Wirtschaftliche Migration war gefordert

Braun AG setzt auf Frame Relay für weltweites Internetworking

27.06.1997

Bisher hat die Braun AG für klassische Anwendungen im Bereich der Terminal-zu-Host-Kommunikation in einem AS/400-Umfeld ein X.25-Netz benutzt. Die Bereitstellung erfolgte durch den internationalen Partner British Telecom (BT). Diese Netzstruktur bildet die Grundlage für das Internetworking an den einzelnen Standorten.

Die Einführung zusätzlicher Anwendungen wie E-Mail und insbesondere SAP R/3 erforderte eine neue skalierbare Infrastruktur für das Internetworking, die möglichst auch wirtschaftliche Vorteile bringen sollte. Bei der Planung der Netzwerkarchitektur erwog die Firma als Alternativen Festverbindungen und Frame Relay. Über Festverbindungen hatten die Braun-Werke bereits in Deutschland, Spanien und Irland eine Sprach-Daten-Integration mittels Zeitmultiplexern realisiert.

Allerdings hatte die Lösung mit Festverbindungen den Nachteil, daß für einige Zielländer kein abgestuftes Angebot für die Übertragungswege existierte und dadurch der Geschwindigkeitssprung von 64 Kbit/s auf 2 Mbit/s einfach zu groß war. Die Entscheidung für den Frame-Relay-Dienst fiel im Hinblick auf die hohe Anzahl der anzuschließenden kleineren Lokationen, eine wesentlich bessere Skalierbarkeit und die Multiprotokoll-Fähigkeit, zum Beispiel für IP, IPX, SNA sowie X.25. Als weltweiten Vertragspartner wählte Braun den amerikanischen Carrier MCI Communications. Die Kundenbetreuung und der Support erfolgen in Deutschland durch den lokalen Partner Viag Interkom.

In Kronberg speist Braun im Rahmen des globalen Dienstes Concert Virtual Network Service (CVNS) im Zugangsbereich Sprache und Daten gemeinsam über eine 2 Mbit/s-Multiplex-Verbindung in das Virtuelle Private Netzwerk (VPN) der Viag Interkom ein. Da sich die Integration der beiden Kommunikationsformen bewährt hat, soll das Konzept schrittweise auch auf andere Standorte ausgedehnt werden. Derzeit stehen jedoch im Hinblick auf die Kapazität innerhalb des Carrier-Netzes für die beiden Dienste noch separate Plattformen zur Verfügung.

Die Braun AG nutzt Frame Relay inzwischen für sämtliche Bereiche der Datenkommunikation. Tobias Frank, Manager Network and Communication Technologies, zählt auf: Neben der die neue Struktur auslösenden SAP-R/3-Anwendung kommunizierten im Konzern rund 12000 Mitarbeiter per E-Mail weltweit miteinander. Über das unternehmensweite Intranet werde der Zugriff auf Dokumentationen und Diskussionsforen bereitgestellt, außerdem zahlreiche Datenapplikationen und sämtliche Novell-Dienste.

Das produktive Frame-Relay-Netz zur Verbindung der weltweit verteilten insgesamt 42 Standorte gliedert sich in die folgenden drei Hierarchiestufen: Kernnetz (Core), Access I (Hub Sites) und Access II (Cascaded Sites).

Um eine möglichst hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, wird das komplette Frame-Relay-Netz durch ein "Schattennetz" in Form von ISDN-Backup-Wählverbindungen unterstützt. Zur Realisierung dieses redundanten Konzeptes hat Braun gemeinsam mit dem Router-Hersteller Cisco und dem Netzbetreiber MCI/ Viag Interkom eine speziell dafür geeignete Anpassungsentwicklung vorgenommen.

Die beiden getrennt geführten und voneinander unabhängigen Transportnetze verwenden eigene Router und können dadurch auch separat betrieben werden. Den zusätzlichen Aufwand durch die doppelte Beschaffung von Routern an 30 von den 42 Standorten begründet die Firma mit der hohen Abhängigkeit von der Verfügbarkeit des Datennetzes.

