Allensbacher Demoskopen suchen Trends mit Nova und Eclipse:

Bombenteppiche im Bauernhaus

19.09.1980

ESCHBORN (pi) - Das Institut für Demoskopie in Allensbach am Bodensee ist für Bundesbürger, Parteien, Verbände und Industrie zu einer Institution geworden. Ob Schmidt oder Strauß, Windelhöschen, Urlaubsorte oder bestimmte "Einstellungen zum Trinkverhalten" gerade en vogue sind, die rund 80 hauptberuilichen Mitarbeiter und rund 1000 nebenberuflichen Interviewer sorgen immer wieder für überraschende Zahlen über Meinungen, Konsumverhalten und soziale Einstellungen.

Im Arbeitsstil einer kleinen Universität, die in kreativitätsbegünstigender Enge eines alten Bauernhauses etabliert ist, gibt sich jedes Arbeits- und Organisationsmittel "arbeitsplatzorientiert". Zu den Antiquitäten aufgelockerter Mini-Büros der Allensbacher hat sich eine Minicomputer-Konfiguration gesellt. Eine Nova und eine Eclipse S/130 von Data General unterstützen die Wissenschaftler bei der Auswertung von komplexen Fragebogenaktionen.

Datenverarbeitung als wichtigstes Hilfsmittel für die Demoskopie ist nur ein Teil des gesamten Konzeptes von Befragungen eines repräsentativen Querschnittes.

Ergebnisse versteckt

Ein Computer löst bei der Auswertung von Fragebogen nicht nur Mengenprobleme. Über Auswerteprogramme und Kreuztabellen erhalten die Demoskopen durch das Setzen immer neuer Parameter auch solche Ergebnisse aus der Gesamtbefragung, die gleichsam im Antwortenfundus "versteckt" sind. Nur durch eingegrenzte Abfragen und immer neue Computerläufe werden diese Fakten sichtbar gemacht und können somit gewichtet werden.

Datenverarbeitung ist bei den Allensbachern in ihrer über dreißigjährigen Geschichte kein Novum mehr. Viele Jahre tat dort eine IBM 1130 ihren Dienst.

Investitionen gerettet

Als die Data General-Minis ins Haus kamen, gelang es dem EDV-Leiter aufgrund langjähriger Systemkenntnisse, die beträchtlichen Programminvestitionen zu erhalten. Über einen deutschen Lizenznehmer wurde hierfür ein US-Softwarepaket gekauft, das die bewährten 1130-Programme auf den Data General-Rechnern emulieren kann. Dieses Softwarepaket unter dem Namen Eclipse läuft auf folgender Minicomputer-Konfiguration: 1 Eclipse S/130 mit Magnetplatten, zwei Bildschirmen, einem Schnelldrucker, einem Lochkartenleser und einem Magnetband. Wahlweise über eine Steuerung in Form einer Dualprozessoroption verbunden ist ein weiterer Minicomputer des Typs Nova. Ihm angeschlossen sind eine Magnetplatte, ein Bildschirm sowie ein Matrixdrucker und ein Lochkartenleser.

Eine Programmebene der Eclipse wird für die Programmentwicklung benutzt. Im Hintergrund laufen Verarbeitungsprogramme ab. Die Nova dient, ebenfalls der Programmentwicklung und wird darüber hinaus als Backup-System eingesetzt.

Vor jede demoskopische Umfrage hat die Allensbacher Logistik die Fragebogenkonferenz gesetzt. Auf ihr wird das Thema eingehend besprochen, die Fragen werden auch nach journalistischen Kriterien gestaltet. Dann wird der Fragebogen verschlüsselt. Für jede Frage und Antwort wird ein Codepunkt festgelegt. Codepunkte werden auf Spalte X, Zeile Y codiert. Bei der Ausnutzung der Lochkarte zeigt sich die lange Erfahrung der Allensbacher EDV-Experten in der Offline-Erfassung ihrer großen Datenvolumina. Bis zu 12 Fragen werden in einer Spalte untergebracht. Bei einer Antwort "Ja" erfolgt eine Lochung; bei der Antwort "Nein" unterbleibt diese Lochung. Das führt dazu, daß Allensbacher Lochkarten wie ein Sieb aussehen.

Nach Datenerfassung und -eingabe in das Computersystem erfolgt eine Bereinigung aller Informationen. Dieses geschieht durch logische Prüfungen. Viele der Fragen in einem Fragebogen sind gekoppelt, so daß aus dem Kontext zusätzliche Informationen rekonstruiert werden können. Alle bereinigten Daten werden in der Eclipse S/130 und deren Externspeichern abgestellt.

Bei den Auswertungen wird das unter Demoskopen bekannte Count-Programm eingesetzt. Es ist in der Ansprache flexibel und eignet sich für eine individuelle Textgestaltung. Jede]n Codepunkt oder jeder Variablen kann ein Text zugeordnet werden. Soll eine Tabelle formuliert werden, so sucht sich das Programm automatisch diese Texte heraus. Eine Textblocktrennung sieht vor, daß diese nicht zerschnitten werden, sondern erhalten bleiben.

Gruppen aller Art

Der Eclipse-Emulator ist bei diesen großen Auswertungsläufen eine wesentliche Hilfe. Er arbeitet als Simulationsprogramm. Ein Statement ergibt etwa zehn bis zwölf Befehle für die Data General-Hardware, trotzdem ist der Durchsatz rund dreimal schneller als auf der 1130. Unter dem Betriebssystem RDOS und Fortran V und IV werden auch mit den übrigen Programmen wie den mathematisch-statistischen sehr schnelle Zeiten erreicht. Die Auswertungsprogramme sind einfach in der Formulierung, so daß jeder Wissenschaftler mit dem System arbeiten kann. Die Parameter sind klar und übersichtlich in ihrer Formulierung. Ob Altersgruppen, Einkommensgruppen oder Ortsgruppen verlangt werden, alle diese Details können über das Abfrageprogramm initiiert werden.

Eine Auswertung besteht jedoch nicht aus einem einzigen großen Standardprogramm. Vielmehr werden die einzelnen Fragen und Daten gezielt angesteuert. Vor jede Auswertung wird eine softwaregesteuerte Filtertechnik gesetzt. Analytiker wollen stets viel wissen. Entsprechend verästelt sind denn auch gelegentlich ihre Zählanweisungen an das Minicomputergespann: "Suche den Zustand A, jedoch nicht, wenn B erforderlich ist und gleichzeitig C oder die Bedingungen D bis G kombiniert mit H erfüllt sind . . ."

Das Minicomputer-Duo hat gegenüber der 1130 mehrere Vorteile mit sich gebracht. Auswertungs- und Verarbeitungszeiten sind schneller geworden. Schrittweise werden auch interaktive Auswertungen über Bildschirme angestrebt.

Wild gefragt

Derweil nutzen die Mitarbeiter die Soft- und Hardware des Instituts nach ihrem eigenen Temperament. Sie fragen vielfach gezielt, oft aber auch "wild". Im Institutsjargon legen sie Bombenteppiche. Ein Mitarbeiter: "Irgendwelche Korrelationen findet der Computer dann schon." Diese Methode erhöht das Entdeckungspotential der Umfrageforschung. und führte schon oft zu unerwarteten Befunden und neuen Überlegungen.

Informationen: Data General GmbH, Stuttgarter Str. 10, 6236 Eschborn/Ts., Tel.. 0 6196/ 49-1.