4 Faktoren

Brauchen Sie Private 5G - oder nicht?

Kommentar  05.05.2022
Von 

Tom Nolle ist President der CIMI Corporation, einem in den USA ansässigen Beratungsunternehmen. Seine Projekte haben ihn rund um die Welt geführt und mit nahezu jeder Netzwerktechnologie in Berührung gebracht.

Private 5G ist eine Hype-Thema. Wir zeigen Ihen vier Faktoren, die Sie bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen sollten.
Auf Private 5G zu setzen, markiert einen großen Schritt. Dabei spielen unter anderem Devices, Datenschutz und Wireless-Infrastruktur eine Rolle.
Auf Private 5G zu setzen, markiert einen großen Schritt. Dabei spielen unter anderem Devices, Datenschutz und Wireless-Infrastruktur eine Rolle.
Foto: KanawatTH - shutterstock.com

Über die Einführung privater 5G-Netze in Unternehmen gab es in letzter Zeit viel zu lesen. Dabei konnte der Eindruck entstehen, dass ein Unternehmen ohne Private 5G nicht mehr state of the art geführt wird. Doch stimmt das wirklich? Oder gibt es Gründe, die gegen einen Einsatz sprechen? Letztlich sollten bei der Wahl der passenden drahtlosen Netzwerktechnologie vier Faktoren berücksichtigt werden: die Devices, Verbreitung/Roaming, Datenschutz und Einsatzzweck.

5G ist eine zellulare Netzwerktechnologie, die primär von TK-Unternehmen verwendet wird. Aber auch Unternehmen können entsprechendes Equipment kaufen, um eigene, private 5G-Netze aufzubauen. Oder sie greifen auf eines der gehosteten 5G-Angebote von Cloud-Providern, Systemhäusern etc. zurück. Zudem sollte bei alle Private-5G-Euphorie nicht vergessen werden, dass es auch die Option gibt, private, virtuelle 4G/LTE-Netze zu nutzen oder auf das weitverbreitete Wi-Fi zurückzugreifen. Deshalb sollten bei der Entscheidungsfindung Pro oder Contra Private 5G die vier oben genannten Faktoren berücksichtigt werden.

Mobile Geräte

Beginnen wir mit den Geräten. Die erste Frage, die man sich stellen sollte, lautet: Möchte ich Smartphones, mobile Tablets oder mobile IoT-Geräte mit meinem Drahtlosnetzwerk nutzen und eine Sitzung aufrechterhalten, während ich mich bewege? Falls die Antwort auf diese Frage "Nein" lautet, dann wird ein privates 5G-Netz keine großen Vorteile bringen. Alle privaten Drahtlostechnologien bauen Netzwerke aus kleinen Zellen auf. Der große Vorteil von 5G oder 4G/LTE besteht darin, dass sie eineVerbindung aufrechterhalten wird, wenn zwischen den Zellen gewechselt wird - genau wie im öffentlichen Netz. Wenn sich die Geräte, die zum Einsatz kommen, nicht viel bewegen, spielt diese Fähigkeit keine Rolle.

Also ist Private 5G erforderlich, wenn sich die Devices ständig bewegen? Nicht so schnell. Zunächst einmal ist die 4G/LTE-Technologie auch in privater Form verfügbar, und jeder, der Private 5G in Betracht zieht, sollte sich die "ältere" Funktechnologie genau ansehen. Spielt die höhere Download-Geschwindigkeit von 5G keine Rolle, sollten Unternehmen sich für das günstigste Angebot entscheiden.

Roaming

Beachten Sie jedoch, dass ich sagte, 5G könnte einen Unterschied machen. Das bringt uns zum zweiten Punkt unserer Überlegungen, der Verbreitung bzw. dem Roaming. Es ist wichtig, ob sich die Geräte bewegen, aber es ist auch wichtig, wie groß die Streuung der Geräte ist. Betrachten Sie die Extreme: Haben Sie ein Gebäude, das Sie drahtlos verbinden wollen, oder wollen Sie eine Verbindung über ein ganzes Land oder einen ganzen Kontinent?

Für Private 5G sprechen viele Gründe wie etwa Privacy. Doch vor einer Entscheidung sollten Sie prüfen, ob sie die neue und deshalb noch teure Technik wirklich benötigen.
Für Private 5G sprechen viele Gründe wie etwa Privacy. Doch vor einer Entscheidung sollten Sie prüfen, ob sie die neue und deshalb noch teure Technik wirklich benötigen.
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Wenn lediglich mobile Sitzungen innerhalb eines Gebäudes zu unterstützen sind, dann ist 5G oder sogar 4G/LTE zu viel des Guten. Es gibt eine Reihe von Wi-Fi-Anrufanwendungen, die für Sprach- oder Videoanrufe geeignet sind. Wi-Fi-Roaming ist außerdem eine etablierte Strategie, die in Wi-Fi 802.11k, 802.11r und 802.11v standardisiert ist. Wi-Fi 6 unterstützt zudem OpenRoaming, mit dem Sie zwischen Wi-Fi-6-Netzen und 5G-Netzwerken roamen können.