Das Netzwerk-Redesign mit dem Projektnamen "Frantic" (Frame Relay Network Redesign and Topology Improvement Concept) erfolgte von Januar bis August 1996. Im August 1996 stellte ein Expertenteam an nur einem Wochenende das gesamte Netz um. Die Herausforderung lag dabei darin, daß es keinen Weg zurück gab. Das Team von zehn Experten mußte während der Wochenendaktion rund 6000 Netzadressen ändern. Bis auf einige geringfügige Probleme war die neue Netzwerk-Infrastruktur am darauffolgenden Montag betriebsbereit.

Als wirtschaftliche Aspekte, die für den gewählten Netzwerkbetrieb mit Frame Relay sprechen, nennt Tobias Frank die folgenden Punkte:

-Concert-Dienste basieren auf einer weltweit homogenen Infrastruktur mit einer einheitlichen technischen Plattform;

-die möglichen Anschlußraten sind im Bereich von 64 Kbit/s bis 512 Kbit/s skalierbar, wobei eine schnelle Änderung der Committed Information Rate (CIR) bei Bedarf von vier bis 64 Kbit/s jederzeit möglich ist;

-die Betriebskosten für Frame Relay liegen im Vergleich zu den Kosten von Festverbindungen bei rund 50 Prozent;

-neue Verbindungen lassen sich innerhalb weniger Tage installieren - bei Festverbindungen dauert es erfahrungsgemäß mehrere Wochen bis Monate;

-für Fragen zum Betrieb und insbesondere im Fehlerfall gibt es nur einen Ansprechpartner;

-die Migration von X.25 zu Frame Relay gestaltete sich durch die Unterstützung von MCI einfach.

Die Verfügbarkeit des gesamten Netzes unterliegt ständiger Überwachung. Die regelmäßigen Messungen von Antwortzeiten über eigene Referenzapplikationen und die aktuelle Auslastung liefern aussagefähige Daten, die sich zur fallweisen Optimierung des Netzes heranziehen lassen. Die Router selbst werden mit Hilfe des Simple Network Management Protocol (SNMP) von Ende zu Ende verwaltet. Im Fehlerfall können so die SAP-R/3-Sessions weiter laufen.

Braun AG

Die Brau AG mit der Unternehmenszentrale in Kronberg gehört seit 1967 zur The Gillette Company mit Sitz in Boston, USA. Das angebotene Sortiment von Elektrokleingeräten umfaßt rund 200 verschiedene Produkte. Braun beschäftigt weltweit 8500 Mitarbeiter, produziert täglich etwa 150 000 Geräte und erzielt damit einen Umsatz von 2,3 Milliarden Mark. Für die wichtigsten Absatzmärkte in Europa, Nordamerika und Japan unterhält das Unternehmen neben den drei Produktionsstätten in Deutschland weitere Fabriken in Irland, Frankreich, Spanien, Mexiko und China. Ein Großteil der Datenkommunikation wird weltweit über ein leistungfähiges Frame-Relay-Netz des amerikanischen Langstrecken-Carriers MCI abgewickelt. Die Kundenbetreuung und der Support erfolgen in Deutschland durch den lokalen Partner Verlag Interkom.

Angeklickt

Weil sie Anwendungen wie E-Mail oder SAP-R/3-Applikationen einf+hren wollte, entschied sich die Braun AG, ihr X.25-Netz durch eine skalierbare Infrastruktur zu ersetzen. Festverbindungen verwarf die Company als Alternative und gab einer Frame-Relay-Lösung des Carriers MCI den Vorzug. Obwohl die Migration an einem einzigen Wochenende über die Bühne ging, verlief sie ohne größere Schwierigkeiten. Für die Brau AG hat eine hohe Verfügbarkeit des Netzes besondere Priorität. Deswegen war das Unternehmen beriet, erhöhte Anschaffungskosten in Kauf zu nehmen, um das Frame-Relay-Netz durch ein redundantes Netz in Form von ISDN-Backup-Wählverbindungen zu ergänzen. Wirtschaftliche Aspekte spielten bei der Entscheidung für Frame-Relay ebenfalls eine Rolle.

*Gerhard Kafka ist Journalist und Telekommunikationsberater in Egling.