MDT-Maßanzug für Kranfabrik

Blutige EDV-Laien schufen das Programm

22.04.1977

MÜNCHEN - "Endlos lange Fehlerprotokolle nach der Verarbeitung der Daten gehören den vergangenen Jahrzehnten an", freut sich Maschinenbau-Spezialist Frank Uszkurat, der mit seinem Kollegen Friedhelm Mücher - beide ursprünglich blutige EDV-Laien - die gesamte Anwendungs-Software für die firmeneigene EDV-Anlage bei der ABUS-Krantechnik KG in Gummersbach maßgeschneidert hat ABUS ist ein Kranbau-Unternehmen mit etwa 100 Beschäftigten. Vor exakt drei Jahren begann die Aufarbeitung der Probleme: In den Bereichen Produkt- und Materialeinkauf waren hochqualifizierte Fachkräfte durch teils minderwertige Routinearbeiten blockiert. Wichtige Aufgaben, wie zum Beispiel Angebotsverfolgung, Kundenbetreuung und Marktforschung, blieben liegen. In der Arbeitsvorbereitung und der Fertigungssteuerung fehlte es an Informationen.

Nun bediente sich die Lohn- und Finanzbuchhaltung des Hauses bereits der Dienstleistung "DV außer Haus". So lag es nahe, die nächsten DV-Schritte wieder mit Hilfe eines Rechenzentrums zu tun. Doch der Versuch mißlang.

Also entschloß sieh die Geschäftsführung, einen eigenen Rechner anzuschaffen - da über den "Zwang" zur Datenverarbeitung kein Zweifel bestand. Ein von Gier-Electronies in Hannover gemietetes Datapoint-System wurde installiert. Technische Daten: Datapoint-System 4220 bestehend aus Datapoint-Rechner 2200 mit 16 KB Speicherkapazität, zwei Plattenlaufwerken mit je 2,5 MB, Drucker (165 Zeichen/s Druckgeschwindigkeit) sowie einem Bildschirmgerät mit 960 Zeichen. Mit dabei das Betriebssystem das mit Datashare-Timesharing-System.

Mehr Problem-orientiert als Maschinen-freundlich

Die verwendete Programmiersprache war DOS Databus, eine Gier-eigene, COBOL-ähnliche Sprache. Alle von den beiden "Mehr-Maschinenbau-als-EDV-Spezialisten" geschriebenen Programme zeichnen sich durch eine anwenderfreundliche und relativ leicht einzuführende Form aus - durch die branchenspezifischen Kenntnisse der Verantwortlichen mehr Problem-orientiert als Maschinenfreundlich. (Alle Programme werden verkauft.)

Das erste Programm wurde - wegen der Dringlichkeit - zur Unterstützung des Frontbereiches Verkauf geschrieben: Ein Angebotssystem mit dem Inhalt: Kalkulation des Angebotes, Erfassen der variablen Angebotsdaten, Ausdruck des fertigen Angebots, Nachfassen des Angebots, Aufleistung der abgegebenen Angebote für den Vertreter, Angebotskalkulation und Ausgabe auf den Bildschirm zur Angebotsabgabe per Telefon.

Als "Gedächtnisstütze" wird eine Satistik geführt, die Auskunft über die zur Zeit im Wettbewerb befindlichen Projekte - und aus welchem Grund sie erteilt wurden - gibt.

Schnittstellen eingeplant

Der nächste Schritt war die Integration der Auftragsbearbeitung. Das Programmpaket besteht aus: Erfassen der Auftragsdaten; Drucken der Auftragsbestätigung, der kompletten Versandpapiere, eines Kranprüfbuches, von Fertigungs- und Lieferprogrammen, von Rechnungen sowie von Revisionsangeboten nach Auslieferung der Krananlagen; Erstellen der Provisionsabrechnung für den Vertreter, nebenher noch mehrere Statistiken. Im Laufe der Zeit gestellte sich dazu noch eine Materialdisposition. Schnittstellen für eine Fertigungssteuerung sind in dem Auftragsbearbeitungssystem bereits klar definiert - demnächst beginnt die Programmierung.

"Chronische" Überlastung beseitigt

Nachdem die Frontabteilung Verkauf durch die genannten Systeme entsprechende Unterstützung erhalten hatte, entstand das System Materialbeschaffung mit den Programmteilen Drucken von Anfragen und Bestellungen, Prüfen der Auftragsbestätigung, Drucken von Abrufinformationen aus Abrufbestellungen und einer offenen Bestelliste, sortiert nach Fälligkeit; halbautomatisches Mahnsystem, Verbuchen der Wareneingänge, Rechnungsprüfung sowie unterstützende Statistiken.

Als Rationalisierungseffekt stellte sich ein: In einer Abteilung, die ständig unter "chronischer" Überlastung litt, war Zeit für bislang verdrängte Aufgaben wie Marktforschung, Preisvergleich oder eine ausreichende Vorbereitungszeit vor Preisverhandlungen. In der ursprünglich fünf Mann starken Abteilung konnten außerdem zwei Personalabgänge ersatzlos "hingenommen" werden. Als "Abfallprodukt" bringt das Programm noch

Informationen für die Arbeitsvorbereitung und die Fertigungssteuerung.

Schreibautomaten abgeschafft

Die Systeme Lohn und Gehalt - bislang immer noch außer Haus bearbeitet - konnten nun ebenfalls endgültig zurückgeholt werden.

Nach der Einführung der FiBu kamen die Schwachstellen der Firma dran. Besonders fielen die hohen Kosten der Korrespondenz jeglicher Art auf: Es gab zwei Schreibautomaten (Mietwert 1800 Mark) und sechs Schreibkräfte. Nach Aufbau einer Textdatei mit etwa 6000 Sätzen (indexsequentiell organisiert) konnten die Schreibautomaten abgeschafft werden, die Schreibabteilung bei ABUS besteht heute aus drei Schreibkräften und drei Bildschirmen.

Aus den Nähten geplatzt

Daß diese Anzahl von Programmen die Kapazität des "Start" -Systems 4220 sprengt, ist verständlich. So präsentiert sich die Anlage heute - den Erfordernissen entsprechend aufgerüstet: Datapoint-System 4540 mit Rechner 5500 (48 KB plus 16 KB ROM), zwei Plattenlaufwerken mit 25 MB je Platte, einem Drucker (300 Zeilen/Minute), zehn Bildschirmen und einem Lochstreifenstanzer.

Die überwiegend positiven Erfahrungen mit der EDV erklären sich FriedheIm Mücher und Frank Uszkurat mit der dezentralen Verarbeitung via Bildschirme - daher keine Engpässe - und mit der Datenspeicherung auf Magnetplatten mit indexsequentieller Datei-Struktur - Direkt-Zugriff auf Daten, die für Entscheidungen relevant sind.