Update des Entwicklungswerkzeugs

Borland bringt Delphi 3 auf Internet-Kurs

31.01.1997

Leichter zu erlernen als C++ und leistungsfähiger als Hauptkonkurrent Visual Basic von Microsoft gestattet Delphi die schnelle Entwicklung von Windows-Anwendungen. Grundlage des Raplid Application Development-(RAD) Werkzeugs Delphi sind die Visual Component Library (VCL) sowie die Sprache Object Pascal.

Die VCL enthält vorgefertigte Komponenten sämtlicher Standardelemente einer Windows-Anwendung, von der einfachen Eingabebox bis zum kompletten Standarddialog "Datei speichern". Neben der Oberflächengestaltung unterstützt die VCL den Entwickler mit weiteren Komponenten zur Datenbank- oder Multimedia-Programmierung. Ein ähnliches Konzept verfolgt auch Visual Basic mit dem Einsatz von OCX- beziehungsweise Active-X-Komponenten.

Delphi verfügt über eigenes Komponentenmodell

Delphis VCL hat bei der Ausführungsgeschwindigkeit von Anwendungen Vorteile gegenüber OCX-Komponenten. Aus der Sicht des Programmierers ist die VCL nichts anderes als eine objektorientierte Hierarchie einzelner abstrakter Klassendefinitionen. Beim Einsatz einer VCL-Komponente erzeugt die Delphi-Entwicklungsumgebung durch Vererbung einen Nachfahren der Komponente im Quellcode der Anwendung.

Während Anwendungen zur Laufzeit für jede eingesetzte OCX-Komponente die zugehörige Datei benötigen und nachladen, sind VCL-Komponenten integraler Bestandteil einer kompilierten Delphi-Anwendung.

Die VCL enthält in Delphi 3 (Codename "Ivory") einige wesentliche neue Komponenten. Mit jenen vom Typ "HTML-Container" können Programmierer HTML-Dokumente in ihrer Delphi-Anwendung anzeigen. Die Komponente verfügt bereits über die nötige Funktionalität, um ein solches Dokument von einer angegebenen Internet-Adresse zu lesen. Ein weiteres Modul erlaubt den Datenaustausch über das File Transfer Protocol (FTP). Wesentlich für die neue Internet-Funktionalität ist aber auch die Unterstützung von Microsofts COM-basierten Active-X-Komponenten. Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine neue Klasse von Formularen, die sogenannte "Active Form". Damit können Programmierer zukünftig Anwendungen entwerfen, die Active-X-Kontrollelemente enthalten. Innerhalb eines Web-Browsers verhält sich die Active Form dann wie ein übliches Delphi-Formular, also wie eine unter Windows lauffähige Anwendung. Zu einer Active Form erzeugt Delphi automatisch eine HTML-Seite mit den nötigen Referenzen und Registrierungen.

Die neue Delphi-Version eignet sich auch für die Erstellung von datenbankbasierten Internet-Applikationen.

Über spezielle Komponenten zum Datenzugriff erfolgt die Einbindung einer Datenbank in ein Formular.Die Borland Database Engine (BDE) stellt dabei die Schnittstelle zwischen den eigentlichen Daten in einer Datenbanktabelle und der Delphi-Anwendung dar.

Zusammen mit Delphi 3 kommt auch eine neue Version der BDE. Neben leichten Geschwindigkeitsverbesserungen gegenüber dem recht langsamen Datenzugriff über die BDE in Delphi 2 unterstützt sie nun auch Foxpro- und Microsoft-Access-Tabellen.

Der Datenbank-Explorer gestattet nun das Bearbeiten von SQL-Objekten, zeigt wahlweise die generierten SQL-Anfragen an und unterstützt jetzt auch "DB2" sowie Informix-Datenbank-Server. Einige zusätzliche Optionen wie Zeilenumbruch und objektbezogene Pop-up-Menüs runden die Verbesserungen ab. Für die Gestaltung ihrer Datenbankoberflächen können Entwickler nun auch auf Richedit-Textfelder zurückgreifen und die DBCtrlGrid-Komponente kann jetzt auch Bilder und Memo-Felder anzeigen.

Fortschritte verzeichnet Ivory auch bei der Entwicklungsumgebung und beim Compiler. Eine wesentliche Neuerung stellt die Unterstützung von Paketen (Packages) dar. Diese Technologie dient vor allem zu einer Optimierung der Dynamic Link Libraries (DLLs) bei der gleichzeiti- gen Nutzung durch mehrere Anwendungen. Insbesondere benötigen Package-basierte DLLs weniger Arbeitsspeicher und Systemressourcen. Der Delphi-Programmierer kann Packages unabhängig vom Rest der Bibliothek einzeln kompilieren und in die Bibliothek einbinden. Eine ständige Neukompilierung der gesamten Bibliothek entfällt somit. Dies ermöglicht beispielsweise dann auch, daß Programmierer in der Entwicklungsumgebung nur die Packages laden, die für ein konkretes Projekt nötig sind.

Zur optischen Aufbesserung von Anwendungen eignen sich die neuen Funktions-Buttons. Diese zeigen die Umrandung eines Buttons nur an, wenn sich der Mauszeiger darüber befindet. Ansonsten erscheint lediglich das grafische Symbol für die repräsentierte Funktion.

Neu in diesem Zusammenhang ist auch die gemeinsame Nutzung der VCL im neuen Delphi und dem ebenfalls in der Entwicklung befindlichen RAD-Tool C++-Builder. Beide Programmiersysteme sollen in Zukunft die VCL untereinander austauschen können. Weitere Verbesserungen beziehen sich vor allem auf die Arbeit innerhalb der IDE. Der Quellcode-Editor verfügt über eine neue Aufteilung und zusätzliche Funktionen, die vor allem die Arbeit mit dem Debugger erleichtern, aber auch das Editieren von SQL-Objekten im Code-Editor gestatten.

Sehr hilfreich in der täglichen Arbeit dürften sich auch die Textbausteine für Standard-Pascal-Konstrukte wie Schleifen oder das Exception-Handling erweisen. Ebenso neu ist die direkte Unterstützung von Komponenten-Schablonen. Komponenten, die der Entwickler auf einem Formular angeordnet hat, kann er in Delphi 3 als Gruppe zusammenfassen, in die Komponentenpalette stellen und diese in derselben Anordnung und Konfiguration in andere Formulare direkt einfügen.

Anfang April 1997 soll Delphi 3 in der englischsprachigen Version verfügbar sein, die deutsche folgt Ende April. Delphi wird dann wieder in drei verschiedenen Versionen Standard, Developer, Client-Server angeboten, die sich vor allem bei der Datenbankfunktionalität und der Unterstützung von Teamentwicklung unterscheiden. Die Preise stehen noch nicht fest.

*Jörg Rensmann lebt als freier Autor in Ilmenau