Distributed Ledger

Blockchain – was kommt nach dem Hype?

27.11.2018
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Ricoh - Backoffice-Kosten senken mit Blockchain

Zu den Pionieren gehört beispielsweise Ricoh. Der Hersteller von Druckern, Kopierern und Office-Lösungen mit einem Jahresumsatz von 17 Milliarden Dollar experimentiert mit Blockchain-Techniken, um seine Supply-Chain- und Leasing-Prozesse zu verbessern. Wie CIO Kris Rao berichtet, ist die Initiative Teil einer breit angelegten digitalen Transformation des japanischen Konzerns.

Der japanische Konzern Ricoh experimentiert mit Blockchain-Techniken, um seine Supply-Chain- und Leasing-Prozesse zu verbessern.
Der japanische Konzern Ricoh experimentiert mit Blockchain-Techniken, um seine Supply-Chain- und Leasing-Prozesse zu verbessern.
Foto: JHVEPhoto - shutterstock.com

Rao hat vor allem die Bestell-, Auftragsabwicklungs- und Zahlungsprozesse im Visier und setzt dafür auf das Open-Source-System Hyperledger Fabric. Würden diese Abläufe automatisiert über eine Blockchain-Plattform laufen, ließen sich Backoffice-Kosten reduzieren oder sogar ganz einsparen.

Ähnlich wie andere große Unternehmen arbeitet Ricoh aber noch daran, die Leistung der Hyperledger-Plattform zu verbessern. Der CIO kämpft zudem mit unterschiedlichen technischen Standards und der Interoperabilität der zahlreichen beteiligten Systeme. Nach Einschätzung der Beratungsfirma Deloitte gehören solche Faktoren zu den größten Hürden bei der Nutzung von Blockchain-Konzepten: "Solange sich Blockchain-Techniken nicht einfach an existierende Enterprise-Systeme anbinden lassen, wird der Nutzen in großen Programmen und Initiativen sehr begrenzt bleiben", erklärten Deloitte-Spezialisten im September 2018.

UNO - eine Blockchain für mehr Menschenrechte?

Die Vereinten Nationen prüfen den Einsatz von Blockchain-Systemen auf zwei Feldern: zum einen für die Überprüfung von Identitäten, zum anderen in Supply-Chain-Prozessen. Rund 1,2 Milliarden Frauen besitzen keine offiziell anerkannte Identität, berichtet Atefeh Riazi, CIO der United Nations Organization. Dazu gehöre etwa ein Name oder der Geburtstag. Sie würden damit zu leichten Opfern von Schleppern. In einigen Ländern führe die fehlende Identität dazu, dass minderjährige Kinder Arbeiten verrichten, die eigentlich nur Erwachsene leisten sollten. Der fehlende Altersnachweis könne sich auch in Gerichtsverfahren nachteilig auswirken, wenn etwa minderjährige Angeklagte wie Volljährige behandelt würden.

Mithilfe von Blockchain-Anwendungen könnten Behörden Menschen leichter identifizieren und damit am Ende Ausbeutung und Kriminalität eindämmen, argumentiert der CIO. Er untersucht darüber hinaus, wie sich mit Blockchain-Techniken die Herkunft von Arzneimitteln prüfen lässt, die die UNO weltweit verschickt. "Die Supply Chain gehört zu den wichtigsten Bereichen, die wir uns in Sachen Blockchain ansehen", so Riazi.

Für den IT-Manager gehört Blockchain zu den disruptivsten Technologien, die sich CIOs derzeit bieten: "Diese Disruption ist real. Warum brauchen wir Uber, wenn es auch ein Peer-to-Peer-Modell gibt? Warum brauchen wir Banken, wenn man Geld auch direkt transferieren kann?"

Smarte Verträge für Finanzdienstleistungen

Boston Private, ein Vermögensverwalter für besonders wohlhabende Kunden, testet eine Blockchain für den Einsatz von Smart Contracts. Sie sollen Finanztransaktionen effizienter und sicherer erledigen. Anders als in einem offenen System kontrolliert das Unternehmen den Blockchain-Knoten und vergibt Zugangsberechtigungen an beteiligte Brokerhäuser, Kunden und weitere Parteien.

CIO und CDO Prasanna Gopalakrishnan nennt als Beispiele Devisengeschäfte oder die Kreditvergabe, die mit viel manuellem Aufwand und dem Austausch von Dokumenten verbunden seien. Eine Blockchain-App, über die Smart Contracts abgewickelt werden, könne helfen, den Aufwand drastisch zu reduzieren und die Prozesse zu beschleunigen.

Er rät anderen CIOs, nicht nur aus der Finanzbranche, zunächst den Fachabteilungen einen konkreten Business-Nutzen der Blockchain aufzuzeigen. Erst im zweiten Schritt sollten sie ihre Initiative anderen C-Level-Managern präsentieren. Gopalakrishnan: "Sie brauchen die Unterstützung der Fachanwender. Und sie müssen die Business-Probleme, die sie lösen wollen, genau verstehen und klar artikulieren."

Die Unternehmensberatung McKinsey sieht in der Finanzbranche generell viele Einsatzfelder, in denen Blockchain-Netzwerke Prozesse effizienter und insbesondere kostengünstiger abwickeln könnten. Ähnliches gelte für die öffentliche Hand. Die Experten schätzen, dass rund 90 Prozent aller Banken in Europa, Nordamerika und Australien bereits mit Blockchain experimentieren oder Investitionen getätigt haben.