NCN: Nixdorfs Konzept für die Datenfernverarbeitung

Blanko-Scheck auf die Zukunft

26.03.1976

Von MDT-Herstellern wurde bisher viel Marketing in "Großrechner-Ersatz" gemacht - der Anwender konnte beinahe übersehen, daß die heutigen platten-orientierten MDT-Anlagen durchaus echte Alternativen sind, wenn es darum geht, intelligente Terminals für den dezentralen Einsatz von Ort auszuwählen. Das soll anders werden, sagt Nixdorf. Wohl um auch den letzten Zweifler davon zu überzeugen, daß in Paderborn nicht mehr nur "Stand-Alone-Systeme für den Klein- und Mittelbetrieb" sondern "Terminal-Computer" gefertigt werden, haben es die Nixdorf-Marketing-Strategen nicht dabei bewenden lassen, die Anschlußverträglichkeit ihrer Produkte hervorzuheben - es mußte gleich ein "umfassendes Datenfernverarbeitungs-Konzept" geschaffen werden. Seit Stockholm (siehe CW-Nr. 12 vom 19. 3. 1976: "Nixdorf wird verträglich") weiß also der Anwender, daß "ein Netzwerk mit anschlußverträglichen Nixdorf-Terminal-Computern problemlos ausgebaut werden kann - egal, welches Fabrikat der Zentralrechner hat". Durch NCN (Nixdorf Communication Network) wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen - ein Schritt zu mehr Herstellerunabhängigkeit.

Wenn Nixdorf-Vorstandsmitglied Klaus Luft davon spricht, daß NCN "ein Beitrag zur Reduzierung allgemeiner DFV-Probleme sein soll, die im wesentlichen dadurch entstanden sind, daß sich der Anwender bisher in eine absolute Bindung zu einem EDV-Hersteller begeben mußte", dann wird klar, welche Marketing-Strategie dahinter steht: IBMs Vormachtstellung auf dem Datenfernverarbeitungssektor, die nach Luft-Aussagen mit der Ankündigung von SNA (Systems Network Architecture) und vor allem mit dem Alleingang in der Prozedurfrage (SDLC statt HDLC) erneut unter Beweis gestellt wurde, soll an der "Terminal-Front" unterlaufen werden.

Er gehe zwar davon aus - so Klaus Luft - , daß SNA Standards setzt, an denen unabhängige Terminal-Hersteller sich zu orientieren haben, es gelte jedoch dem Benutzer klar zu machen, daß Nixdorf alle Datenübertragungs-Prozeduren nachempfinden könne.

Andere IBM-Konkurrenten haben bis auf wenige Ausnahmen (siehe CW-Nr. 11 vom 12. 3. 1975: "SDLC für Olivettis Serie A) in Bezug auf SNA bisher Zurückhaltung geübt. Denn noch hat der Marktführer bekanntlich nicht alle Details über die auf SDLC aufbauenden Protokolle auf den Tisch gelegt - kürzlich gar erste SNA-Konzessionen gemacht (Tcam ohne Vtam). Insofern ist die Vorstellung von NCN zum jetzigen Zeitpunkt ein Vorpreschen mit Notwehr-Charakter. Denn die Marksituation ist für Nixdorf heute eine andere als in "unbeschwerten" MDT-Zeiten. Man werde - so Klaus Luft - von "links" und "rechts" in die Zange genommen: "Die großen Hersteller bringen immer kleinere Systeme, die Minicomputer-Produzenten Anwendungs-Software auf den Markt." Welch existentielle Bedeutung die Datenfernverarbeitung für sein Haus habe, zeige wohl am besten, daß 1975 über 50 Prozent des Nixdorf-Umsatzes, nämlich 350 von insgesamt 617 Millionen Mark, mit großen Organisationen gemacht wurde. Diese Position gelte es zu halten, ja zu verbessern - gegen starke Konkurrenz. Die Nixdorf-Zukunft sieht Klaus Luft dennoch rosig: "Welchen Anteil wir am Terminal-Markt erreichen können, wird nicht vom Wettbewerb und schon gar nicht von den finanziellen Mitteln eingeschränkt, die Begrenzung liegt allein bei uns." Auf die Reaktion der Mitwerber darf man mit Recht gespannt sein.