Offizielle Zahlen aus Scotts Valley

Borland-Verlust so hoch wie der Profit des Vorjahres

09.08.1996

Der Verlust fiel nicht ganz so schlimm aus wie erwartet. In weiser Voraussicht hatte Borland Anfang Juli laut über einen Minusbetrag von mehr als einem halben Dollar pro Aktie beziehungsweise einen Gesamtverlust von 16 Millionen Dollar spekuliert (vgl. CW Nr. 28 vom 12. Juli 1996, Seite 1). Dagegen nehmen sich die offiziell berichteten Zahlen etwas weniger katastrophal aus. Der Pro-Aktie-Verlust liegt bei 45 Cent, insgesamt fehlen unter dem Strich 14,1 Millionen Dollar.

Dabei hatte Borland Glück im Unglück: Hätte das Unternehmen keine Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen können, so wäre der Verlust noch höher gewesen. Die Bundessteuerbehörde und das Finanzamt reduzierten die Abgabenlast für die Softwareschmiede um insgesamt 2,9 Millionen Dollar, wodurch sich auch der bilanzierte Verlust um 17 Prozent verringerte.

Der Grund für das schlechte Ergebnis ist sicher im schwachen Umsatz des Software-Unternehmens zu suchen. Der Quartalsumsatz betrug lediglich 34,5 Millionen Dollar - fast 20 Millionen oder rund 36 Prozent weniger als im Vergleichsquartal des Vorjahres, für das sich die Kalifornier Einnahmen in Höhe von fast 54 Millionen Dollar und einen Gewinn von 2,8 Millionen Dollar oder zehn Dollar pro Aktie gutschreiben durften. Eigenen Angaben zufolge hat Borland vor allem in den Vereinigten Staaten herbe Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.

US-Analysten führen den Nachfragerückgang auf den noch unentschiedenen Wettbewerb zwischen den Microsoft-Betriebssystemen Windows 95 und Windows NT zurück. Borland selbst hatte sich viel von der Windows-95-Version des objektorientierten Entwicklungswerkzeugs "Delphi" versprochen, aber erfahren müssen, daß diese Hoffnungen nicht erfüllt wurden - zumindest bislang nicht. Nach Ansicht der Marktbeobachter hat Windows NT in den Unternehmen die besseren Chancen, das Rennen zu machen.

Zu allem Überfluß steht das Software-Unternehmen ohne Chief Executive Officer da, seit Gary Wetsel das Handtuch geworfen hat. Als Interims-CEO fungiert William Miller, Vorsitzender des Board of Directors. Wer Wetsel langfristig ersetzen soll, ist offenbar immer noch nicht entschieden.