Entbündelter Zugang muß möglich sein

Bötsch gibt den Beschwerden von Otelo und Arcor recht

06.06.1997

Mit seiner Entscheidung setzte Bötsch ein Signal für die Liberalisierung des TK-Marktes. Der Minister gab Beschwerden von Arcor, Otelo und Netcologne recht: Die Deutsche Telekom AG mißbrauche ihre marktbeherrschende Stellung, da sie den Wettbewerbern bisher kein Angebot auf "entbündelten Zugang" zur Teilnehmeranschlußleitung unterbreitet habe. Die Telekom muß nun eine "prüfungs- und verhandlungsfähige" Offerte vorlegen. Andernfalls droht ihr ein Zwangsgeld bis zu einer Million Mark.

Konzentrator würde Kosten erhöhen

Die Telekom, die in monatelangen Verhandlungen den Wettbewerbern nur den Zugang zum Endkunden über einen Konzen- trator gewähren wollte, teilte mit, sie habe schon vor der Minister-Entscheidung den Wettbewerbern den gewünschten entbündelten Zugang angeboten. Dieser Darstellung widersprach Otelo. Zwar habe die Telekom ihr ursprüngliches Angebot modifiziert, aber auch der neue Vorschlag bleibe weit hinter den Vorgaben des Ministeriums zurück.

Der Konzentrator hätte nicht nur die Nutzungsentgelte in die Höhe getrieben, sondern es der Telekom erlaubt, der Konkurrenz technische Standards aufzuerlegen und lukrative Kunden der Wettbewerber zu ermitteln und abzuwerben. Die Wettbewerber bereiten ihren Einstieg in den Telefonmarkt zum Ende des Telekom-Monopols Anfang 1998 vor.

Bötsch erwartet weitere Beschwerden

Bötsch erwartet, daß die Telekom-Wettbewerber ihn als Regulierer demnächst erneut anrufen, um über die ebenfalls umstrittenen Nutzungsentgelte für die Teilnehmeranschlußleitungen zu entscheiden. Während die Telekom sechs Pfennig pro Minute verlangt, halten die Wettbewerber zwei Pfennig für angemessen. Er sei in der Lage, auch über diesen Nutzungspreis kurzfristig zu entscheiden, erklärte Bötsch. Grundlage für die Entgeltfestsetzung könnten die Kosten oder ein internationaler Preisvergleich sein.

Die Teilnehmeranschlußleitung ist die Verbindung zwischen Endkundenanschluß und der vom Kunden aus gesehen ersten Vermittlungsstelle. Da die Konkurrenten der Telekom zwar über Fernnetze, aber nicht über diese lokale Feinverästelung verfügen, müssen sie diese "letzte Meile" von der Telekom mieten. Dabei besteht jedoch Uneinigkeit über den Zugangspunkt. Die Mitbewerber möchten in der Vermittlungsstelle direkt den Hauptverteiler anzapfen ("entbündelter Zugang") und so auf jedes zu einem Haushalt führende Kupferkabel zugreifen können. Die Telekom wollte dagegen in der Vermittlungsstelle den Telefonverkehr eines Konkurrenten über einen dem Hauptverteiler vorgesetzten Konzentrator bündeln und über eine Leitung mit hoher Kapazität an die Vermittlungsstelle des Konkurrenten weiterleiten, was die Kosten in die Höhe getrieben und die Nutzung der Teilnehmeranschlußleitungen eingeschränkt hätte.

Die Telekom hat vergangene Woche die erste vollständige Vereinbarung zur Netzzusammenschaltung mit dem Anbieter Worldcom unterzeichnet.