Web

Thema des Tages

Bristol-Urteil treibt Microsoft-Bewertung in schwindelerregende Höhen

19.07.1999
Thema des Tages

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nachdem am vergangenen Freitag ein US-Bezirksgericht in Bridgeport, Connecticut, Microsoft im Prozeß gegen Bristol Technologies vom Vorwurf des wettbewerbswidrigen Verhaltens freigesprochen hatte, stieg der Kurs der Microsoft-Aktien um mehr als fünf auf 99,4375 Dollar. Zusätzlich dürfte die Aktie von der angekündigten Ausgliederung der Internet-Aktivitäten des Konzerns profitiert haben. Damit erreichte die Marktkapitalisierung der Gates-Company einen Wert von mehr als 500 Milliarden Dollar, und auch das Privatvermögen von Firmenchef Bill Gates stieg über die magische Marke von 100 Milliarden Dollar. Microsoft ist das erste Unternehmen der US-Börsengeschichte, dem es gelang, die 500-Milliarden-Schallmauer zu durchbrechen. Mitte September 1998 hatte das Softwareimperium

erstmals General Electric als teuerstes US-Unternehmen abgelöst und hat den Mischkonzern (aktuelle Marktkapitalisierung: 389 Milliarden Dollar) inzwischen weit hinter sich gelassen.

In dem Verfahren, dem kleinsten der drei Antitrust-Prozesse, mit denen sich Microsoft derzeit herumschlagen muß, hatte Bristol dem Softwareriesen vorgeworfen, er habe anfänglich sein Produkt "Wind/U" unterstützt, mit dem Windows-Programme unter Unix lauffähig wurden. Nachdem sich allerdings Windows NT am Markt etabliert hatte, habe Microsoft die Lizenzgebühren drastisch erhöht und technischen Support verweigert. Bristol forderte vor allem Zugang zu bestimmten Teilen des Quelltextes von Windows NT, um Wind/U entsprechend anpassen zu können.

Die Gates-Company habe Bristol zuerst ausgenutzt, um sich Zugang zum Markt für technische Workstations und Server-Betriebssysteme zu verschaffen. Als dieser erreicht gewesen sei, habe sie den Starthelfer wie eine heiße Kartoffel fallen lassen und die eigene Marktmacht ausgenutzt, um den Konkurrenten auszubooten. Microsoft hatte alle Vorwürfe von sich gewiesen und behauptet, Bristol habe die Klage vor allem in der Hoffnung auf eine üppige Schadenersatzzahlung - gefordert wurden 263 Millionen Dollar - eingereicht, statt den Lizenzvertrag um den NT-Quellcode einfach neu zu verhandeln. Die Gates-Company hatte Bristol außerdem eine Reihe von Copyright-Verletzungen vorgeworfen.

Die achtköpfige Jury in Connecticut sprach Microsoft nun von allen Vorwürfen frei. Nachgewiesen wurde lediglich ein Verstoß gegen lokale Handelsbestimmungen. Diesen hielt das Gericht aber offensichtlich für unbedeutend, denn es verdonnerte die Gates-Company in diesem Zusammenhang lediglich zur Zahlung eines einzigen symbolischen Dollars.

"Wir danken dem Gericht und sind hoch erfreut über den Ausgang des Verfahrens", erklärte Microsoft-Anwalt Tom Burt. "Das Urteil ist ein Sieg für die gesamte Softwareindustrie. Es stärkt die Position von Herstellern, ihr geistiges Eigentum zu fairen und angemessenen Bedingungen an Dritte zu lizenzieren." Denn schließlich, so Burt, habe Bristols Hauptkonkurrent, die kalifornische Company Mainsoft, Microsoft-Technik zu genau den Bedingungen in Lizenz genommen, die Bristol abgelehnt hatte.

Trotz des am Kurssprung deutlich abzulesenden psychologischen Erfolgs für Microsoft bleibt der Ausgang der beiden übrigen laufenden Kartellverfahren gegen Microsoft (Kläger: Caldera sowie das US-Justizministerium und 19 US-Bundesstaaten) weiterhin offen. "Dies ist für Microsoft sicher ein willkommener Sieg, beendet aber nicht seine Antitrust-Probleme", meint etwa John Lopatka, Jura-Professor an der University of South Carolina. "Es ist zwar denkbar, daß Microsoft auch die restlichen Verfahren gewinnt - aber nicht wegen dieses Urteils."