Brennpunkt Honorar: "Jeder muss seine Schmerzgrenze kennen"

20.10.2006
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.
Thomas Goetzfried, Vorstand des Beratungshauses Goetzfried AG, spricht mit Ina Hönicke über Stundensätze, Margen und Freiberufler-Weisheiten.

CW: Erholen sich die Stundensätze der IT-Freelancer zurzeit?

Goetzfried: Ja, sie erholen sich in allen Bereichen. Für SAP-Spezialisten und Java-Entwickler muss heute mehr als noch vor einem Jahr bezahlt werden. Das steht zwar aktuell noch im Gegensatz zu der geringen Bereitschaft der Kunden, höhere Preise in diesem Bereich zu akzeptieren. Aber der Trend zeigt klar nach oben.

CW: Wie häufig mussten Sie schon einem Freiberufler den zuvor vereinbarten Stundensatz kürzen, weil der Endkunde sein laufendes Budget reduziert hat?

Goetzfried: Zwischen 2001 und 2005 war das leider häufig erforderlich, in letzter Zeit aber nur selten. Budgetkürzungen sind zurzeit wesentlich seltener als während der Konjunkturschwäche.

CW: Wirken sich die Budgetkürzungen des Kunden auch auf Ihre eigene Marge aus?

Goetzfried: Ja, das tut es. Die Situation ist ohnehin unangenehm, denn schließlich sind die Konditionen vertraglich festgelegt. Wenn dann im Laufe des Einsatzes die Not so groß wird, dass der Kunde auf der Reduktion des Stundensatzes besteht, tragen wir davon mindestens die Hälfte aus unserer Marge.

CW: Wie viel bleibt für einen Freiberufler übrig, wenn der Vermittler 80 Euro herausgehandelt hat?

Goetzfried: Das hängt von vielen Faktoren wie Volumen und den Leistungen des Vermittlers ab. Im Normalfall bewegt sich die Marge des Vermittlers zwischen zehn und 20 Prozent.

CW: Macht es für einen Freiberufler Sinn, sich zu einem niedrigeren Stundensatz anzubieten?

Goetzfried: Ja, in einem vertretbaren Rahmen kann das Sinn machen. Geld ist nicht alles - das gilt auch für Freiberufler. Wenn das Projekt beispielsweise inhaltlich spannend, der Auftraggeber attraktiv oder der Einsatzort besonders gut zu erreichen ist, kann der Freiberufler einen Kompromiss eingehen. Jeder muss für sich entscheiden, wann seine Schmerzgrenze erreicht ist.

CW: Also stimmt die alte Freiberufler-Weisheit: Was nichts kostet, das taugt auch nichts?

Goetzfried: In der Regel stimmt das. Aber ich würde mir die Regel nicht zum Prinzip machen, denn auch hier gibt es Ausnahmen. Grundsätzlich gibt es für eine bestimmte Leistung mit einer bestimmten Dauer an einem bestimmten Einsatzort einen Marktpreis. Wenn man bei einem Bewerber eine deutliche Abweichung nach unten hat, schaut man schon genau hin, warum er sich "unter Markt" verkauft. (am)

* Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.