Börsengang soll Expansion absichern

Börsengang soll Expansion absichern Brain macht im umkämpften ERP-Mittelstandsmarkt mobil

19.02.1999
Von Beate Kneuse BREISACH - Große Ziele im ERP-Markt für den Mittelstand hat sich die Brain International AG gesteckt. Der Spezialist für betriebswirtschaftliche AS/400-Standardsoftware, der vergangenes Jahr aus der Fusion von Rembold + Holzer und BIW hervorgegangen ist, erwartet nicht zuletzt aufgrund weiterer geplanter Zukäufe einen deutlichen Umsatzschub. Finanziert werden soll die Expansion vor allem durch den Gang an die Börse.

Über mangelnde Arbeit kann sich Kurt Rembold, im Brain- Vorstand zuständig für den Vertrieb, zusammen mit seinen zwei anderen Vorstandskollegen derzeit nicht beklagen. Der Integrationsprozeß von Rembold + Holzer und BIW läuft weiter auf Hochtouren, die erste Bilanz von Brain International ist gerade vorgestellt worden, und in Kürze steht das Going Public an. Mit Schützenhilfe der Frankfurter DG-Bank will sich der Softwaremittelständler am 10. März 1999 an die Börse begeben. "Der Neue Markt ist für uns die ideale Plattform. Die Nasdaq wäre aber in einem zweiten Schritt durchaus denkbar", gibt sich Rembold selbstbewußt. In der Tat könnte die Brain-Aktie, die voraussichtlich am 4. März in die Bookbuilding-Phase geht, für die Anleger ein attraktives Papier werden. Denn bei der auf die AS/400-Welt spezialisierten ERP-Softwareschmiede stehen alle Zeichen auf Wachstum.

Im Geschäftsjahr 1998 erzielte Brain International einen Umsatz von 169,6 Millionen Mark. Damit verzeichnete die neuformierte Gesellschaft nicht nur eine Steigerung von fast 51 Prozent gegenüber dem addierten Umsatz von Rembold + Holzer und BIW im Vorjahr (112,4 Millionen Mark), sondern übertraf mit fast zehn Millionen Mark auch die ursprünglichen Schätzungen vom Oktober vergangenen Jahres. Über dem Plansoll liegt auch die Mitarbeiterentwicklung: 790 Beschäftigte waren anvisiert; 803 standen am Jahresende schließlich auf der Gehaltsliste. Dazu trug allerdings auch die Übernahme der Karlsruher IdeeV Gesellschaft für Computer und Anwendungssysteme mbH kurz vor Jahreswechsel bei.

Der frühere IBM-Hauptentwicklungspartner für die Komplettlösung "Brain AS", die 1997 an die BIW überging, erzielte 1998 mit 51 Mitarbeitern einen Umsatz von rund elf Millionen Mark.

Stürmisch weiterwachsen will Brain International auch im laufenden Geschäftsjahr. Zwar dürfte sich der Jahresüberschuß, der 1998 bedingt durch die Fusionskosten bei nur 7,5 (1997: 17,9) Millionen Mark lag, aufgrund der Investitionen für den Börsengang in Höhe rund fünf Millionen Mark nicht wesentlich verbessern, beim Umsatz aber sind rund 270 Millionen Mark ins Visier genommen. Die Belegschaft soll um 400 Mitarbeiter zulegen. Beides will Brain nicht zuletzt mit weiteren Akquisitionen realisieren, die die Führungsriege jedoch nicht überstürzt angehen will. "Es muß passen. Wir wollen auf keinen Fall den Fehler von Baan begehen, alles zusammenzukaufen, was sich im Markt bewegt", betont Rembold. Im Januar machte man jedenfalls mit der Übernahme der Schweizer CIM AG, die mit den dort bereits bestehenden BIW-Aktivitäten zur Brain Schweiz AG Software & Consulting verschmolzen wurde, den Anfang.

Befürchtungen, daß die Schwarzwälder dem wachsenden Konkurrenzdruck im mittelständischen PPS- und ERP-Markt (PPS = Produktionsplanung und -steuerung; ERP = Enterprise Resource Planing) nicht standhalten können, hat Rembold nicht. "Durch die Fusion haben wir die kritische Größe erreicht, die unseren Kunden entsprechende Investitionssicherheit gewährleistet", wähnt sich der Brain-Vorstand auf der sicheren Seite. Was nichts daran ändert, daß auch er schwierigere Zeiten für seinen Markt erwartet: "Spätestens, wenn die Themen Jahr 2000 und Euro vom Tisch sind, werden die Karten neu gemischt. Die Zahl der Anbieter von mittelstandsgerechten ERP-Lösungen wird sich dann auf nur wenige reduzieren."

