Museum in Altenholz: Zuse-Maschinen dokumentieren Anfänge der Rechen-Technik

Blick zurück soll Verständnis der Computerzukunft fördern

31.01.1986

ALTENHOLZ - Gerade 30 Jahre alt und schon museumsreif: Die programmgesteuerten Rechenmaschinen des deutschen Computerpioniers Konrad Zuse sind das Herz einer ständingen Ausstellung im Computermuseum in Altenholz bei Kiel. Ziel der Initiatoren ist es, der "Nachwelt " die Anfänge der Datenverarbeitung zu erhalten und durch den Blick zurück das Verständnis für die Computertechnik der Gegenwart und Zukuhft zu fördern.

Vor rund vier Jahren schlossen sich eine Handvoll Computer- und Museumsfachleute in Kiel zusammen und gründeten den Verein Schleswig-Holsteinisches Museum für Rechen- und Schreibtechnik". Ihr gemeinsames Anliegen war es, ein Museum aufzubauen und in diesem möglichst viele "alte" Computer zu sammeln und auszustellen. Auf diese Weise wollten sie nicht nur die Anfänge der "Computerei" erhalten, sondern auch ihre rasante Entwicklung dokumentieren und didaktisch aufbereiten. Besonderer Ehrgeiz des Vereins: alle Maschinen ständig funktionstüchtig zu halten.

"Z11" bisher das älteste Stück

Das Herz der Sammlung sind die programmgesteuerten Rechenmaschinen von Konrad Zuse, dem deutschen Pionier der Computer-Entwicklung. Er baute im Jahr 1941 mit dem System E "Z1" die erste voll funktionsfähige programmgesteuerte Rechenanlage der Welt. Zuse, vor wenigen Wochen 75 Jahre alt geworden, ist Ehrenmitglied des Vereins. Von seinen Maschinen sind unter anderem zu sehen der elektromechanische Relaisrechner "Z11", mit Jahrgang 1956 das bislang älteste Ausstellungsstück, der Röhrenrechner "Z22" von 1958, das in Transistortechnik ausgeführte Nachfolgemodell "Z23" von 1959 sowie die erste elektronische Zeichenanlage "Z64", auch Graphomat genannt. Zuse konstruierte sie 1961. Schwärmt Vereinsvorsitzender Gerhard Karck: "Diese Sammlung ist einmalig." Selbst das Deutsche Museum in München könne da nicht mithalten.

Alle Geräte werden von Computerfachmann Hans-Eberhard Hoffmann, Mitarbeiter der Datenzentrale Altenholz, in der das Museum auch beheimatet ist, sorgfältig betreut. Er ist der technische "Tüftler" des Vereins, der die Maschinen wieder in Gang setzt, wenn sie mal ihre Macken haben. Ersatzteile sind ausreichend vorhanden. Private Unternehmen, Großbetriebe und Universitäten haben dem Museum alles zur Verfügung gestellt, was an DV-Relikten bei ihnen ausgedient in der Ecke stand.

Viele Systeme noch eingelagert

Hoffmann nimmt sich darüber hinaus der Besucher des Museums an, zumeist Schülern, Studenten und Auszubildenden. Er führt die Maschinen vor, erläutert ihre Leistungsfähigkeit und gestattet auch häufig Blicke in das Innenleben der Anlagen. Das undurchschaubare Gewirr von Drähten, Kabeln und Relais fasziniert immer wieder. Auch arbeiten die historischen Geräte nicht gerade leise. Überall summt, schnarrt und klappert es - Geräusche, die in den heutigen hochgezüchteten Anlagen nicht mehr zu vernehmen sind. Allerdings wären sie nach den inzwischen bestehenden Richtlinien des Lärmschutzes am Arbeitsplatz auch nicht mehr zulässig.

Die Besucher reagieren jedoch nicht nur erstaunt, wenn sie die Maschinen sehen. Vor allem die immer mehr technisch orientierten Jugendlichen werden laut Karck nachdenklich, wenn sie hören, daß diese riesigen "Urgroßvater-Kästen" noch vor einigen Jahren die Aufgaben bewältigten, die sie heute mit einem Taschenrechner erledigen. Der Vereinsvorsitzende: "Dieser Blick zurück macht den meisten erst bewußt, wie schnellebig unser Computerzeitalter ist."

