Blogs und Wikis erfolgreich nutzen

14.06.2007
Von Peter Schütt
Das Web 2.0 hält Einzug in die Unternehmen. Dennoch wisssen viele IT-Leiter noch nicht, was sie mit der Social Software anfangen sollen.

Wikis und insbesondere Blogs haben sich in den letzten drei Jahren zum Renner des öffentlichen Internet gemausert. Jetzt beginnen die beiden Web-2.0-Werkzeuge auch ihren Siegeszug in Unternehmen und verändern damit die Zusammenarbeit mehr, als es fünfzehn Jahre Wissens-Management geschafft haben. Wenn die Gartner Group im Dezember 2006 verlauten ließ, dass "Social Software für Unternehmen die größte Erfolgsgeschichte des Jahrzehnts, bezogen auf neue Arbeitsplatztechnologien sein wird", so scheint das keinesfalls übertrieben. Ohne Zweifel hat diese Entwicklung auch Deutschland schon erfasst, wie der Re:Publica-Kongress in Berlin zeigte, an dem im April mehr als 700 Blogger teilnahmen. Trotzdem ist die Verunsicherung im Moment noch groß. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein CIO von einer Konferenz zurückkehrt und kundtut, dass der Wettbewerber bereits 35 Wikis habe und man nun unbedingt auch damit anfangen müsse – ohne das klar ist, wofür eigentlich.

Hier lesen Sie ...

Welche Rolle Blogs und Wikis in Unternehmen spielen können;

Welche Tricks die Effizienz der Nutzung erhöhen;

Warum Insellösungen nicht hinreichend sind.

Enterprise 2.0: Vorreiter sind schon unterwegs

Es gibt aber durchaus Unternehmen, die Web-2.0-Lösungen schon intensiv nutzen. So haben bei IBM bald 15 Prozent der Mitarbeiter ein eigenes Blog und 4500 interne gelten mit mindestens zwei Einträgen pro Woche als besonders aktiv. An den knapp mehr als 8800 Wikis beteiligt sich bereits fast die Hälfte der Mitarbeiter. Sie haben dort mittlerweile über 143 000 Seiten verfasst. IBM setzt dabei Vorversionen der Produkte "Lotus Connections" und "Lotus Quickr" ein, die Ende Juni auf den Markt kommen sollen. Die praktische Erfahrung der IBM-internen Nutzung floss in die Gestaltung dieser Werkzeuge ein.

Der Einstieg in Web 2.0-Techniken erfolgt häufig über Weblogs. Sie sind den klassischen Foren verwandt, indem fortlaufend Einträge chronologisch publiziert werden. Aber es gibt auch Unterschiede zu den etablierten Online-Diskussionen:

Weblogs sind in der Regel personenbezogen, denn allein sein Besitzer entscheidet über das von ihm gewählte Themenpotpourri, während Foren eher themenbezogen sind und von verschiedenen Autoren und einem Moderator leben. Es gibt allerdings auch rein themenbezogene Blogs, die manchmal auch von einer Gruppe von Personen editiert werden. Hier verschwimmen die Unterschiede.

Blogs müssen im Unternehmen erst einmal bekannt werden

Blogs lassen sich über Feed-Technologie sehr einfach abonnieren, während die meisten Forenupdates immer noch klassisch per Mail versandt werden und damit die Postkörbe verstopfen. Um Letzteres zu vermeiden, tendieren Mitarbeiter dazu, Foren nur in Ausnahmefällen zu abonnieren. Die Konsequenz ist, dass sie schlechter informiert bleiben. Blog-Einträge lassen sich per Feed-Reader separat von der E-Mail lesen und haben damit einen höheren Grad an Benutzerfreundlichkeit.

Vor dem Abonnieren muss der Nutzer aber erstmal von der Existenz der Online-Journale wissen. Hier helfen Suchmaschinen, aber es gibt andere Tricks: Wichtig ist die so genannte Blogrolle, in der ein Autor die von ihm gelesenen Blogs auflistet. Außerdem empfiehlt es sich, neue Beiträge gezielt dann freizuschalten, wenn die Chance am größten ist, viele Leser zu erreichen. So ist es in international agierenden Unternehmen wenig sinnvoll, Texte, die auch amerikanische Kollegen lesen sollen, nach europäischer Zeit morgens in das Blog zu stellen. Damit wartet man besser, bis um 15 Uhr die Sonne an der amerikanischen Ostküste aufgeht. Selbst wenn das Publikum nur aus Deutschen besteht, gibt es gute Zeiten und schlechte Zeiten. Abends Veröffentlichtes findet nur ein kleines Publikum. Die meisten lesen Blogs, wenn sie mit der Mail durch sind, also morgens gegen 10 Uhr und dann nachmittags zur Kaffeepausenzeit gegen 15 Uhr. Die meisten Tools bieten deshalb eine Funktion für das automatische Publizieren zu einem vorgegebenen Zeitpunkt.

Welche Beiträge interessieren die KOllegen?

Viele Neublogger in Unternehmen sind zunächst unsicher, welche Inhalte gut ankommen. Eines spüren sie schnell: Klatsch und Tratsch oder Ich-bin-auch-Goethe sind es im Gegensatz zum öffentlichen Web nicht gefragt. Hier will man handfeste Information mit Bezug zum Geschäft. Eine gute Faustregel ist, dass sich alles gut macht, zu dem man von Kollegen schon zwei- oder dreimal gefragt wurde. Das hat in der Folge dann auch den Vorteil, dass man weniger durch weitere Telefonate gestört wird, weil die Kollegen die Antworten im Blog finden können.