Das ist wichtig für das andere Extrem unserer Ausbreitungsbetrachtung. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand ein nationales oder multinationales privates Wi-Fi-Netz aufbaut, außer vielleicht eine Regierungsbehörde. Je weiter Ihr gewünschter drahtloser Abdeckungsbereich verstreut ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Sie für einen Teil oder den größten Teil davon auf eine Art öffentliches Netz angewiesen sind. Das bedeutet nicht, dass Sie auf Wi-Fi in Ihren Einrichtungen verzichten müssen, hat aber die Konsequenz, dass Sie Wi-Fi 6 und OpenRoaming benötigen.

Dass das öffentliche 5G-Netz und Wi-Fi 6 OpenRoaming alle Ihre privaten WLAN-Probleme lösen, ist aber ein Trugschluss. Ein Bereich, in dem Private 5G immer noch nützlich sein kann, liegt zwischen unseren beiden Extrembeispielen. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen sehr großen Hochschulcampus oder vielleicht ein großes Logistikzentrum mit Ladehof oder gar einen hochautomatisierten großen Bauernhof. Wi-Fi 6 hat im Vergleich zu Private 5G eine sehr kurze Reichweite, so dass es in großen Gebieten schwierig oder unmöglich sein kann, eine einheitliche Wi-Fi-Abdeckung zu gewährleisten.

Schutz sensibler Kommunikation

Warum also nicht einfach bei öffentlichem 5G bleiben? Das führt uns zum nächsten Punkt, nämlich dem Datenschutz. Einige Unternehmen müssen Kommunikation unterstützen, die vollkommen geschützt ist und überhaupt nicht in einem offenen Netzwerk stattfinden soll. Private 5G mag dafür eine gute Option sein, aber vergessen Sie nicht die Frage des Umfangs. Wenn Sie Sprachanrufe schützen müssen, ist es vielleicht klüger, eine verschlüsselte Anwendung für öffentliche drahtlose Verbindungen zu verwenden. Datenverbindungen können in der Regel auf Anwendungsebene verschlüsselt werden, was ausreichenden Schutz für Downloads, VPN-Zugang usw. bieten sollte.

Bei der Privatsphäre geht es jedoch nicht nur um Sicherheit. Sie stellt auch sicher, dass Sie nicht mit anderen um Ressourcen konkurrieren. Öffentliches 5G könnte immer noch zu blockierten Anrufen und Kapazitätsbeschränkungen führen. Am wahrscheinlichsten ist dies jedoch in Ballungszentren, also genau dort, wo Private 5G mit Frequenzkonkurrenz konfrontiert sein dürfte. Eine Option ist Network Slicing, ein 5G-Dienst, mit dem ein Unternehmen eine Art VPN aus 5G-Ressourcen aufbauen kann. Slicing ist derzeit noch nicht weit verbreitet, aber es wird ausgebaut.

Der Einsatzzweck

Die letzte unserer vier Überlegungen ist der eigentliche Einsatzzweck des Netzes. Es ist nie eine gute Idee, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren, aber im Netzwerkbereich ist es eine sehr schlechte Idee. Am besten fängt man mit einer einfachen Frage an: "Will ich irgendetwas anders machen, als ich es jetzt tue?" Wenn die Antwort "Nein" lautet, dann funktioniert Ihre derzeitige Drahtlostechnologie wahrscheinlich und Sie sollten einen guten Grund für eine Änderung haben.

Selbst wenn Sie in Zukunft etwas anderes machen wollen, müssen Sie sich fragen, warum Sie glauben, dass Ihre derzeitige Technologie diese neue Aufgabe nicht unterstützen kann. Jede Entscheidung für einen radikalen Technologiewechsel - und täuschen Sie sich nicht: Private 5G ist ein radikaler Wechsel - muss mit der Begründung beginnen, warum ein Wechsel notwendig ist. Vergewissern Sie sich, dass Sie das können, bevor Sie eifrigen Anbietern, die Ihnen Private 5G verkaufen wollen, nachgeben. Ansonsten könnten Sie Ihre Entscheidung bereuen. (hi)

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation Network World.