Derzeit, rechnet er vor, tummeln sich 200 bis 250 kleinere Softwarehäuser in der deutschen PPS- und ERP-Szene. Darunter seien Unternehmen mit 40 bis 50 Mitarbeitern und 60 bis 80 Kunden - zu klein, um konkurrenzfähig zu sein. Besagte Firmen würden aber auf Dauer weder dem Druck der Großen wie SAP, J.D. Edwards, Oracle oder Baan, noch dem Konkurrenzkampf untereinander standhalten können, macht sich der Brain-Vorstand die pessimistische Prognose vieler Experten zu eigen. Gleichzeitig hofft er jedoch: Die Anwender bräuchten "Alternativen" in Form spezifischer Lösungen. Das sei "unsere Chance, die wir nutzen müssen".

Konkurrenzlos als ehrgeiziger deutscher Mittelständler ist die Brain International AG deshalb aber noch lange nicht. Firmen wie SoftM, PSI, Infor sowie das eine oder andere SAP-Systemhaus haben sich bekanntlich auch einen strammen (internationalen) Expansionskurs auf ihre Fahnen geschrieben. Was die Schwarzwälder im Markt bisweilen ganz schön zu spüren bekommen - und natürlich die Dominanz der SAP. Gerade auf die Walldorfer trifft der AS/400- Softwarespezialist nach eigenem Bekunden sehr häufig bei Anwenderunternehmen ab 1000 Mitarbeitern. Vor allem im internationalen Zuliefergeschäft für die Automobilindustrie, dem angestammten Marktsegment der ehemaligen Rembold + Holzer Holding, versuche SAP, "mittelständische Entscheidungen zu beeinflussen", kommentiert Rembold die vielzitierte Mittelstandsoffensive der Walldorfer.

Große Hoffnungen setzen die Brain-Macher deshalb vor allem auch in das amerikanische Mittelstandsgeschäft. "Das spielt für die SAP noch keine Rolle", meint Rembold. "Dort gibt es noch zuviel potentielles R/3-Geschäft bei Großkonzernen." Zwei Brain- Niederlassungen in Detroit und Atlanta sind bereits gegründet, eine dritte in New York soll in Kürze folgen. Rembold erwartet, daß die US-Aktivitäten im laufenden Jahr rund 14 Millionen Mark zum Gesamtumsatz beisteuern. Im Jahr 2004 sollen es bereits 80 Millionen Mark sein. Dann will man ohnehin 50 Prozent aller Einnahmen im Ausland erwirtschaften. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr erzielten die Schwarzwälder im Ausland mit 14 Niederlassungen rund 23,6 Millionen Mark Umsatz.

Aber auch in Deutschland ist das Kundenpotential nicht von schlechten Eltern. Laut Rembold gibt es hierzulande etwa 35000 AS/400-Anwender. Allein 5250 Fertigungsbetriebe setzten auf die IBM-Plattform. "In diesem Markt sind wir mit derzeit 1200 Installationen mit Abstand die Nummer eins bei betriebswirtschaftlicher Standardsoftware", betont Rembold.

Brain International AG

Am 21. August 1998 wurde die Fusion von Rembold + Holzer (R+H), Breisach, und der BIW GmbH, Weinstadt, beides Anbieter von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware für die AS/400-Welt, vollzogen. Der Schulterschluß kam seinerzeit nicht von ungefähr. "Jeder für sich war zu klein, um den anstehenden Umbruch im Mittelstand aktiv mitgestalten zu können", erklärt Kurt Rembold, Mitbegründer von Rembold + Holzer. In der Tat gab die Bündelung der Geschäfte Sinn. R+H, fokussiert auf die mittelständische Zulieferindustrie, brachte ein komfortables internationales Geschäftsstellennetz in die Ehe mit ein. Die BIW, 1973 von Helmut Polzer gegründet, steuerte die technologische Kompetenz vor allem in Sachen Objektorientierung bei. Außerdem hatten beide Unternehmen für 1999 den Börsengang ins Auge gefaßt.

Am 18. Dezember 1998 wurde die Brain International AG ins Handelsregister eingetragen. Einen offiziellen Vorstandschef gibt es noch nicht. Derzeit stellen sich die Besitzverhältnisse wie folgt dar: Kurt Rembold und Thomas Holzer halten jeweils 27,5 Prozent, Helmut Polzer acht Prozent. Darüber sind noch Schitag Ernst & Young mit 27 Prozent sowie IBM mit zehn Prozent beteiligt, was aus den Verträgen mit der früheren BIW resultiert. Nach dem Börsengang, in dessen Rahmen 40 Prozent der Anteile öffentlich gehandelt werden sollen, werden sich die jetzigen Beteiligungen entsprechend reduzieren.

Beate Kneuse ist freie Journalistin in München.