BPO steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen

18.10.2006
Bislang nutzt nur die Automobilbranche das Potenzial aus.

Das Geschäft mit dem Verlagern und Transformieren ganzer Geschäftsprozesse steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Fachbegriffe wie "Business Process Outsourcing" (BPO) oder "Business Innovation and Transformation Partner" (BITP) werden in der Beraterszene nach wie vor mehr diskutiert als praktiziert. Wenn der Outsourcing-Partner mit dem Kunden eine langfristige Partnerschaft eingeht, unternehmerische Mitverantwortung übernimmt und an den Erträgen beteiligt, bietet BPO jedoch für beide Seiten wesentlich mehr Möglichkeiten als das klassische Auslagerungsgeschäft, meint Professor Dietmar Fink von der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg: "Das Marktpotenzial ist gewaltig, die Ausschöpfung liegt derzeit bei weniger als zehn Prozent."

Lediglich die Automobilbranche ist beim Thema BPO schon sehr weit. Hier sind Ergebnisverantwortung, langfristige und partnerschaftliche Beziehungen bereits seit einigen Jahren Realität, hat Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash, beobachtet: "Wegen des steigenden Anteils von Elektronikkomponenten beim Automobilbau sind viele Entwicklungen nichtherstellerspezifisch, sondern werden in adaptierter Form von jedem Anbieter eingesetzt. Für einen einzelnen Autokonzern wäre es unwirtschaftlich, alles in Eigenregie zu entwickeln", so Nadolski. Der Zugriff auf spezialisierte Hardware- und Softwareentwickler verringere die Kosten und beschleunige die Marktreife der Produkte. Zudem werde die Gefahr von "Kinderkrankheiten" neuer Entwicklungen minimiert.

Nach Einschätzung des Beraters werden sich aber auch die Unternehmen anderer Branchen immer stärker an Outsourcing-Dienstleister wenden, die nicht nur bunte PowerPoint-Charts an die Wand werfen oder unverbindliche Strategieempfehlungen geben. "Gefragt sind externe Firmen, die bei Technikprojekten die Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung liefern."

Auch der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) geht davon aus, dass der deutsche Auslagerungsmarkt (IT-Outsourcing und BPO) von derzeit 14 Milliarden Euro pro Jahr auf etwa 35 Milliarden Euro bis 2008 steigen wird. Insgesamt soll der hiesige Markt für IT-Dienstleistungen in diesem Jahr um 4,5 Prozent auf 29 Milliarden Euro wachsen. Dass die Firmen zunehmend mit externen Dienstleistern zusammenarbeiten, liegt dem BDI zufolge vor allem daran, dass sie sich stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und flexibler werden wollen - auch durch eine Reduktion der eigenen Personalstärke.

"Outsourcing ist und bleibt ein Megatrend für alle Wirtschaftszweige und die öffentliche Verwaltung", fasst Bitkom-Vizepräsident Jörg Menno Harms

zusammen. Die meisten Unternehmen würden in Zukunft nur noch Aufgaben selbst erledigen, die sie nicht günstiger einkaufen können. Alles andere werde durch Partnerschaften co-entwickelt, co-gefertigt und co-vertrieben. "Dabei kommt es auf flexible Organisationsformen und entsprechende Mitarbeiterfähigkeiten an. Je bewusster und schneller wir den Anpassungsprozess gestalten, umso größer sind die Chancen für unseren Wirtschaftsstandort", so der Bitkom-Mann. Allerdings lagerten die meisten Unternehmen noch immer nicht ins Ausland aus. "Deutschland liegt etwa fünf Jahre hinter den USA oder Großbritannien zurück. Damit verschenken wir wirtschaftliches Gestaltungspotenzial", kritisiert der Experte. (sp)