Branchenkenner befuerchten Versorgungsengpaesse Fuehrt Erdbebenkatastrophe in Japan zu kraeftigem Preisanstieg?

03.02.1995

MUENCHEN (CW) - Das Erdbeben, das das japanische Industriezentrum um Kobe, Osaka und Hyogo heimsuchte, traf die dort niedergelassenen Technologiekonzerne unterschiedlich hart. Fuehrende Halbleiterlieferanten koennen ihre Produktion noch nicht wieder aufnehmen. Deshalb werden erste Befuerchtungen laut, dass PC- Hersteller wegen Engpaessen bei Speicherchips sowie Peripheriekomponenten die Preise deutlich erhoehen koennten.

Besorgt aeusserte sich zumindest Winfried Hoffmann in einem Gespraech mit der Agentur "vwd": Der Vorsitzende der Geschaeftsfuehrung der Aquarius Systems International GmbH aus Bad Homburg glaubt, es werde zu gewaltigen Versorgungsluecken bei DRAM-Chips kommen. Schon jetzt wuerden Einkaeufer beginnen, sich auf Vorrat einzudecken. Die Verknappung werde erhebliche Auswirkungen auf die Preise nicht nur von Speicherbausteinen, sondern auch von Grafik- und anderen Erweiterungskarten haben.

Gelassener gibt sich dagegen Intel, obwohl es Zulieferer Sumitomo ziemlich schlimm erwischte. Die Sumitomo Sitix Corp., der Welt drittgroesster Waferfabrikant, versorgt die Amerikaner sowie ungefaehr die Haelfte der japanischen Silizium-Unternehmen mit dem Basismaterial fuer die Wafer-Produktion. Groesster Einzelkunde ist Intel. Wegen der erheblichen Schaeden an dem Werk in Amagasaki City in der Kobe-Osaka-Region wird die Produktion in eine Fabrik in Kyushu verlegt. Intel, so ein Firmensprecher, beschaeftige allerdings neben Sumitomo noch zwei weitere Zulieferer, weshalb man nicht die Gefahr von Nachschubproblemen saehe. Yoshiro Shimada, Analyst der Dataquest Japan K.K., glaubt hingegen, dass die Schaeden bei Sumitomo zu einer Versorgungsluecke bei Wafern fuehren kann.

Sanyo Electric und die Sharp Corp., beide mit Hauptsitz im rund 60 Kilometer von Kobe entfernten Osaka, glauben, relativ schnell wieder in Produktion gehen zu koennen. Gleiches gilt fuer die NEC Corp., auch in deren Fabrikhallen wird die Fertigung schon in Kuerze wieder aufgenommen.

Mehr Glueck hatte offenbar auch die Quantum Corp.: Deren Fabrikationsstaetten und damit der Herstellungsprozess beim Produktionspartner Matsushita Kotobuki Electronics Industries Ltd. blieben unberuehrt von dem Desaster.

Anders sieht es bei der Mitsubishi Electric Corp. aus: Hier ruht die Arbeit ebenso wie in der Display- und Peripheriefabrikation von der Fujitsu Ltd.

in Akashi, das in der Naehe von Kobe liegt. Eines der Gebaeude sei dermassen in Mitleidenschaft gezogen worden, dass man einen kompletten Neubau erwaege, berichtet ein Firmensprecher gegenueber der Presse.

Auch Matsushita stellte seine Produktionstaetigkeit in zwei Werken voruebergehend ein, obwohl weder an den Produktionslinien selbst noch an den Gebaeuden gravierende Schaeden festgestellt wurden. Doch die Energie- und die Wasserversorgung sind bis heute nicht wiederhergestellt.

Texas Instruments (TI), das mit der Kobe Steel Ltd. das Joint- venture KTI Semiconductor Inc. unterhaelt, gab an, das Gebaeude der Halbleiterfabrik selbst sei nicht beschaedigt. Wegen Neujustierungen und Reparaturen an der Geraetschaft werde man jedoch erst in einer Woche die Produktion wieder aufnehmen koennen.