Wichtige Blogger sind die Produkt-Manager, die das Vertriebsteam regelmäßig informieren müssen und überhaupt alle Personen, die bisher einen (internen) Newsletter herausgegeben haben – und sei es nur in der Form regelmäßiger E-Mails an einen Verteiler. Wichtige Schreiber sind damit auch die Manager und die Betriebsräte. Der Vorteil von Blogs ist, dass man auch ältere Beiträge immer wieder leicht findet und das alles nur einmal zentral gespeichert werden muss.

Als erfolgreiche Blogs gelten gemeinhin diejenigen, die am häufigsten gelesen werden oder auch diejenigen, die die meisten Kommentare erhalten. Schon allein um Werbung für diese Blogs zu machen, sollten Unternehmen entsprechende Hitlisten veröffentlichen. Deren Motivationswert sollte man auch nicht unterschätzen. Es ist aber nicht immer die Masse: auch weniger frequentierte Blogs mit einer eingeschworenen (Experten-)Leserschaft können Wert für das Unternehmen haben.

Ein Wiki für Glossare, Best Practices und Dokumentationen

Die Einsatzgebiete von Wikis – das Wort stammt aus dem Hawaiianischen und bedeutet "schnell" - sind völlig andere: Hier geht es darum gemeinsam einen Mehrwert zu erzeugen, indem man zum Beispiel einen Text gemeinsam bearbeitet. Bei Wikis steht nicht die Aktualität im Vordergrund, sondern die inhaltliche Qualität. Das bekannteste Beispiel ist immer noch die 2001 gegründete Wikipedia. An ihr arbeiten Tausende von Freiwilligen mit und verbessern Texte immer weiter, was das Potenzial von Wikis für alle Best Practices Prozesse aufzeigt. Zwar kämpft Wikipedia mit Vandalismus, dieser ist aber innerhalb von Unternehmensstrukturen nicht zu erwarten, zumal wenn Mitarbeiter ihre Einträge grundsätzlich namentlich kennzeichnen müssen.

Beispiele für die Nutzung von Wikis sind:

• Jegliche Formen von Glossaren und Enzyklopädien. Das kann beispielsweise in der chemischen Industrie eine Liste aller Compounds sein, an denen geforscht wurde, in der herstellenden Industrie eine Liste aller Anwendungen, die man mit den gefertigten Komponenten umsetzen kann oder in der Automobilbranche ein Glossar aller Fachbegriffe für den Vertrieb.

• Community-orientierte Best Practices-Datenbanken

• Arbeitsbereiche für das gemeinsame Erstellen komplexer Dokumente, wie Handbücher, umfangreiche Angebotstexte und Ähnliches

Nachdem die kleine Hürde der speziellen Wiki-Syntax, die in den Anfangszeit noch für das Editieren von Texten erlernt werden musste, bei aktuellen Lösungen weitgehend verschwunden ist, laufen Wikis Gefahr, als Werkzeug für Alles missbraucht zu werden. Da werden Testzeiten für eine Apparatur über ein Wiki gemanagt, obwohl ein Teamkalender wesentlich besser geeignet wäre. Oder es werden strukturierte Daten plötzlich in einem Wiki abgelegt, obgleich dafür auch eine Datenbank existiert. Da stellt sich aber die Frage an die Zuständigen für Datenmanagement, ob man Wikis wirklich als Allerweltswerkzeug zulassen möchte, wenn es doch bewährte Verfahren der Archivierung und die Einbindung in Suchmaschinen für die bisherigen, strukturierte Lösungen gibt.

So unterschiedlich Blogs und Wikis in der Nutzung sind, so haben sie doch auch einiges gemeinsam. Beides sind Tools für Social Networking, deren Wert für das Unternehmen steigt, je mehr Personen aktiv mitmachen. Natürlich kann man separate Lösungen für beide Anwendungen einzeln erwerben, zum Großteil als Open Source. Da die größten Kosten die notwendigen Anpassungen des Designs verursachen und nicht so sehr die Lizenzen, kommen durchaus auch kommerzielle Lösungen in Frage. Hier empfehlen sich Web-2.0-Suites, die weitere Funktionen ohne Aufwand integrieren – Gelbe Seiten, Bookmark Sharing, Community Management sind Beispiele - und etwa eine übergreifende Lösung für Tagging bieten.

Informationsverteilung über RSS/Atom

Die meisten Mitarbeiter klagen heute schon zu Recht über zu viel E-Mail im Postkorb. Insofern wäre es der falsche Ansatz, nun auch noch Feeds über E-Mail laufen zu lassen. Deshalb gibt es spezialisierte Clients für die beiden de facto Standards RSS und Atom. Sie sind als Plug-ins für Browser verfügbar, als allein stehende Anwendung oder auch im Kontext von Mail-Clients wie Notes 8 oder Outlook. In der üblichen Konfiguration zeigen sie zunächst nur die Liste der Überschriften und ein kurzes Exzerpt. Sollte die Zusammenfassung nicht ausreichen, kann man durch einen Klick den kompletten Originalbeitrag im Browser öffnen. Auch das ist einfach und man erhält somit über den Feed Reader einen komfortablen Überblick über sehr viele Quellen und ist entsprechend gut informiert. (ws)