Berufe mit Zukunft in der schreibenden Zunft:

Boom für Technische DV Redakteure

27.07.1984

EDV-Unternehmen und Verlage sind auf der Suche nach Fachautoren und -redakteuren. Der Bedarf ist groß und wächst stetig. Aber Autoren und Redakteure mit der gewünschten Doppelqualifikation sind mittlerweile rarer als CAD-Spezialisten, konstatiert Gerd Umhauer, Ausbildungsleiter für Technische Autoren am Institut für technische Literatur in München.

Von Mitte März bis Mitte April dieses Jahres erschienen in den Samstagsausgaben der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und den Wochenausgaben der ZEIT 18 Großanzeigen, in denen etwa 25 Technische Autoren und Redakteure gesucht wurden. Bei den Fachverlagen melden die Computerzeitschriften den größten Bedarf an, bei Industriefirmen die EDV-Hersteller. Allein in vier EDV-Dokumentationsabteilungen von Siemens in München werden 25 Technische Autoren oder Redakteure gesucht und nicht gefunden. Der Personalmarkt ist abgegrast, Headhunting üblich.

Kein Wunder. Sowohl die Fachjournalisten der Computerzeitschriften wie die Fachautoren der Industrie brauchen praktisch eine Doppelqualifikation, die selten ist: die einen als Journalisten mit Computerfeeling, die anderen als EDV-Spezialisten mit Talent zu verständlichem Schreiben und Gestalten. Eine Ursache der Entwicklung: In der Bundesrepublik gibt es bislang weder öffentliche noch private Ausbildungsgänge zum Technischen Autor oder Computerfachjournalisten.

Dabei muß man sich vor Augen halten, daß in manchen Firmen der Investitionsgüterbranche bis zu 500 Autoren damit beschäftigt sind, technische Handbücher und Anleitungen zu verfassen. Manche Computerhersteller veröffentlichen pro Jahr technische Literatur im Umfang von nahezu 200 000 Seiten. Bei solchem Output kann man sich vorstellen welche Personalstärken die Redaktionen haben müssen.

Der Boom für diesen Berufszweig ist seit längerem vorprogrammiert. Fachverlage und EDV-Hersteller können ihr schreibendes Personal aber nur auf Umwegen rekrutieren. Ein Blick in die üblichen Stellenausschreibungen zeigt, daß Ingenieure, Techniker, Hard- oder Softwarespezialisten bevorzugt werden, die schreiben können oder zumindest wollen. Für die Computerzeitschriften kommen auch Kommunikations- und Sprachwissenschaftler in Frage, sofern sie wenigstens EDV-Grundkenntnisse besitzen.

EDV- und andere Investitionsgüterhersteller haben den Großteil ihrer Autoren bisher durch Inhouse-Headhunting gewonnen. Die schreibende Mannschaft der Firmen setzt sich vorwiegend aus angestellten Programmierern, Operatoren, Monteuren, Wartungstechnikern, Rundfunk- und Fernsehmechanikern etc. zusammen.

In großen Unternehmen wie bei IBM oder Siemens werden die Techniker und Spezialisten dann in zumeist betriebsinternen Seminaren geschult, wie man technische Dokumentation schreibt und gestaltet.

Inzwischen gibt es einige wenige Ansätze, Studiengänge und Ausbildungen für Technische Autoren einzurichten. An der Technischen Universität Berlin bemühen sich einige Hochschullehrer, einen Studiengang für Technische Autoren zu schaffen In München wird es nächstes Jahr eine Vollzeitausbildung auch für Nichtakademiker geben. Das Münchener Institut für technische Literatur bereitet eine dreivierteljährige Ausbildung zum Technischen Autor (EDV) vor. Sie umfaßt eine EDV- und eine Autorenausbildung in Verbindung mit einem Industriepraktikum oder Volontariat.

Da die Berufsaussichten hervorragend sind, ist dieser Ausbildungsgang nicht nur für arbeitslose Deutschlehrer, Germanisten oder Linguisten attraktiv, sondern auch für Abiturienten und andere, die technisches Gespür und Talent zum Schreiben haben.

Quellen:

- Gesellschaft für technische Kommunikation (Hg.), tekom Nachrichten, 3 - 81

- Fuchsbriefe Neue Medien, Bonn/München, 3.5.84

- Institut für technische Literatur (Hg.), Vorschläge für die Umschulung/Ausbildung von

Akademikern zu Technischen Autoren, München 1984.