Ein Drittel der weltweiten LCD-Fabrikation betroffen

Neben der Halbleiterfertigung ist aber auch ein Drittel der weltweiten TFT-LCD-Fabrikation von den Erdbebenschaeden betroffen. Zwar liegen noch keine eindeutigen Informationen ueber das Ausmass der Defekte vor. Doch scheinen das gemeinsam von der IBM und Toshiba gefuehrte LCD-Werk Display Technologies Inc. (DTI) in Himeji sowie der direkt in Kobe produzierende TFT-Hersteller Hoshiden am haertesten getroffen worden zu sein.

DTI musste die Werkstore wegen Reparaturarbeiten an zwei Produktionslinien voruebergehend schliessen. Takahiko Umeyama, Analyst der International Data Corp. (IDC) in Tokio, glaubt, dass DTI moeglicherweise noch wochenlang brauchen wird, um die durch die Schaeden aufgetretenen Probleme in den Griff zu bekommen. Im schlimmsten Fall koenne es sogar Monate dauern, bis das Unternehmen wieder zu normalen Produktions- und Vertriebsrhythmen zurueckfinde.

Sowohl die 10,4 Zoll grossen TFT-Displays fuer IBMs "Thinkpad"- Notebooks als auch die LCDs fuer die Top-Modelle der Notebook- Linien von Toshiba produzieren beide Unternehmen in Himeji. Schon jetzt wuerden erste Lieferschwierigkeiten auftreten: "Besonders bei den 10,4-Zoll-Displays gibt es ueberhaupt keine Bestaende", sagte David Mently, Analyst beim Marktforschungsinstitut Stanford Resources im kalifornischen San Jose. Trotzdem gab sich ein IBM- Sprecher in Tokio zuversichtlich, man werde in kuerzester Zeit wieder die gewohnten Produktionszyklen etabliert haben. DTIs Monatsproduktion betraegt rund 200000 Einheiten.

Schlimmer noch als bei DTI sieht es bei TFT-LCD-Hersteller Hoshiden aus. "Einige Produktionsstaetten sollen voellig zusammengebrochen sein", berichtet ein Industriebeobachter. Hoshiden bestaetigte diese Aussage nur zum Teil. Die Produktionsausruestungen seien intakt. Richtig sei allerdings, dass die Fabrikationslinien stillstuenden. Es sei auch nicht abzusehen, wann wieder an eine Produktion zu denken sei. Hoshiden belieferte unter anderem Apple und Compaq mit Monochrom-Aktiv-Matrix-Displays fuer Laptops und Notebooks. Die Haelfte seines Firmenumsatzes gewinnt Hoshiden aus der Display-Produktion.

Die Sharp Corp., der Welt groesster LCD-Hersteller, scheint bei ihrem grossen Werk in Tenri nahe Osaka mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Das Unternehmen hat lediglich Probleme mit dem Transport der Komponenten, da die Strassen und Eisenbahnen noch beschaedigt sind.

Die Plasma-Display-Produktionslinien der Fujitsu Ltd. sind nach Unternehmensangaben "erheblich beschaedigt". Die Firma schaetzt, Anfang Maerz wieder in Produktion gehen zu koennen. Allerdings halte man genuegend Komponenten auf Vorrat, um die Nachfrage zu befriedigen.

Japanische Fabrikanten stellen nach Angaben der Baring Securities Ltd. aus Tokio TFT-Produkte im Wert von rund sieben Milliarden Dollar her, davon Erzeugnisse fuer 2,4 Milliarden Dollar allein in der von dem Erdbeben betroffenen Umgebung. Der Loewenanteil der Produktion der Region Kobe/Osaka entfaellt auf DTI (zwischen 750 und 800 Millionen Dollar), auf Hoshiden (zwischen 450 und 500 Millionen Dollar) sowie auf Sharp mit etwa 1,1 Milliarden Dollar.

Die "Zeit" beruft sich auf serioese Schaetzungen japanischer Wirtschaftsinstitute, wonach sich die Wiederaufbaukosten "bislang auf nicht mehr als 80 Milliarden Mark" belaufen werden.