Da diese gesamte technische Entwicklung aber auch auf viel Unverständnis und Ablehnung stößt, haben es sich die Museumsgründer zusätzlich zur Aufgabe gemacht, die Wirkung der Geräte auf die Menschen und ihre Arbeitsweise sowie Anwendung in ihren historischen und heutigen Bezügen aufzuzeigen. "So oft bezeichnen Leute heutzutage den Computer als Jobkiller. Dem wollen wir entgegentreten und über das soziale Umfeld des Computers von gestern und heute aufklären. Der Besucher soll erkennen, daß es auf ihn selbst ankommt, ob er den Computer als eine Arbeitserleichterung oder als Arbeitsplatzvernichter betrachtet", betont Karck.

Allerdings gibt er zu, daß speziell diese Aufklärungsarbeit recht schwierig ist. Aus diesem Grund wurde unlängst eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, in der Computerfachleute, Uniprofessoren, Museumspädagogen und Lehrkräfte ein langfristiges Konzept für das Museum ausarbeiten. Sie diskutieren auch die zahlreichen anderen Probleme, die solch eine Einrichtung mit sich bringt. Denn obwohl die ständige Ausstellung schon zahlreiche Besuchergruppen angezogen hat, sind die Gründer des Museums nicht ohne Sorge. So mangelt es an geschultem Museumspersonal und technischem Nachwuchs, der lernt, die vorhandenen Geräte zu pflegen, zu warten und lauffähig zu halten. Ferner fehlt es an Platz. Viele Geräte, die schon im Besitz des Vereins sind, können nicht aufgestellt werden, da die gerade 70 Quadratmeter große Ausstellungsfläche in der Datenzentrale ausgelastet ist. Eingelagert sind derzeit noch die Systeme Siemens 303, IBM 1130 und 1620 und kleinere Rechner von Kienzle und Olivetti. Bereits zugesagt ist ferner eine Electrologica X1/X8 mit DEC- und PDP-Einheiten. Karck hofft, daß das Museum für die vielen Raritäten bald eine neue Heimat findet.

Mit den Finanzen steht es ebenfalls nicht zum besten. Bis heute haben die Museumsväter alle Kosten selbst getragen. Unterstützung durch das Land Schleswig-Holstein erhielten sie bis auf eine einzige Ausnahme nicht. "Und das Bundesministerium für Forschung und Technologie" so Karck, "fördert zwar die Entwicklung der Computertechnik, nicht aber deren Vergangenheit." Dagegen setzt der Vereinsvorsitzende auf die Mithilfe der Hersteller, deren Systeme noch im Keller stehen. "Wenn die erst einmal zu besichtigen sind, werden uns diese Unternehmen bestimmt unter die Arme greifen. Auch sind die Norddeutschen auf der Suche nach einem potenten Partner, der die Trägerschaft übernimmt. Werden sie fündig, wollen sie nur noch als Fördergemeinschaft fungieren. Derzeit sind Verhandlungen mit der Stadt Kiel und der Universität im Gange.

Stolz auf Nachbau der Schickard-Maschine

Trotz der Sorgen ist das Engagement des Vereins ungebrochen. Schließlich, so Karck, sei es Deutschlands erstes und bislang einziges Computermuseum. Stolz sind sie vor allem auf ihre neuste und ganz besondere Rarität: einen originalgetreuen Nachbau der "Tübinger Rechenmaschine", die Professor Sichickard im Jahre 1623 erfand. Von diesem Gerät war nur eine Skizze übriggeblieben. Der Tübinger Professor Baron von Freitag-Löringhoff rekonstruierte dieses Gerät anhand der Skizze und ließ drei bis vier Modelle nachbauen. Ein Exemplar konnte der Verein mit Hilfe des Kultusministeriums von Schleswig-Holstein, das erstmals Geld bereitstellte, jetzt kaufen.

Informationen: Schleswig-Holsteinisches Museum für Schreib- und Rechentechnik e.V., c/o Datenzentrale Schleswig-Holstein, Altenholzer Straße 10-14, 2300 Kiel-Altenholz, Telefon: 04 31/30 18-2 12 oder -2 20.