Ehemaliger Sirius-Distributor überschätzte seine Finanzkraft:

Briten geben deutsche Apricot-Tochter auf

29.11.1985

MÜNCHEN - Kläglich gescheitert ist jetzt der Versuch der britischen Apricot Computers, mit einer Tochtergesellschaft in der Bundesrepublik Fuß zu fassen: Nach nur zehnmonatigem Betrieb löste der in Birmingham ansässige Mikro-Hersteller, der hierzulande früher als ACT firmierte, die Apricot Computer GmbH in München auf.

Zur diesjährigen Hannover-Messe noch hatte Apricot mit fruchtig-lockeren Sprüchen die Kundschaft auf ihr Produkt einzuschwören versucht: "Neue Computer braucht das Land" lautete die Verheißung in ganzseitigen Anzeigen überregionaler Tageszeitungen. Mit kernigen Lösungen wie "Statt Fallobst ..." und "Bei uns ist kein Wurm drin" wollten die Manager aus der grauen englischen Industriestadt offensichtlich an der mittlerweile etwas schrumpeligen Schale des Apple-Imperiums kratzen.

Doch dem PR-Wirbel folgte ein mageres Echo. Im vergangenen September beschied die deutsche Dependance der Wirtschaftspresse, der Umsatz in den ersten sechs Monaten des Bestehens läge, gemessen an den Ertragssteigerungen der Mutter in dem am 31. März beendeten Geschäftsjahr, unter den Erwartungen. 11,1 Millionen Mark hatten die Verkäufer mit den Apricot-Modellen bis dahin auf dem deutschen Markt umgesetzt.

Deutsche Tochter löst Distributoren ab

Nachdem die Briten anfänglich mit Distributoren gearbeitet hatten, wollten sie Anfang dieses Jahres Nägel mit Köpfen machen. Sie gründeten eine deutsche Tochter. Für etwa 2,5 Millionen Mark wurde die Beaugrand Datentechnik GmbH in Heusenstamm bei Frankfurt gekauft. Ein Preis, urteilen Insider, bei dem Apricot seine Finanzkraft überschätzte. Mit dem Unternehmen erwarben die neuen Herren von der grünen Insel auch den eingeführten Vertrieb für die Alphatext-Systeme.

Die Freude an der neuen Vertriebstochter dauerte nicht lange. Vor etwa fünf Wochen wurde die deutsche Zentrale im Rhein-Main-Gebiet geschlossen. 35 Mitarbeiter erhielten die Kündigung. Einige von ihnen ließen sich allerdings nicht unterkriegen und gründeten eine Service-Firma, schon um die Alphatext-Produkte weiter zu warten. Teile der Verwaltung wurde von Heusenstamm zum Münchner Stützpunkt verlegt, der damit in die Tochterrolle schlüpfte.

Damit nicht genug: Vor wenigen Tagen folgte das endgültige "Aus" für die hiesige Gesellschaft. Weitere 25 Mitarbeiter erhielten die Papiere. Der noch amtierende Deutschland-Geschäftsführer Michael Higgins scheint nicht sehr glücklich über die Entscheidung seiner englischen Vorgesetzten zu sein: "Dies ist zwar eine Maßnahme, um Kosten zu sparen. Die Engländer haben ihrer Tochter aber nie eine richtige Chance gegeben." So meint Higgins, die "Systems '85" habe guten Zuspruch gebracht, zumal jetzt endlich einige deutsche Softwareprogramme verfügbar gewesen seien.

Angefangen hatte für die Briten der Einstieg in das Computergeschäft recht verheißungsvoll. Vor etwa vier Jahren erhielt die Applied Computer Techniques (ACT) im Vereinigten Königreich die Verkaufsrechte für Chuck Peddles ersten 16-Bit-Rechner "Sirius 1" der amerikanischen Sirius-Victor. Diese Zusammenarbeit mit der US-Gesellschaft stärkte den Namen und die Firmenkasse der vormaligen Vertriebsfirma für Software.

Mit dem Handel allein aber wollte sich ACT nicht zufriedengeben. So glaubten die Manager, durch die Produktion einiger Rechner einen strammen Anteil am boomenden PC-Markt zu ergattern. Auf der Basis der bislang vertriebenen Victor-Maschine entwickelten sie ein eigenes Gerät. Mit der Einführung ihrer Kreation schraubte Apricot den Sirius-Verkauf stark zurück. Victor erlitt in England einen Markteinbruch.

