Anbindung von Tankstellen via ISDN

BP nutzt D-Kanal als Standleitung

21.12.2001
HAMBURG (rg) - Die Deutsche British Petrol GmbH (BP) hat mehr als 1000 Tankstellen in Deutschland und Österreich via ISDN mit der Hamburger Konzernzentrale verbunden. Das Unternehmen nutzt dabei den D-Kanal als gesicherte Standleitung für die Kreditkartenbezahlung und Kassenverwaltung.

Früher stieg der Tankwart noch auf die Leiter, wenn die nächste Benzinpreiserhöhung anstand und die Anzeigetafeln geändert werden mussten. Dieses Bild gehört ebenso der Vergangenheit an wie das des kargen Kassenhäuschens, in dem allenfalls Autobedarf und Truckerzeitschriften zu finden waren. "Heute wechseln wir das Friteusenfett öfter als das Motorenöl unserer Kunden", kommentiert Gerhard Gruber, Pächter einer großen BP-Station in München, den Wandel der Tankstellen zum Service-Point mit umfangreichem Waren- und Dienstleistungsangebot. Und auf der Leiter stand Gruber schon lange nicht mehr: "Preisänderungen kommen heute direkt über das elektronische Kassensystem, das die Anzeigen und Zapfsäulen automatisch umstellt."

Netz für Euro-Umstellung genutztDie massive Ausweitung des Tankstellenangebots hatte zur Folge, dass sich der Bandbreitenbedarf für die Kommunikation der einzelnen Stationen mit der Zentrale in Hamburg erhöhte. Der Konzern entschloss sich deshalb im Herbst 2000, die Anbindung der Tankstellen über Datex-P durch eine neue IP-basierende Lösung zu ersetzen. Notwendig wurde dies aber auch wegen der bevorstehenden Euro-Umstellung: Die Zentrale wollte die neue Netzarchitektur unter anderem dazu nutzen, entsprechende Software-Patches in die Kassensysteme an den Tankstellen einzuspielen.

Auf der Suche nach einem geeigneten Partner wurde BP schließlich bei der Dienstleistungstochter der Deutschen Telekom T-Systems fündig. Ausschlaggebend war laut Uwe Franke, Vorstandsvorsitzender der Deutschen BP AG, neben dem landesweiten Netz und der deshalb kurzen Wege in das Telekom-Backbone auch die hohe Anzahl von Servicemitarbeitern. Die sollte garantieren, dass der Rollout während einer kurzen Zeitspanne deutschlandweit bewältigt werden kann.

Im Januar dieses Jahres begannen BP und T-Systems mit dem Aufbau der Plattform. Die Telekom-Tochter hatte hierfür in einem Rechenzentrum eine "e-Service-Area" (eSA) eingerichtet. Diese umfasst die technische Infrastruktur inklusive der notwendigen Hardware und bietet Sicherheitsstandards wie eine doppelte technische Infrastruktur oder Brandschutzzonen. Erste Tests liefen im Februar an, im März nahm BP den Pilotbetrieb mit einigen Tankstellen in Hamburg auf. Ein Jahr nach Projektbeginn sind nun 750 BP-Stationen über die neue Lösung mit der Zentrale verbunden. Bei der Realisierung des Projekts legte BP großen Wert auf die Kostenkontrolle. Sparen ließ sich auch durch die Trennung von sicherheitsrelevanten Anwendungen und unkritischen Applikationen, da es nicht notwendig ist, Letztere den höchsten Sicherheitsanforderungen zu unterwerfen.

Auch unter technischen Gesichtspunkten war die physikalische Trennung von Anwendungen für den Zahlungsverkehr und Internet-basierenden Diensten eine der wesentlichen Anforderungen an das neue System. Damit sollte vermieden werden, dass Eindringlinge über das Internet an die sensiblen Kassendaten wie zum Beispiel Kreditkartennummern gelangen. Die Projektverantwortlichen verwarfen deshalb auch die anfängliche Idee, die Kassensysteme und Rechner innerhalb der Tankstellen an ein einziges LAN anzuschließen und entschieden sich dafür, dort zwei Netze einzurichten, die über entsprechende Splitter und Router mit den unterschiedlichen Kanälen des ISDN-Anschlusses verbunden sind.

