Umstrittene Bitkom-Initiative

Brauchen wir eine deutsche Cloud?

15.03.2010
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

T-System-Initiative mit geschlossenem Teilnehmerkreis

Reinhard Clemens, Vorstand der Deutschen Telekom und CEO von T-Systems. "Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, den IT-Standort Deutschland im Geschäft mit Cloud Computing richtig zu positionieren."
Reinhard Clemens, Vorstand der Deutschen Telekom und CEO von T-Systems. "Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, den IT-Standort Deutschland im Geschäft mit Cloud Computing richtig zu positionieren."
Foto: Reinhard Clemens

Verstärkt wurden die Irritationen durch einen Vorstoß von T-Systems. Die Telekom-Tochter hat das Thema deutsche Cloud auf die Agenda gesetzt. "Wir haben uns dazu im kleinen Kreis mit deutschen Anbietern getroffen, um zusammen eine Initiative zu starten", erläuterte Reinhard Clemens, Vorstand der Deutschen Telekom und CEO von T-Systems. "Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, den IT-Standort Deutschland im Geschäft mit Cloud Computing richtig zu positionieren."

Gespräche hat T-Systems beispielsweise mit GFT, SAP und der Software AG geführt. Mit ihnen hat die Telekom-Tochter unter anderem die Frage erörtert, wie sich in Deutschland Leuchtturm-Projekte starten lassen. In diesem Szenario will die Telekom eine nationale Cloud-Infrastruktur schaffen, die Partner mit ihren Applikationen und Services veredeln. "Was liegt näher, als mit anderen deutschen Anbietern zu kooperieren?", fragt Clemens. "Als Marktführer und als wichtiger Player im deutschen Markt kann T-Systems solche Themen besetzen und vorantreiben."

Der Bitkom ist spät dran

Die Telekom-Tochter hat damit den Bitkom unter Zugzwang gesetzt. Der Verband sieht sich zwar in der Pflicht, den IT-Standort Deutschland mit nationalen Initiativen zu stärken, darf darüber aber nicht die Interessen seiner internationalen Mitglieder aus den Augen verlieren. Zudem konkurriert der Bitkom mit dem europäischen Verband EuroCloud, der seit Ende 2009 auch einen nationalen Ableger in Deutschland hat. Die Interessengemeinschaft arbeitet mit Hochdruck daran, die Rahmenbedingungen für das Cloud Computing zu verbessern (siehe Kasten "EuroCloud").

Besonders den Themen Vertrauen und Sicherheit haben sich alle Marktteilnehmer verschrieben. Die aktuellen Diskussionen in der Öffentlichkeit um die gestohlenen Bankdaten in der Schweiz und dazu, wie etwa Google Street View mit persönlichen Daten im Internet umgeht, haben die Branche sensibilisiert. Auch Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hat das Thema kurz vor der CeBIT in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" aufgegriffen und einen intransparenten Umgang mit Daten bei Facebook, Apple, Google oder Microsoft beklagt.

Die europäische Initiative EuroCloud

Neben dem Bitkom bemüht sich die europaweite Initiative EuroCloud darum, den Anbietern und Anwendern einen verlässlichen gesetzlichen, vertraglichen, technischen und qualitativen Rahmen für das Cloud Computing zu geben.

- Ziel von EuroCloud ist es, die Cloud-Aktivitäten europaweit zu koordinieren und voranzutreiben.

- EuroCloud soll auch Lobby-Aufgaben gegenüber der EU-Kommission übernehmen, um etwa rechtliche Rahmenbedingungen für die junge Industrie zu schaffen.

- Die deutsche EuroCloud-Organisation ist dem eco Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. angegliedert und hat derzeit vier Arbeitsgruppen:

o Recht und Compliance: Auch wenn Betreiber Services außerhalb der Landesgrenzen bereitstellen, müssen sie deutsche Rechtsvorgaben und Regulierungen beachten.

o Cloud-Managed-Services erarbeiten Lösungen für technische Fragen wie etwa nach SLAs, Abrechnungen und Freischaltungen.

o SaaS-Gütesiegel: Ein herstellerunabhängiges Zertifikat soll Vertrauen schaffen.

o Interoperabilität und Standards werden gebraucht, damit Kunden die Cloud-Dienste verschiedener Provider miteinander verknüpfen können.