Eine eigene Vertriebsorganisation in England aufzubauen, scheiterte bei Victor Technologies an der Substanz. 1983 beantragten die Amerikaner Gläubigerschutz Chapter 11 des US-Konkursrechtes. Mit einer gehörigen Portion Selbstüberschätzung, so Branchen-Insider, gab ACT dann sogar ein Übernahmeangebot für die angeschlagene Victor ab. Doch dabei blieb es. Sirius-Victor wurde bekanntlich von der schwedischen Datatronic übernommen.

82 Prozent Plus beim UK-Umsatz

Zumindest für den heimischen Markt sahen die Briten ihre Erwartungen bestätigt. Im letzten Geschäftsjahr noch steigerte ACT den Gewinn nach Steuern von 3,5 auf 5,3 Millionen Pfund Sterling. Beim Umsatz gar legte die Gesellschaft um 82 Prozent zu. Statt 50,8 Millionen Pfund im Vorjahr erzielte sie nunmehr 92,4 Millionen Pfund. Kurz nach Bekanntwerden dieses eigentlich guten Ergebnisses gaben die Kurse für ACT-Aktien um 30 auf 140 Pence nach. Nervosität beherrschte die Londoner Börse bei dem Wort Computerunternehmen.

Der Kursverlust bestätigte sich als ein Vorbote für die kommende Entwicklung. Vor etwa eineinhalb Monaten machten die kurz zuvor auf Aktionärsbeschluß in Apricot Computers umbenannten Birminghamer eine wenig verheißungsvolle Bilanz auf: Die Gewinne im ersten Halbjahr ließen zu wünschen übrig. Die Aktie notierte mit 48 Pence ihren Tiefstand. In der besten Zeit war das Papier mit 280 Pence gehandelt worden.

Bei seiner Talfahrt weiß sich Apricot nicht allein. Abgesehen von dem "Shake out" in der amerikanischen PC-lndustrie haben auch die Briten inzwischen gelernt, was es heißt, in eine schnellebige Branche zu investieren. Die mehrheitlich zu Olivetti gehörende Acorn Computer Group präsentierte kürzlich einen Verlust vor Steuern von 15,8 Millionen englischen Pfund. Der Umsatz schrumpfte um 16 Prozent. Das Schicksal, den Wünschen hinterhergelaufen zu sein, teilt ebenso die Heimcomputer-Schmiede Sinclair Research Ltd. im Universitäts-Städtchen Cambridge.

Wenig Erfolg war Apricot mit seinen Computern auf dem Kontinent beschieden. In Frankreich und vor allem in Deutschland war das Geschäft mit den englischen "Früchten eine Mißernte. Dies nicht zuletzt, weil der Rechner hier zu einer Zeit auf den Markt kam, als IBM mit seinem "PC" den Standard bereits festgeschrieben hatte. Der gute Absatz des Apricot in England resultiert nicht zuletzt aus dem späten Mikro-Einstieg von Big Blue am britischen Markt.

Darüber hinaus warf sich Apricot bei den Gehversuchen in der Bundesrepublik zunächst selber Knüppel zwischen die Beine. Für ihr erstes Engagement wählte die Gesellschaft einen dubiosen Börsenneuling, die BCT AG in Köln. Doch noch bevor die Rheinländer Konkurs anmeldeten, erkannten ihnen die Engländer die Vertriebsrechte wegen mangelnden Umsatzes wieder ab.

Rückkehr zum alten Distributor

Der nächste Schritt war ein Distributorenvertrag mit der in Brühl ansässigen Entcom Electronics GmbH & Co. KG. Bereits während der Liaison mit BCT hatte Entcom Mikros von Apricot vertrieben - schwarz importierte Computer, so heißt es, was zu einer juristischen Fehde mit den Briten führte. Ein fehlendes Softwareangebot, zumal in deutscher Sprache, machte den Vertrieb für die Leute aus Brühl nicht eben leichter.

Nach dem unrühmlichen Ende der Apricot Deutschland GmbH wird das Unternehmen erneut durch einen altbekannten Distributor in der Bundesrepublik vertreten sein, nämlich Entcom. Einige Händler haben bereits angekündigt, aus dem "Aprikosen-Geschäft" auszusteigen.