BPM-Komplexität vergrault Anwender

04.05.2012
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Viele Unternehmen sind mit ihrer Software zur Prozess- gestaltung unzufrieden und wollen den Anbieter wechseln.

Die Unternehmen in Deutschland sind mehrheitlich mit ihrer BPM-Software (Business-Process-Management) unzufrieden. Dies geht aus der Studie "BPM-Report 2012" hervor, für die die Software Initiative Deutschland e.V. (SID) und die Metasonic AG 100 Führungskräfte befragen ließen. In der Erhebung stellen die Anwender ihren Anbietern überwiegend mäßige bis schlechte Noten aus. Demnach ist etwa die Hälfte (48 Prozent) der Firmen nur bedingt zufrieden mit der gewählten BPM-Software, ein weiteres Drittel (34 Prozent) ist es gar nicht. Lediglich 18 Prozent sehen keinen Grund zur Kritik. Doch selbst die klaglosen Anwender mussten auf weitere Nachfrage Defizite einräumen: 42 Prozent der Manager vermuten schlechte oder mäßige Akzeptanz unter den Nutzern der Software.

Schlechte Software wird abgelöst

Die unzufriedenen Manager streben einen radikalen Schnitt an, sie wollen sowohl ihren Provider als auch die Software ablösen und eine neue Applikation implementieren. Immerhin 71 Prozent der unzufriedenen Befragten stehen vor einem solchen tiefgreifenden Schritt, weitere zwölf Prozent wollen die bisherige Installation mit einem anderen Anbieter weiterbetreiben.

Die Marktforscher haben auch nach den Gründen für die insgesamt schlechte Bewertung der Installationen gefragt. Dabei kam heraus, dass die BPM-Lösungen vor allem große Verständnisprobleme zwischen Fach- und IT-Abteilungen (92 Prozent) verursachen. Zudem schießen die Softwarehersteller bei der Gestaltung und Funktionalität offenbar über das Ziel hinaus, denn nahezu drei Viertel der unzufriedenen Nutzer beklagen die Komplexität der Lösung. Es verwundert daher kaum, dass die Nutzer in den Fachabteilungen die Software ablehnen, über zwei Drittel der Unternehmen berichtet von mangelnder Akzeptanz durch die User. "Unternehmen investieren meist viel Geld in eine BPM-Software, um die Geschäftsprozesse zu optimieren. Wird das eingesetzte System aber von den Mitarbeitern nicht in ausreichendem Maße akzeptiert, so besteht die Gefahr, dass das gesamte BPM-Projekt scheitert", warnt Herbert Kindermann, Vorsitzender des SID-Forums "Quo vadis BPM?".

Der BPM-Bedarf ist da

Derart gestaltete Systeme können kaum die Anforderungen erfüllen, die BPM-Nutzer an sie stellen. Ganz oben auf der Wunsch-liste steht neben der erwartbaren Kosten- einsparung (84 Prozent), dass die Software die Anwender in die Lage versetzen soll, Prozesse eigenständig zu gestalten (88 Prozent). Um das zu gewährleisten, sollte sie sowohl problemlos zu bedienen sein (79 Prozent) als auch einfache Möglichkeiten zur Prozessmodellierung bieten (75 Prozent). Wichtig erscheint Managern darüber hinaus, dass eine Lösung es den Nutzern erlaubt, Prozesse ohne Aufwand zu steuern und überwachen.

Die Anbieter vergraulen so eine eigentlich wohlgesonnene Klientel, denn der überwiegende Anteil der Manager ist von der Richtigkeit einer IT-gestützten Prozessmodellierung überzeugt - 82 Prozent erachten eine funktionierende BPM-Installation als Wettbewerbsvorteil. Es ist auch keineswegs so, dass die Lösungen in allen Bereichen komplett durchfallen. Manager mit BPM-Erfahrung berichten beispielsweise von mehr Transparenz (79 Prozent), kürzeren Reaktionszeiten, einer verbesserten Ausrichtung von IT und Business (jeweils 72 Prozent) sowie eindeutigen Rollenbeschreibungen und Verantwortlichkeiten. Das alles tut den Abläufen im Kerngeschäft gut, so dass 70 Prozent der Firmen die für sie wichtige Kosteneinsparung mit BPM-Installationen erreichen konnten.

Für die Hersteller bleibt die Erkenntnis, dass sie die Anforderungen der Nutzer intensiver analysieren und sich besser auf ihre Bedürfnisse einstellen müssen. Zudem sollten die Provider und Hersteller ihre Installationen einem kritischen Blick hinsichtlich künftiger Anforderungen unterziehen, denn auch hier klaffen Anspruch und Kundenwirklichkeit weit auseinander. 63 Prozent der Befragten wünschen sich einen langfristigen Investitionsschutz, 85 Prozent der Manager sprechen ihrer eingesetzten BPM-Software aber die Zukunftsfähigkeit ab. Die enorme Unzufriedenheit wird so zum idealen Nährboden für alternative Betriebsmodelle: "Auf unserer Prioritätenliste steht Cloud Computing ganz oben", sagten knapp drei Viertel der Unternehmen.

BPM und IT

Die Tools zur Prozessmodellierung sind für Fachabteilungen gedacht, die IT spielt im BPM-Segment dennoch eine Schlüsselrolle:

• In 72 Prozent der Firmen obliegt der IT die organisatorische Verantwortung für BPM-Projekte, die Fachabteilungen kommen in zwölf Prozent der Fälle zum Zuge.

• Die Umsetzung der eigentlichen Geschäftsprozesse übernehmen wiederum mehrheitlich die Fachabteilungen. Die IT bleibt außen vor, weil die Distanz zu groß ist.

• Mehr als zwei Drittel der befragten Manager streben eine nahtlose Integration der BPM-Software in die bestehende IT-Landschaft an.

• Die gewählte BPM-Lösung sollte system- und plattformunabhängig sein (71 Prozent).

• Mit BPM streben die Firmen eine Verknüpfung von Unternehmens- und IT-Strategie an.

• Zudem ist BPM für knapp die Hälfte der Befragten ein geeignetes Mittel, um mobile Endgeräte in die Geschäftsprozesse einzubinden.

• Basis der Geschäftsmodellierung sind Excel (36 Prozent) und Access (31 Prozent) beziehungsweise entsprechende Lösungen von anderen Herstellern sowie BPM-Pakete etwa von IBM und Pega Systems (19 Prozent) sowie Standardsoftware wie von SAP und Oracle (14 Prozent).