Das eine LAN dient der Anbindung der Kassen sowie der Nutzung des BP-Warenwirtschaftssystems. Der Datenaustausch ist mittels VPN-Technik gesichert und beruht auf dem von der Telekom entwickelten Verfahren Always Online Dynamic ISDN (Aodi). Der D-Kanal, normalerweise für die Steuerung der ISDN-Kommunikation zuständig, wird dabei als Standleitung mit geringer Bandbreite genutzt. Die darüber erzielbare Durchsatzrate von 9600 Bit/s reicht für den gewöhnlichen Kassenbetrieb vollständig aus. Ein weiterer Vorteil: Bei der Bezahlung mit Kredit-, EC- oder Geldkarten entfällt nun die Wartezeit für den Aufbau einer Verbindung zum Finanzdienstleister.

Muss das LAN zusätzliche Aufgaben bewältigen, schaltet sich dynamisch ein B-Kanal mit 64 Kbit/s dazu (siehe Kasten "Technik im Detail"). Dieser Fall tritt beispielsweise ein, wenn die BP-Zentrale über ihr Warenwirtschaftssystem "Retail Automatisation Projekt" (RAP) Software-Patches für die Kassen einspielt, wenn Sperrlisten verwaltet werden müssen oder der Pächter seine Umsatzdaten übermittelt. Ansonsten ruht der B-Kanal und verursacht während dieser Zeit keine Kosten.

Internet-Nutzung über separaten KanalDas zweite LAN dient als gewöhnliche Internet-Verbindung mit T-Online als Provider. Dabei werden die Daten über den zweiten B-Kanal des ISDN-Anschlusses geführt. Da-rüber laufen die bei BP unter dem Namen Retail Online Services Initiative (Rosi) zusammengefassten Anwendungen wie beispielsweise die Regalbestückung der Tankstellen-Shops. Über diesen offenen Kanal können Pächter aber auch Handbücher für die Wartung der technischen Einrichtung elektronisch abrufen und ihren E-Mail-Verkehr abwickeln.

Für den Fall, dass die Bandbreite des B-Kanals von 64 Kbit/s nicht ausreicht, haben die Tankstellen die Option, sich einen zusätzlichen T-DSL-Anschluss freischalten zu lassen. Dieses Angebot wird derzeit alledings erst von fünf Pilotanwendern getestet.

Nach der erfolgreichen Einführung des neuen Systems zieht BP-Vorstand Franke eine erste Zwischenbilanz: "Die positiven Erfahrungen in den beiden Pilotländern haben uns darin bestärkt, unser IP-basiertes Tankstellennetz Zug um Zug europaweit gemeinsam mit T-Systems auszubauen."

Technik im DetailFür das von BP als Pilotkunde genutzte Angebot "LAN-2-LAN-Active" rüstet die Telekom derzeit ihre Vermittlungsstellen zur Nutzung ihrer Always-Online-Dynamic-ISDN-(AODI-)Technik nach. Bei diesem Verfahren wird der D-Kanal des ISDN-Anschlusses als Standleitung genutzt. Übersteigt der Bandbreitenbedarf dessen Kapazitäten, meldet ein Router in der entsprechenden Filiale den zusätzlichen Bedarf der nächsten Vermittlungsstelle, woraufhin ein B-Kanal zugeschaltet wird. Für dieses Handshake-Verfahren hat die Telekom mittlerweile rund 100 Verbindungsstellen in Deutschland mit "Foreign Agents" ausgestattet. Von dort werden die Daten regional in drei Home Agents in Düsseldorf, Stuttgart und Berlin zusammengeführt und über einen 34 Mbit-Router in das Rechenzentrum nach Hamburg weitergeleitet. Falls diese Struktur ausfällt, übernehmen drei weitere Home Agents an den Standorten München, Nürnberg und Hannover den Betrieb.

Abb: LAN-2-LAN-Active-Architektur

Quelle: T-Systems