Softwareprojekte managen/Kollaboratives Projekt-Management in der Praxis

BMW koordiniert weltumspannende Prozesse

05.07.2002
"Collaboration" steht für eine neue Art und Weise, Projekte abzuwickeln. Der Unternehmensbereich Motorrad der BMW Group ist diesen Weg gegangen und hat für den Vertriebs- und Produktionsprozess ein komplexes Management-Geflecht zur weltweiten Zusammenarbeit von eigenen Teams und Partnern geschaffen. Von Udo Hartmann*

Immer häufiger werden Projekte über Unternehmens- und Landesgrenzen hinweg gesteuert. Doch nicht jedes von ihnen hat deswegen einen collaborativen Charakter. Vielmehr müssen nach Ansicht von Hasso Reschke, Professor am Institut für Projekt-Management an der Fachhochschule München und Mitbegründer der Gesellschaft für Projekt-Management (GPM), eine Reihe Kriterien erfüllt sein. So sind collaborative Projekte für ihn durch weitgehend autonome Projektpartner geprägt, haben über mehrere Standorte verteilte Teams, sind multilokal und weisen Projektmitarbeiter aus mehreren Kulturkreisen sowie eine hohe Komplexität auf.

All diese Kriterien treffen auf die Implementierung eines kundenorientierten Vertriebs- und Produktionsprozesses (KOVP) des Unternehmensbereichs Motorrad bei der BMW Group zu. Bei diesem Projekt sollen das Supply-Chain-Management, also der Bereich Beschaffung, und das Kundenbeziehungs-Management so verbessert werden, dass sich mehr Motorräder als bisher nach Kundenwünschen fertigen lassen.

Die hohe Komplexität von "KOVP Motorrad" zeigt sich schon alleine im Aufwand: In das Gesamtprojekt fließen rund 250 Personenjahre ein, rund 50 Systeme sind betroffen und durchschnittlich 80 Mitarbeiter beteiligt. KOVP Motorrad startete im September 2000 und soll bis Ende 2005 abgeschlossen sein. Um Kosten zu sparen und Synergien zu nutzen, kommen die für die Produktlinie PKW vorhandenen Vertriebs- und Produktionsplanungssysteme zum Einsatz. Das Projekt umfasst also nahezu alle Systeme der Prozessketten Fahrzeug und Motorrad.

Da sich diese jedoch aufgrund ihrer Anzahl und Komplexität nicht in einem einzigen Schritt migrieren lassen, wurde KOVP in drei Leistungsstufen, und diese wiederum in rund 20 Leistungspakete unterteilt. Eine solche Stückelung in zahlreiche kleine Teil- und Unterprojekte mit verschiedenen Projektverantwortlichen ist charakteristisch für collaborative Projekte. In der Leistungsstufe 1 wird bei BMW in drei aufeinander aufbauenden Leistungspaketen gesichert, dass die Motorräder online bestellt werden können, und dies in einem Pilotmarkt nachgewiesen. Parallel dazu werden in Leistungsstufe 2 die Logistikprozesse sowie die Teilekette verbessert.

Die Leistungsstufe 3 umfasst den weltweiten Rollout des Online-Bestellvorgangs für Motorräder, die Integration weiterer für das Motorradgeschäft relevanter Abläufe in die KOVP-Prozesse der BMW Group sowie, wo dies sinnvoll ist, die Ablösung motorradspezifischer Systeme. Mit der Qualitätssicherung im Projekt, dem Projekt-Office, Coaching und Unterstützung beim Management of Change hat die BMW Group ihre Tochter Softlab beauftragt. Insgesamt sind etwa 100 Organisationseinheiten aus fünf Ressorts der BMW AG, sieben europäische, drei Überseemärkte und fünf weitere IT-Dienstleistungsunternehmen an insgesamt 20 Standorten an dem Projekt beteiligt.

Vielfalt der Projektkulturen

Die Projektbeteiligten stammen aus verschiedenen Unternehmen. Neben Mitarbeitern aus autonom operierenden Ressorts der BMW Group sind auch Handelsorganisationen sowie verschiedene Subunternehmer vertreten. Zwar gelten für alle Ressorts innerhalb der BMW Group die gleichen Prozesse für das Ziel- und Entscheidungs-Management, doch herrschen verschiedene Projektkulturen vor. Aus der Autonomie ergibt sich außerdem, dass der Projektleiter Berndt Walter, obwohl er in allen drei Leistungsstufen als primärer Auftraggeber fungiert, keine direkte Weisungsbefugnis gegenüber allen Projektmitarbeitern besitzt.

