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Board-Mitglied: Falsche Angaben brachten Peoplesoft-CEO Conway zu Fall

05.10.2004

Ein Mitglied des Peoplesoft-Boards hat am gestrigen Montag Licht in die Hintergründe für die Entlassung des CEOs Craig Conway am vergangenen Freitag (Computerwoche.de berichtete) gebracht. Conway habe unter anderem gegenüber Finanzanalysten im September 2003 den negativen Einfluss des feindlichen Übernahmeversuchs auf den Geschäftsverlauf seines Unternehmens leichtsinnig heruntergespielt, sagte Steven Goldby vor einem Gericht in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware aus. Außerdem hätte der Verwaltungsrat zunehmend Probleme mit Conways Drang gehabt, sich um alles selbst zu kümmern. Drei der Topmanager, die direkt an Conway berichteten, seien "wirklich furchtbar unglücklich darüber gewesen", mit ihm zusammenzuarbeiten, so Goldby.

Der anfänglich positive Eindruck von Conway habe sich bereits vor zwei Jahren verschlechtert, als dieser Tom Jones, den damaligen Vertriebschef für Nordamerika gefeuert hatte, berichtete das Verwaltungsratsmitglied. Anfang dieses Jahres habe er dann zahlreiche Klagen von Peoplesoft-Führungskräften vernommen, die sogar mit Rücktritt drohten.

Das Board hätte bereits früher über einen Rauswurf Conways nachgedacht, erklärte Goldby. Mit den - nach vorläufigen Berechnungen - überraschend guten Ergebnissen von Peoplesoft im dritten Quartal habe man eine Möglichkeit gefunden, gleichzeitig auch Positives zu berichten.

Der Verwaltungsrat von Peoplesoft hatte am vergangenen Freitag überraschend CEO Conway entlassen und durch dessen Vorgänger, den Firmengründer und Chairman Dave Duffield, ersetzt. Auf einer Telefonkonferenz hatte der Sprecher des Verwaltungsrats, George Battle, erklärt, dass keinerlei Verfehlungen wie etwa Bilanzunregelmäßigkeiten zu Conways Entlassung geführt hätten. Vielmehr habe der Verwaltungsrat im Laufe der Zeit zunehmende Zweifel an den Führungsqualitäten gehegt und das Vertrauen in den Topmanager verloren. Mit der geplanten feindlichen Übernahme durch den Konkurrenten habe die Entscheidung nichts zu tun. Der Lieferant von Business-Software stehe dem Angebot weiterhin ablehnend gegenüber. Analysten und Investoren sahen in der Demission dennoch ein erstes Anzeichen dafür, dass das Unternehmen nun bereit ist, mit Oracle zu verhandeln.

Unabhängig davon macht der Datenbankriese bei seinem Vorhaben nach gut 16 Monaten langsam Vorschritte: Erst vor zwei Wochen hatte ein US-Bundesgericht eine Kartellklage des US-Justizministeriums abgeschmettert und entschieden, dass Oracle weiter daran arbeiten darf, den Wettbewerber Peoplesoft zu übernehmen. Wie das Justiministerium am Freitag bekannt gab, wird es keine Berufung gegen das Urteil einlegen.

Seit Montag läuft außerdem der von Oracle beantragte Prozess gegen die so genannten "Giftpillen" von Peoplesoft. Um die Übernahmepläne des Konkurrenten zu erschweren, hatte Peoplesoft seinen Kunden im vergangenen Jahr eine Rückerstattung des Kaufpreises zugesichert, falls die Produkte nach einer Übernahme nicht mehr unterstützt und weiterentwickelt werden. Vor kurzem sicherte das Unternehmen außerdem seinen Managern und Angestellten für den Fall einer übernahmebedingten Entlassung vertraglich höhere Abfindungen zu. Sollte Oracle wie angekündigt rund die Hälfte der 12 000 Peoplesoft-Mitarbeiter auf die Straße setzen, schätzen Experten die zusätzlichen Kosten für Oracle auf bis zu 200 Millionen Dollar. (mb)