Bizarrer Tarifstreit bei A&O eskaliert

14.06.2007
Der IT-Dienstleister und die IG Metall führen eine Schlammschlacht um die Gültigkeit eines Tarifvertrags.

Die Auseinandersetzung zwischen A&O-Management, Belegschaft und Gewerkschaften eskaliert. Für Unruhe sorgt in erster Linie der Mitte Mai vollzogene Betriebsübergang der A&O Itec GmbH, die vor zwei Jahren durch die Übernahme der Siemens-Tochter Sinitec entstanden war, in eine andere A&O-Tochter, die 4tec GmbH. Dort müssen sich die Mitarbeiter mit längeren Arbeitszeiten und zum Teil deutlich geringeren Bezügen bescheiden. A&O-Chef Michael Müller rechtfertigt diesen Schritt mit dem schwierigen Marktumfeld im Bereich Field-Services und pocht auf einen aus seiner Sicht gültigen Tarifvertrag, der den Schritt legitimiert. Davon wollen die Gewerkschaften jedoch nichts wissen.

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"Es ist für mich unvorstellbar, was hier abläuft", ereifert sich Müller. Der Anerkennungstarifvertrag für die A&O 4tec GmbH, der auf einem Ende März mit der IG-Metall abgeschlossenen Tarifvertrag einer anderen A&O-Tochter basiert, sei rechtmäßig zwischen dem Dienstleister und der Gewerkschaft ausgehandelt worden. In der Tat haben am 30. März dieses Jahres IG-Metall-Vize Berthold Huber und Tarifsekretär Gerd Nierenköther das Schriftstück, das der computerwoche in Kopie vorliegt, unterzeichnet.

"Der Vertrag ist nicht zustande gekommen", widerspricht Nierenköther. Zwar habe die Gewerkschaft mit dem A&O-Management über einen Tarifvertrag verhandelt. Man habe sich jedoch über die von der Gewerkschaft geforderte Besitzstandswahrung, die für die Itec-Mitarbeiter den Status aus alten Sinitec-Zeiten festschreiben sollte, nicht einigen können. Müller habe versucht, den Status quo aus dem mittlerweile gekündigten Sanierungs-tarifvertrag für Itec festzuschreiben, der Abstriche für die Mitarbeiter bedeuten würde, behauptet der IG-Metall-Sekretär. In dem umstrittenen Dokument sei lediglich der aktuelle Verhandlungsstand formuliert und festgehalten worden. "Es ist kein verbindlicher Tarifvertrag."

Die Position der Gewerkschaft ist allerdings nicht so klar, wie es die Funktionäre glauben machen wollen. Zunächst hatten sie behauptet, es existiere überhaupt kein Vertrag, später räumten sie dann ein, es gebe ein Dokument, das jedoch nicht als Tarifvertrag anzusehen sei. Eine Antwort auf die Frage, warum das Schriftstück mit "Anerkennungstarifvertrag" betitelt ist, bleibt die IG-Metall bislang schuldig. Auf Nachfrage heißt es, A&O-Chef Müller sei nur darauf aus, die Situation weiter eskalieren zu lassen.

Der A&O-Chef wirft der IG-Metall einen Schlingerkurs vor. Anhand eines forensischen Gutachtens, das der CW ebenfalls vorliegt, glaubt Müller belegen zu können, dass die Gewerkschafter den Inhalt des Dokuments in vollem Bewusstsein über die Tragweite ihres Handelns unterzeichnet haben. Spekulationen aus IG-Metall- und Belegschaftskreisen, das Schriftstück sei im Nachhinein manipuliert worden, lassen sich so entkräften.

Für IG-Metall-Vize Huber, der Jürgen Peters als Vorsitzenden beerben soll, könnte der Fall peinlich enden. Der offenbar unterzeichnete Tarifvertrag bringt für die betroffenen A&O-Mitarbeiter deutliche Einschnitte mit sich.

In einschlägigen Internet-Foren beschweren sich die Beschäftigten über Gehaltskürzungen von bis zu 40 Prozent und kündigen Widerstand an. Viele der rund 560 Betroffenen wollen dem Übergang von der Itec GmbH in die 4tec GmbH widersprechen.

Nach der Übernahme habe man im Rahmen des Sanierungsvertrags Opfer gebracht, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, heißt es von Mitarbeitern. Nun fühlen sie sich vom Management wie auch von der Gewerkschaft verraten. Es kursieren Vorwürfe, die IG-Metall-Verantwortlichen hätten sich über den Tisch ziehen lassen. Offen wird darüber diskutiert, Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen. Eine Seite müsse ja lügen, so die Begründung.

Wer das ist, werden letztendlich wohl die Gerichte klären müssen. Am 22. Juni treffen sich beide Seiten zu einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt am Main. Tarifrechtsexperte Helmut Krause aus München rechnet mit einem schwierigen Verfahren. Zwar entspricht das Dokument aus seiner Sicht formal einem Tarifvertrag. Die einzelnen Formulierungen seien jedoch längst nicht so eindeutig.

Derzeit liegen offenbar bei allen Parteien die Nerven blank. Anfang des Monats erteilte die Geschäftsführung dem Betriebsratsvorsitzenden der Münchner Niederlassung Walter Stengl Hausverbot und stellte ihn frei. Angesichts des drohenden juristischen Scharmützels haben die A&O-Verantwortlichen mittlerweile zwar ihre Verfügungen zurückgenommen, die Fronten bleiben jedoch verhärtet. (ba)