Nach dem Gericht wird die Öffentlichkeit angerufen

Bristol stellt Verträge mit Microsoft ins Web

20.08.1999
MÜNCHEN (CW) - Nach dem verlorenen Rechtsstreit hat Bristol Technologies zähneknirschend das umstrittene Lizenzabkommen mit Microsoft unterzeichnet, um seine Existenzgrundlage nicht zu verlieren. Nun werden die nach wie vor als unfair empfundenen Konditionen des Windows Interface Source Environment (Wise) im Internet an den Pranger gestellt.

Verblüffend an dem Web-Dokument ist, daß es sich nicht um den eigenen Vertrag handelt, sondern um die Vereinbarung, die der Mitbewerber Mainsoft unterschrieben und als "vernünftig" bezeichnet hat (www.bristol.com/mainsoftagreement/index.html). Diese Einschätzung lieferte dem Richter das Hauptargument dafür, die Klage von Bristol gegen Microsoft abzuweisen. Nun wollen die Softwerker offensichtlich die Öffentlichkeit darüber urteilen lassen, wie fair der Vertrag tatsächlich ist und ob auf dieser Basis eine Weiterentwickung von NT-Techniken für Unix-Plattformen möglich ist.

Eine eindeutige Meinung dazu hat das branchenkritische Online-Magazin "The Register". Dort wird das Wise-Abkommen als Trojanisches Pferd bezeichnet, dessen Aufgabe es gewesen sei, die Unix-Welt mit Windows-Techniken zu unterminieren. Tatsächlich ist es Unternehmen wie Bristol, Mainsoft und der Software AG durch die Offenlegung des Quellcodes von Windows NT gelungen, Microsoft-Programme auf Betriebssystemen wie Unix, Open VMS oder OS/390 lauffähig zu machen. Zugleich haben die Microsoft-Partner dem Erfolg konkurrierender Konzepte wie Wabi und auf Netzebene der Java-Schnittstellen Grenzen gesetzt. Anbieter, die jedoch darauf gehofft haben, Wise könnte ein offener Standard für eine langfristige Produktplanung darstellen, sehen sich laut "The Register" getäuscht, und statt mit dem Zugang zu allen wesentlichen Funktionen mit einem rudimentären Angebot abgefertigt.

In der von Mainsoft unterzeichneten Vereinbarung fehlen die Rechte für den Zugriff auf viele NT-Neuerungen, die Windows-Techniken auch künftig auf Unix-Systemen attraktiv machen könnten. Dazu gehören zentrale Komponenten wie Active Directory, Active X, Data Objects, DCOM, COM+, ODBC, OLE DB, Direct X, Active Server Pages, das Telefony-API, eine Reihe von Sicherheitsfeatures und vor allem Funktionen für Druck, Multimedia und verteile DV, wie sie für Windows 2000 geplant sind.

Diese Einschränkungen sind "nicht so schlimm, wie sie klingen", zitiert der britische Branchendienst den Mainsoft-Chef Ivor Share. Mainsoft bekomme von Microsoft, was zum Arbeiten nötig sei. So habe man das vertraglich eigentlich ausgeschlossene Active Directory für Cisco auf Unix portiert.

Die Darmstädter Software AG, die DCOM auf Unix- und Mainframe-Systeme portiert hat, unterliegt eigenen Angaben zufolge nicht den Wise-Konditionen, weil man schon länger auf diesem Gebiet mit Microsoft zusammenarbeite, als es diese Verträge gebe.