Ziel ist die komplette Unterstützung der Service Supply Chain

Börsengewinner Niku übernimmt den Projekt-Management-Anbieter ABT

11.08.2000
MÜNCHEN (qua) - Mehr als 200 Millionen Dollar hat die Niku Corp., Redwood City, Kalifornien, bei ihrem Börsengang im Februar dieses Jahres eingesackt. Geschätzte 70 Millionen Dollar davon steckte sie in die Übernahme des Projekt-Management-Spezialisten ABT Corp. mit Sitz in New York.

Die IT-Szene hat ein neues Schlagwort: Professional Service Automation (PSA). Es bezeichnet die Softwareunterstützung für die Geschäftsprozesse von Dienstleistungsunternehmen. Laut Gartner Group drängeln sich in dieser Marktnische bereits eine Reihe von Unternehmen: Account 4.com, Big Dog Solutions, Business Engine, Changepoint, Evolve, Maconomy, Novient, Paradigm Software, Peoplesoft, Opus/360, Planview, Portera und Quick Arrow - sowie eben Niku. Das zwei Jahre alte Unternehmen hat nach Ansicht der Analysten durchaus das Zeug zum Marktführer.

Unternehmensgründer Farzad Dibachi ist in der IT-Welt kein Unbekannter. Der ehemalige Oracle-Manager zog vor fünf Jahren ein Startup namens Diba hoch, mit dem er frühzeitig in die Entwicklung und Produktion von Web-Appliances einstieg, das er aber ein Jahr später mangels Kapital an Sun Microsystems verkaufte - immerhin mit Gewinn.

Dibachis jüngstes Kind, Niku, setzte im vergangenen Geschäftsjahr ganze 8,2 Millionen Dollar um und produzierte dabei einen Verlust von 25,1 Millionen Dollar, der sich zum Teil mit der eklatanten Steigerung der Mitarbeiterzahl - von 40 auf etwa 400 innerhalb eines Jahres - erklären lässt. Die Kundenliste weist bekannte Namen wie Caterpillar, Kawasaki, Safeway, Sybase und Gateway Computers auf. In Europa kommt die Niku-Software bislang nur bei Cisco zum Einsatz.

Der PSA-Spezialist offeriert seiner Klientel eine Palette Web-basierender Softwarewerkzeuge, die mit unstrukturierten Informationen arbeiten können, von daher speziell auf die wissens- und dokumentenbasierten Wertschöpfungsprozesse der Dienstleistungsindustrie abgestimmt sind und den Informationsfluss innerhalb der Serviceeinheiten oder zwischen Anbieter, Kunden, Partnern und Lieferanten sicherstellen sollen. "Eniku" deckt die Ansprüche größerer Unternehmen ab; die für kleinere und mittlere Firmen vorgesehene Ausführung "Xniku" weist eine Schnittstelle für Application Service Provider (ASP) auf; hinter der Web-Adresse "Iniku.com" steckt eine Web-basierte Plattform, mit der sich vorhandene Ressourcen verwalten lassen.

Neben Mitarbeiterausstattung und Rechnungsstellung zählt das Projekt-Management zu den wesentlichen Komponenten des Servicegeschäfts. Hier kommt ABT ins Spiel. Mit ihrer "Results Management Suite" (RMS) vermarkten die New Yorker eine Projekt-Management-Umgebung für IT-Vorhaben, die leider einen Schönheitsfehler hat: Sie basiert auf der Client-Server-Architektur, ist also nicht Web-fähig.

Deshalb muss ABT sein Flaggschiffprodukt zu einem "Technologiesprung" zwingen, erläutert Stephan Heinrich, Geschäftsführer der in München ansässigen ABT Deutschland GmbH. Die dafür erforderlichen Geldmittel seien aus dem Eigenwachstum des privatwirtschaftlichen Unternehmens nicht aufzubringen, obschon die zwei Jahrzente alte und 400 Mitarbeiter starke ABT Corp. im vergangenen Jahr 72 Millionen Dollar umsetzte und eigenen Angaben zufolge schwarze Zahlen schrieb. Von einem Börsengang hatte das Unternehmen, so Heinrich, wenig zu erwarten: "Um Kapital an der Wallstreet zu beschaffen, sind wir nicht sexy genug."

Nach der im Mai rechtskräftig gewordenen Übernahme soll nun Niku das Produkt-Reengineering finanzieren. Wie Heinrich beteuert, war Niku für ABT aber nicht nur ein Geldgeber, sondern ein "Wunschpartner", der RMS in seine eigene Toolsuite integrieren wolle. Schon im Sommer 2001 werde das erste Niku-Release mit RMS-Funktionalität auf den Markt kommen. Allerdings erweitere das Produkt vorerst nur die RMS-Version 3.9 "so, wie sie ist", um ein "Web-Look-alike". Das Code-Reengineering werde später folgen, wohingegen die organisatorische Integration der beiden Unternehmen schon für den Herbst dieses Jahres geplant sei.

Gleichzeitig mit ABT hat Niku zwei weitere Unternehmen akquiriert: 600 Monkeys, einen Spezialanbieter von Unterstützungssoftware für die Werbebranche, und Bsource, Betreiber einer professionellen Ressourcenbörse für E-Commerce-Projekte.

Neben ABT wurden zwei weitere Firmen geschlucktInsgesamt gab Niku für die drei Übernahmen 89,5 Millionen Dollar aus, von denen allerdings nur 13 Millionen in bar flossen und der Rest in Form von Aktien ausgebracht wurde. Der Löwenanteil der gesamten Kaufsumme dürfte auf ABT entfallen sein.

Nikus Kriegskasse ist immer noch gut gefüllt. Weitere Akquisitionen sind also keinesfalls ausgeschlossen. Laut Heinrich sucht das Unternehmen weiter nach Branchen-Know-how, wie es 600 Monkeys für die Werbewirtschaft mitgebracht habe. Zum anderen interessiere es sich für horizontale Erweiterungen, vor allem in den Bereichen Knowledge-Management und Abrechnungssysteme.