Kampfansage an arrivierte Anbieter wie Ariba und Commerce One

Börsengang soll Heiler Software im B-to-B-Business Flügel verleihen

06.10.2000
STUTTGART (gh) - Mit einer sehr ambitionierten Zielsetzung hat sich nun die Heiler Software AG aus der Deckung gewagt. Das Stuttgarter Softwarehaus kündigte für November den Börsengang am Neuen Markt an. Mit den Einnahmen aus dem Going Public soll die weltweite Vermarktung einer selbst entwickelten Standardsoftware für digitale Marktplätze, Beschaffungsplattformen und Portale vorangetrieben werden.

Vorstandsvorsitzender Rolf Heiler positionierte seine Company vor Journalisten in Stuttgart mit markigen Worten: "Es geht nicht um den in der Sonne glitzernden Eisberg irgendwelcher Internet-Marktplätze, sondern um Software-Hardcore-Probleme unterhalb der Wasseroberfläche." Ein Marktsegment, bei dem sich nach Heilers Ansicht sehr schnell die Spreu vom Weizen trennen dürfte. Sein eigenes Unternehmen soll dann aber zu den führenden Anbietern von Standardsoftware für virtuelle Handelsplattformen zählen. Kernprodukt und auch zentraler Bestandteil der IPO-Story ist die selbst entwickelte Suite "High-Commerce", in die die Schwaben eigenen Angaben zufolge rund 170 Mannjahre Entwicklungsarbeit investiert haben.

Die Lösung ist modular aufgebaut und verfügt über entsprechende XML-basierte Schnittstellen zu gängigen Legacy-Systemen im Backoffice wie R/3, Oracle und IBM (DB/2). Aufgrund der Funktionalität, Skalierbarkeit und dem Standardisierungsgrad der Suite lassen sich spezialisierte und komplexe Geschäftsmodelle respektive individuelle Marktplätze in kürzester Zeit erstellen, hieß es. Tragende Säulen des "High-Commerce"-Konzeptes sind neben den Tools zum Bau von Marktplätzen ein Interaktionsportal für Finanzdienstleister, ein in Zusammenarbeit mit dem Debis Systemhaus betriebene ASP-Procurement-Lösung sowie ein gemeinsam mit der Itelligence AG entwickeltes Katalogsystem (siehe Abbildung).

Vor allem Letzteres scheint sich derzeit im noch sehr diffusen Markt der Marktplatzausrüster als vermeintliches K.O.-Kriterium herauszukristallisieren. Viele der einschlägigen Softwareanbieter haben hier Lücken in ihrem Produktportfolio. Rolf Heiler gab sich jedenfalls entsprechend optimistisch, was die Marktaussichten seiner Company angeht. Man wolle sich vom prognostizierten Volumen (Forrester Research geht beispielsweise im Jahr 2004 von rund 4,6 Milliarden Dollar weltweitem Umsatz mit Software für virtuelle Marktplätze aus) ein ordentliches Stück vom Kuchen abschneiden. Ertragssäulen von Heiler Software sind dabei neben dem Erstgeschäft mit Lizenzen (skalierbar nach Funktionalität und Prozessorleistung) eine Nachlizenzierung bei Steigerung der Prozessorleistung, Wartung und Softwarepflege, Dienstleistungen sowie in Einzelfällen eine unternehmerische Beteiligung beim Betreiber.

Mit seinem Kurs fährt Firmenchef Heiler allerdings im Moment volles Risiko. So wurde das bereits seit 1987 existierende Systemhaus, dessen Kernkompetenz ursprünglich in der Erstellung von Individualsoftware für Banken, Versicherungen und große Industrieunternehmen lag, in den beiden vergangenen Jahren konsequent zur Internet-Software-Company. Das alte Projektgeschäft wurde völlig aufgegeben; die Produktentwicklung von "High Commerce" war (auch finanziell) aufwändig. Seit dem Frühjahr 1999 gab es deshalb mehrere Finanzierungsrunden mit der britischen Venture-Capital-Gesellschaft 3i, die derzeit rund 24 Prozent der Anteile hält. Auch SAP stieg mit rund zehn Prozent ein. Angst, zwischen den sich im vermeintlichen Zukunftsmarkt digitaler Marktplätze abzeichnenden "Kartellen" von Ariba/IBM/i2 beziehungsweise Microsoft/ SAP/Commerce One zerrieben zu werden, hat der umtriebige Schwabe offenbar nicht. "Commerce One und Ariba spielen auf dem deutschen Markt noch so gut wie keine Rolle", lehnte sich Heiler mit Blick auf die arrivierte Konkurrenz aus dem Fenster. Zudem sei die Tatsache, dass man bereits im Geschäftsjahr 1999/00 (Ende: 30. September) mit 9,4 Millionen Mark den Umsatz des Vorjahres nahezu verdoppeln konnte, als "eindeutige Akzeptanz der neuen Produkte im Markt" zu werten. Nähere Details zum für Mitte November geplanten Börsengang will das Unternehmen am 30. Oktober bekanntgeben.

Abb: Weg in die Zukunft: Das Lösungskonzept von Heiler Software beruht auf vier Säulen. Quelle: Heiler Software AG