Branchenverband Bitkom schlägt Alarm

13.03.2001
Von Entspannung auf dem IT-Arbeitsmarkt könne in den nächsten Jahren keine Rede sein. Zu diesem Schluss kommt der Branchenverband Bitkom in seiner jüngsten Studie. So sollen in Deutschland in zwei Jahren 723 000 Fachkräfte in den Bereichen Informationstechnik, Telekommunikation, E-Business und Call-Center fehlen.

Bereits in diesem Jahr geht der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) von einer Nachfrage nach 2,95 Millionen IT-, TK-, E-Business und Call-Center-Spezialisten in Deutschland aus. 444 000 dieser Stellen sollen heute nicht besetzt werden können. Damit ist der Fachkräftemangel in Deutschland im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern am höchsten. In den nächsten beiden Jahren soll sich die Qualifikationslücke sogar auf 723 000 fehlende Experten vergrößern. In Europa soll sich die Zahl von derzeit 1,9 Millionen auf 3,8 Millionen fehlende Spezialisten bis zum Jahr 2003 verdoppeln. Somit werde ein potenzielles Wirtschaftswachstum von bis zu drei Prozent „verschenkt“.

„Die Ergebnisse unserer Untersuchung sind beunruhigend. Jede sechste Stelle bleibt frei“, warnt Bitkom-Vizepräsident Jörg Menno Harms. Der deutsche Branchenverband hat zusammen mit seiner europäischen Dachorganisation European Information Technology Observatory (Eito) und dem Marktforschungsunternehmen IDC den Fachkräftemangel in Europa analysiert. Den enormen Bedarf an Fachkräften erklärt die Studie mit dem starkem Wachstum im IuK-Markt und der weiter steigenden Nachfrage nach E-Business-Lösungen. Besonders Anwenderunternehmen wie Banken, Versicherungen oder das Produzierende Gewerbe investierten in digitale Geschäftsprozesse und bräuchten IT-Know-how. Dazu Harms: „Auf einen Arbeitsplatz in der IT-Branche kommen künftig zwei Arbeitsplätze auf der Anwenderseite.“

Noch vor zwei Jahren gingen die Verbände davon aus, dass sich die Personalnot in der IT-Branche auf 75 000 bis 100 000 Experten beläuft. Dass der Bitkom mittlerweile mit viel höheren Zahlen jongliert, liegt auch an der Definition der gesuchten Fachkräfte. So wird zum ersten Mal zwischen ITK- und E-Business-Spezialisten unterschieden. Zu den Ersteren gehören Berufsbilder wie Nachrichtentechniker, Programmierer, Systemadministratoren, IT-Berater und Fachkräfte in der Hardwareproduktion. Zu der zweiten Gruppe zählen alle Beschäftigten, die in den Bereichen Web-Marketing, E-Government und E-Commerce tätig sind.

Hier geht der Bitkom von einer rapide steigenden Nachfrage aus: So sollen in Europa im E-Business-Sektor 3,5 Millionen neue Jobs bis 2003 entstehen, von denen jede dritte Stelle aber nicht besetzt werden kann. Ein enormes Wachstumspotenzial prophezeien die Experten auch dem Call-Center-Markt. Demnach soll es in zwei Jahren bereits 30 000 Call-Center in Europa geben, die 2,58 Millionen neue Mitarbeiter benötigen. Die Personalnot halte sich aber hier in Grenzen, da die Qualifikationsanforderungen an Call-Center-Agenten gering seien und die Bildungssysteme mit diesem Wachstum Schritt halten können.

Reformiert werden müsse dagegen die Ausbildung der IT-Spezialisten. Laut Harms sind in Deutschland nach wie vor Studienzeiten wie Studienabbrecherquoten zu hoch. Zudem gebe es zu wenig „modulare Studienangebote in Baukastenform“. Nur durch eine neue Bildungspolitik könne der Mangel langfristig beseitig werden. Maßnahmen wie die Green Card könnten diesen nur kurzfristig lindern.