudem hat sich der Hersteller vom Neuen Markt verabschiedet und ist somit nur noch an der Nasdaq notiert. Vielleicht kurbelt ja das neue CPU-basierte Preismodell die Geschäfte an. Der für seine leistungsfähige, aber auch teure Software berüchtigte Anbieter berechnet nun für das Portal- oder Commerce-Programm 60000 Dollar pro Prozessor. Auf 40000 Dollar kommt das Content-Management-System. Dennoch hält der E-Commerce-Spezialist am alten Pricing fest, bei dem der Anwender je nach Anzahl der Kundenbeziehungen zur Kasse gebeten wird. "Obwohl wir unseren Kunden schon seit einiger Zeit das CPU-basiertes Preissystem unterbreiten, entscheiden sich viele dennoch für das Kundenbeziehungsmodell, da es in manchen Fällen günstiger kommt", erläutert Gerald Lanzerits, Vice President Central & Eastern Europe von Broadvision in Wien die Preispolitik.