Wie in collaborativen Projekten üblich, agieren die Projektteams von KOVP Motorrad räumlich voneinander getrennt. So stammen die Teilnehmer aus unterschiedlichen, international verteilten Ressorts und werden je nach Bedarf in Teams standortübergreifend zusammengestellt. Dabei wird darauf verzichtet, alle an einem Leistungspaket beteiligten Personen an einem Ort zusammenzuziehen. Neben vertraglichen Vereinbarungen mit den Mitarbeitern sind hierfür insbesondere parallele Aufgaben in anderen Projekten ausschlaggebend. Die Mitarbeiter sind außerdem oft zufriedener, wenn sie in ihrem gewohnten sozialen und beruflichen Umfeld verbleiben können.

Dennoch ist die Zusammenarbeit nicht ohne Probleme. "Während die Vertriebs-IT von Geisteswissenschaftlern geprägt ist, sind in der Produktions-IT überwiegend die Ingenieure zu Hause", so Karl-Heinz Bruckner, Inbetriebnahme-Manager im Projekt. "Da prallen gelegentlich schon zwei verschiedene Denk- und Vorgehensweisen aufeinander." Hier erwies sich der Einsatz eines Coaches, der die Projektprozesse begleitet und Konflikte vermeidet oder aufarbeitet als sehr nützlich.

Für den Erfolg komplexer collaborativer Projekte sind laut GPM-Mitgründer Reschke fünf Faktoren ausschlaggebend: ein homogenes Projektverständnis, effektive Projektkommunikation, wirksame Steuerung autonomer Projektpartner, guter Informationsfluss im Projekt sowie die Bildung arbeitsfähiger virtueller Teams. Für KOVP Motorrad heißt dies, dass der Ziel- und Entscheidungs-Management-Prozess der BMW Group gilt, das System für Qualitäts-Management der BMW Group für IT-Prozesse (ITPM) den Rahmen für Projektprozesse bildet sowie die vernetzten Projektpartner vom Beratungshaus Softlab mit Know-how in Projekt-Management und IT-Prozessen unterstützt werden.

In den Vorbereitungs-Workshops wurden zudem neben technischen Aspekte auch "weiche Fakten" und Spielregeln der Zusammenarbeit mit dem Kernteam des Projekts definiert. In regelmäßigen Abständen (Jour Fixe) tagen nun die Manager der Teilprojekte, sprechen über Probleme, den Projektstatus und fassen Beschlüsse. Zwar bezweckt ITPM ein homogenes Projektverständnis. Entscheidend war dabei jedoch, dass ein Qualitätssicherungsbeauftragter für die Einhaltung der ITPM-Regelungen sorgt und das Vier-Augen-Prinzip bei Gateways (Prüfungen zum Abschluss von Projektphasen) beachtet. Über den aktuellen Status des Projekts Qualitätssicherung und der einzelnen Leistungspakete wird regelmäßig im Intranet berichtet.

Ein eigens geschaffenes Projektbüro informiert die Beteiligten und erinnert sie an den Jour Fixe. Auch wurde eine standardisierte Projektablage sowie ein Dokumenten-Management gemäß des ITPM eingerichtet. Alle Teilnehmer müssen ihre Projekt-Mails innerhalb eines Arbeitstags beantworten und Termine in einem offenen Kalender elektronisch vereinbaren. Außerdem sollen Mitarbeiter gegebenenfalls auch nachgeschult werden, um Videoconferencing, Telefonkonferenzen oder Online-Meetings für die täglich Kommunikation zu nutzen. (as)

*Udo Hartmann ist Consultant bei der Softlab GmbH in München.

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Der Erfolg collaborativer Projekte wie das der BMW Group steht und fällt mit der Qualität des Projekt-Managements. Die Aufgliederung in Teil- und Unterprojekte sowie die Verpflichtung autonomer Projektpartner für einzelne Leistungspakete erfordern eine gut eingespielte und detaillierte Organisation. Wichtig sind ein gemeinsames Projektverständnis, geregelte Kommunikationsströme und für alle verbindliche Grundsätze.

Aus der Praxis lernen

Die Fähigkeit, autonom handelnde Projektpartner zu einer erfolgreichen Kooperation verbinden zu können, entscheidet darüber, ob strategische Ziele erreicht werden. Am 24. und 25. September greift die Expertentagung Managing Collaborative Projects in Darmstadt diese Fragen auf. Der Kongress wird von der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. in Zusammenarbeit mit der Softlab GmbH und der Fachhochschule München (TWT AG) veranstaltet. Über Modelle, Erfahrungen und "lessons learned" werden Experten unter anderem von Infineon, Daimler-Chrysler, Vodafone, BMW und A.T. Kearney diskutieren. Interessenten können sich unter www.twtag.de informieren und anmelden.

Abb: Alles unter Kontrolle behalten

In komplexen kollaborativen Projekten wie bei BMW gibt es eine Vielzahl von Erfolgsfaktoren und Maßnahmen zu koordinieren. Quelle: Softlab