Akquisition des Client-Server-Experten geplant

Borland: Open Environment öffnet Türen zu den DV-Shops

24.05.1996

Wenn Aktionäre und US-Behörden kein Veto einlegen, wird Borland die 64 Millionen Dollar teure Transaktion spätestens im kommenden September über die Bühne bringen. Eine Vorvereinbarung über das "Pooling of Interest" ist bereits unterschrieben. Derzufolge werden die Anteilseigner von Open Environment ihre Stammaktien gegen jeweils 0,51 Borland-Anteile eintauschen - jedenfalls, solange sich deren Marktwert zwischen 12,75 und 25 US-Dollar bewegt. Am 17. Mai wurde die Borland-Aktie mit 15,75 Dollar gehandelt.

Gleichzeitig war das Open-Environment-Papier mit 7,625 Dollar notiert. Bei acht Millionen im Umlauf befindlichen Aktien summiert sich der Börsenwert des Ostküsten-Unternehmens damit auf 61 Millionen Dollar - unwesentlich weniger, als Borland zu zahlen bereit ist. Im vergangenen Jahr flossen 29,4 Millionen Mark in die Kassen der Open Environment Corp. Profitabilitätsprobleme gab es erstmals im vergangenen Quartal.

Mit der geplanten Akquisition will Borland seine Vertriebs-, Support- und Consulting-Kapazität im Client-Server-Geschäft auf einen Schlag verdoppeln. Die mangelnde Präsenz in diesem Markt hatte der ehemalige deutsche Borland-Chef Leo Merkel 1994 als Grund dafür genannt, warum er für sich keine Zukunft mehr bei Borland sehe.

Jeder fünfte Dollar kommt aus dem C/S-Geschäft

Sein Nachfolger Gerhard Romen beziffert den Anteil des Client-Server-Geschäfts am Borland-Umsatz auf mittlerweile 20 Prozent. Dazu zählt er alle Einnahmen, die rund um die Client-Server-Ausführung von "Delphi" sowie das Datenbanksystem "Interbase" und das Abfragewerkzeug "Report Smith" erzielt wurden. In diesem Bereich sind, so der Borland-Manager, weltweit etwa hundert Mitarbeiter tätig.

Open Environment wurde vor drei Jahren ins Leben gerufen, zählt rund 200 Köpfe und widmet seine Aktivitäten dem Thema Middleware für Entwicklung, Management und Betrieb mehrstufiger Client-Server-Architekturen. Haupteinnahmequelle ist die Software-Umgebung "Entera". Sie dient als Bindeglied zwischen Desktop-Werkzeugen wie Delphi von Borland, "SQL Windows" von Gupta oder "Powerbuilder" von Powersoft sowie Back-end-Datenbanken, wie sie unter anderen von Oracle, Informix, Sybase und Borland ("Interbase") angeboten werden.

Unter dem Codenamen "Nexus" hatte Borland seinen Kunden schon zu Beginn dieses Jahres eine derartige Middleware in Aussicht gestellt. Deren Aufgabe sollte darin bestehen, die einzelnen Teile einer Anwendung auf der jeweils günstigsten Maschine zu plazieren und die zwischen Clients und Datenbank-Server ablaufenden Transaktionen entsprechend zu regeln. Auch das World Wide Web (WWW) beziehungsweise dessen unternehmensinterne Varianten ("Intranets") waren in der Borland- Vision als Bestandteil einer modernen Client-Server-Umgebung definiert worden.

Anstatt die dafür notwendige Technik selbst zu entwickeln, greift Borland jetzt lieber nach einem fertigen Produkt. Entera arbeitet nicht nur mit OS/2 und Windows NT, sondern auch mit verschiedenen Unix-Derivaten sowie dem Mainframe-Betriebssystem MVS. Die Übereinstimmung mit der Common Object Request Broker Architecture (Corba), dem Quasi-Standard für objektorientierte Middleware, sei für 1997 angestrebt. Von den Produkten der Mitbewerber - hier ist in erster Linie die Forte Software Inc. zu nennen - unterscheide sich Entera vor allem durch seine Offenheit.